Hattingen. Oleg Polupan hat die „Las Vegas World Championships Veterans 2024“ gewonnen. Doch glücklich ist der in Hattingen lebende Judo-Weltmeister nicht.

Er ist nicht nur ein drahtiger, durchtrainierter Mann – er ist jetzt sogar Weltmeister! Oleg Polupan stand im November in Las Vegas ganz oben auf dem Siegertreppchen. Damit hat er alles erreicht, was man im Sport erreichen kann. Aber sein Leben hat viele Facetten. Seit Juni kämpft der Ukrainer nicht nur auf der Trainingsmatte, seit dem Sommer kämpft er sich mit seiner Ehefrau in Hattingen in ein neues Leben.

Geflohen ist das Ehepaar aus Kiew mit seiner Tochter vor dem nicht aufhörenden Bombenalarm in der Stadt. „Und fast jeden Tag fällt in der Stadt über Stunden der Strom aus“, dolmetscht seine Nichte Olga Hammer, die in Hattingen mit einem Deutschen verheiratet ist. Aber warum hat sich der Onkel jetzt erst entschlossen, sein Land zu verlassen? „Ich bin in diesem Jahr 60 Jahre alt geworden. Und vorher durfte ich die Ukraine nicht verlassen“, sagt er. „Das war politisch vorgegeben.“

Alles zurückgelasssen, was er einst aufgebaut hat

Oleg Polupan hat alles zurückgelassen, was er sich in Jahrzehnten aufgebaut hat. Er war selbstständig, hat Möbel gebaut, hatte eine Wohnung und ein Sommerhaus. Das alles ist jetzt – vorläufig - Vergangenheit. Nichts wie weg aus dem Kriegsland – das Schicksal teilt er mit so vielen Landsleuten. Ursprünglich kommt er aus Kasachstan, und sportlich war er schon als Kind. Zuerst hat er mit dem Boxsport angefangen, dann mit Ringen weitergemacht und mit zehn Jahren kam er zum Judo.

Nach Moskau ging er dann zum Studium und wurde Ingenieur. „Aber mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde die wirtschaftliche Lage immer kritischer, man konnte als Ingenieur kein Geld mehr verdienen“, erzählt der 60-Jährige. Also nahm er – der Not gehorchend – Arbeit in einer Möbelfirma auf, lernte seine Frau kennen, die aus Kiew stammte und zog mit ihr in die Ukraine. Dort baute er seine eigene Firma auf und war 30 Jahre lang selbstständig. Ganz schlimm findet er, dass jetzt viele junge Männer gegen ihren Willen in den Krieg ziehen müssen. Das belastet ihn und er ist froh, eine Tochter zu haben, die mit ausreisen durfte.

Der Belgier Jean Steenackers liegt unten, Oleg Polupan gewinnt.
Der Belgier Jean Steenackers liegt unten, Oleg Polupan gewinnt. © Olha Hammer

Spagat zwischen Kriegsland Ukraine und Entertainment-Stadt Las Vegas

Dass er im Juni dieses Jahres schon in Hattingen lebte, machte es ihm leichter, ein Visum für die USA zu bekommen, um an den Veteranen-Weltmeisterschaften für die Ukraine teilzunehmen. „Denn die Botschaft in Kiew ist geschlossen. Die 16 anderen Sportler mussten in Länder wie Polen reisen, um ein Visum zu bekommen.“ Bei der Einteilung in einzelne Gruppen zählen auch Alter und Gewicht, erklärt er. Natürlich ist er stolz auf seinen Erfolg, es ist die Krönung seines sportlichen Lebens.

Schwer zu ertragen, war für ihn allerdings der Spagat zwischen dem Kriegsland Ukraine und der Entertainment-Stadt Las Vegas. Die Seele einzuordnen zwischen Menschen, die täglich Todesangst haben, und Personen, die die Oberflächlichkeit des Seins jeden Tag leben – das sei kaum zu schaffen. „Ich habe mich nicht so richtig amüsiert, ich bin eine bescheidene Person“, sagt Oleg Polupan. Zwischen den beiden Lebensweisen liegen Welten.

Bei der Siegerehrung: Oleg Polupan steht ganz oben auf dem Siegertreppchen.
Bei der Siegerehrung: Oleg Polupan steht ganz oben auf dem Siegertreppchen.

Weihnachten ist ein belastendes Thema

Jetzt ist er wieder in Hattingen, „eine sehr schöne und ruhige Stadt“ wie er findet. Kontakte hat er mittlerweile nach Bochum und Witten. In Sportvereinen beider Städte trainiert er drei- bis viermal pro Woche. Auf dem Hattinger Weihnachsmarkt war er bisher noch nicht. Denn Weihnachten – auch das ist so ein belastendes Thema. „Bis 2022 feierte man in der Ukraine das orthodoxe Weihnachtsfest am 6. Januar. Da ging man in die Kirche, aber das war eine durch Moskau gesteuerte Tradition“, erzählt der Neu-Hattinger.

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Jetzt wollen sich die Ukrainer von Russland lösen, gehen am 6. Januar nicht mehr in die Kirche und feiern am 24. Dezember Weihnachten. Wie sehr ihm und seiner kleinen Familie in diesem Jahr nach Feiern zumute ist, das lässt Oleg Polupan offen.

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