Hattingen. Welche Fragen haben junge Leute vor der Bundestagswahl? Das Gymnasium Holthausen in Hattingen hat fünf Parteien gefragt. Viel Kritik an der AfD.
Was interessiert junge Leute an der kommenden Bundestagswahl? Offenbar vieles! Mit Sondergenehmigung aus Arnsberg veranstaltete der Leistungskurs Sozialwissenschaften am Gymnasium Holthausen eine Podiumsdiskussion und lud dazu Bundestagskandidatinnen und -kandidaten ein.
Der Einladung gefolgt waren Ursula Weiß (Die Linke), Axel Echeverria (SPD), Janosch Dahmen (Grüne), Katja Strauss-Köster (CDU), Anna Neumann (FDP) und Heike Bandmann (AfD). Die Publikumsfragen der Schülerinnen und Schüler richteten sich vor allem an die AfD – und das mit kritischem Unterton. Eine Mitschrift.
Soll Deutschland Mitglied der NATO bleiben?
Die Teilnehmenden haben vorerst nur die Möglichkeit, mit Ja oder Nein zu antworten. Die erste Schülerin tritt ans Mikrofon: „Sollte Deutschland Mitglied der NATO bleiben?“ Nur die Linke und die AfD stehen bei „Nein“, der Rest stellt sich zu „Ja“. Dann kommt Anna Neumann (FDP) zu Wort. Die aktuelle Kritik an der NATO könne sie verstehen, „aber die NATO ist das größte Friedensbündnis auf unserer Welt.“

Sollte die AfD verboten werden?
Bei der Frage geht ein Raunen durch die Aula. Die FDP und AfD sind dagegen, SPD, Grüne und Linke sammeln sich bei „Ja“. Katja Strauss-Köster (CDU) bleibt in der Mitte stehen. Beim Haustür-Wahlkampf treffe sie immer mehr auf Menschen, die die AfD wählen, „da muss man diskutieren und miteinander ein Gespräch halten.“ Axel Echeverria (SPD) meint: „Letztendlich geht es um die Frage: Steht die AfD noch auf dem Boden dieser Verfassung, oder nicht?“ Ein Prüfverfahren einzuleiten sei nun wichtig, immerhin sehe das Grundgesetz Möglichkeiten zum Schutz der Demokratie vor.
Umgang mit Ukraine-Flüchtlingen?
„Der Ukraine-Krieg ist ganz fürchterlich“, beginnt AfD-Politikerin Heike Bandmann ihren Beitrag. „Ich sehe auf Social Media Werbung für wunderbare Skigebiete, für Küstenurlaube“ Sie habe „leider Gottes Grund zu vermuten, dass viele Ukrainer als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft werden müssten“. Da wird sie von Janosch Dahmen (Grüne) unterbrochen. „In der Ukraine herrscht Krieg“, entgegnet er schockiert. Anna Neumann kann sich den Kommentar „Ja, da kann man doch mal Urlaub machen“, nicht verkneifen. „Würde ich machen!“, kontert Bandmann. Außerdem würden auch Menschen aus Ländern kommen, die gar keinen Grund zur Flucht hätten. Ein Beispiel nennt sie nicht. Der „Topf“ des Sozialstaates sei irgendwann leer und dürfe nicht wegen „Menschen aus dem Außenbereich“ ausgeschöpft werden.
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Ulla Weiß (die Linke) kommentiert: „Kein Mensch ist illegal“. Die Gründe zur Flucht könne man nicht nachvollziehen, aber niemand tue sich solch ein traumatisches Erlebnis freiwillig an. Axel Echeverria (SPD) reagiert empört: „Jeder, der in seinem Land vor Bomben flieht, soll einen sicheren Hafen finden. Zu sagen, dass Flüchtlinge aus der Ukraine Wirtschaftsflüchtlinge sind, ist eine Frechheit.“
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Die Eu abschaffen?
„Warum wollen Sie die europäische Union und den Euro abschaffen“, fragen die Schüler die AfD-Kandidatin - denn so steht es im Parteiprogramm der AfD. So drastisch seien die Pläne der AfD gar nicht, meint Heike Bandmann, sie selbst wolle lediglich zurück zu einer europäischen Wirtschaftsunion. Die EU in ihrer aktuellen Form würde mit zu vielen Verboten und Regularien arbeiten. „Dortige Leute“ würden sich zudem „anmaßen, Wahlen rückgängig zu machen“. Die EU würde Meinungsmache betreiben, statt ihre Mitgliedsstaaten zu unterstützen, so Bandmann. In erster Linie sei man deutsch und nicht europäisch. Der Euro habe der deutschen Wirtschaft zudem geschadet, man bräuchte ihn „nicht zwingend“, meint Bandmann.
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Axel Echeverria bezeichnet die EU in erster Linie als „Friedensprojekt“: „Friedenstechnisch und wirtschaftlich das Beste“, was Deutschland je passiert sei. Ein möglicher „Dexit“ sei „Wahnsinn“ und würde „unser Land gegen die Wand fahren“, meint der SPD-Bundestagsabgeordnete. „Insbesondere in Zeiten, wo Donald Trump US-amerikanischer Präsident ist, brauchen wir nicht weniger Europa, es braucht deutlich mehr Europa!“
Was hält die AfD von gleichgeschlechtlicher Ehe?
Diese Frage findet Heike Bandmann aufgrund der Sexualität der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel, „seltsam“. „Welche Antwort soll ich Ihnen geben? Sie sind perfekt und fein“, meint Bandmann. Darauf geht Axel Echeverria (SPD) sofort ein. „Ihre lesbische Kanzlerkandidatin lebt auch mit einer Frau mit Migrationshintergrund aus Sri Lanka zusammen und trotzdem hat sie was gegen Ausländer“, meint er.
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Dazu die AfD-Politikerin: „Herr Echeverria, keiner bei uns in der Partei würde behaupten, dass er was gegen Ausländer hat.“ Es ginge lediglich darum gegen das Problem der Arbeitsverweigerer vorzugehen, unabhängig von ihrem Hintergrund, erklärt Bandmann weiter.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Janosch Dahmen hält dagegen: „Jeder soll lieben, wen er will, und soll sein Leben so leben, wie er will. Menschen irgendwas zu verbieten, ist doch total bescheuert!“ Dafür erntet er viel Applaus - nach dem in den Augen vieler Schülerinnen und Schüler absurden Auftritt der AfD-Kandidatin.