Hattingen/Breckerfeld/Düsseldorf. Drogen-Mafia: Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat Anklage erhoben – u.a. gegen den Hauptbeschuldigten aus Hattingen. Die Lage wird klarer.

Bei der Großrazzia gegen die italienische Mafia-Organisation ‘Ndrangheta im Mai 2023 ist einer der Hauptbeschuldigten in Hattingen festgenommen worden. Jetzt hat die zuständige Staatsanwaltschaft Düsseldorf Anklage gegen fünf Männer und drei Frauen erhoben – immer mehr Details kommen inzwischen ans Licht.

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Bandenmäßiger Drogenhandel oder Beihilfe dazu wird ihnen vorgeworfen und die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Für den Schmuggel von Hunderten Kilo Kokain in 162 Fällen sollen sie verantwortlich sein. Bis zu 15 Jahre Haft drohen bei einer Verurteilung und selbst bei der Beihilfe stehen mehr als elf Jahre Gefängnis im Raum. Der Prozess wird am Landgericht Wuppertal stattfinden.

Das Angelparadies Steinbachtal: Hier sollen Drogenkurier-Fahrer rekrutiert worden sein.
Das Angelparadies Steinbachtal: Hier sollen Drogenkurier-Fahrer rekrutiert worden sein. © WP | Michael Kleinrensing

Im Blickpunkt steht das Angelparadies im Steinbachtal bei Breckerfeld, das von dem heute 63 Jahre alten Hattinger gehörte. Karl-Heinz E. hat beruflich schon einiges gemacht: Im Baugewerbe war er tätig, mit italienischer Feinkost hat er gehandelt, mit seiner Frau sogar einmal ein Inkassounternehmen betrieben. Nach Ansicht der Ermittler hat er über Jahre rund um die abgelegenen Teiche auch eine Gruppe von Drogenkurierfahrern aufgebaut.

Beschuldigte mit typisch deutschen Vornamen

Dabei gab es vor dem Zugriff der Ermittler bei acht Angeklagten im Alter von 35 bis 63 Jahren, die aus Hattingen, Dortmund, Wuppertal und Castrop-Rauxel stammen, vermeintlich keine Anzeichen, dass sie im Dienste mafiöser Strukturen stehen könnten. Vorbestraft sind die acht entweder überhaupt nicht – oder aber wegen kleiner, vor allem nicht einschlägiger Delikte. Und wenn man in Vorurteilen denkt und bei Mafia-Helfern eher an italienische oder albanische Namen denkt, dann wird man hier enttäuscht: Deutsche Staatsangehörige sind sie alle – mit typisch deutschen Vornamen in diesen Altersklassen. Jetzt sitzen sie alle schon seit fast eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft.

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Ob das Angelparadies dabei der Geldwäsche dient, um die Gewinne aus den Drogenfahrten zu legalisieren, wird wohl ungeklärt bleiben. Die Ermittler vermuten dies stark, aber man habe den Ermittlungsstrang aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht weiter verfolgt und zur Anklage gebracht, sagt der ermittelnde Staatsanwalt Julius Sterzel gegenüber der Redaktion. Im Klartext: Die Strafen, die den Angeklagten allein wegen der Drogenkurier-Fahrten drohen, sind schon so hoch, dass die Geldwäsche nicht mehr ins Gewicht fallen würde.

Was passierte in den Jahren zwischen 2009 und 2018?

Zwischen Februar 2018 und November 2022 sollen etwa 880 Kilogramm Kokain, die aus Südamerika zunächst in die Niederlande oder nach Belgien verschifft worden waren, nach dem Zwischenstopp in NRW nach Italien transportiert haben. Die Ermittler sind zuversichtlich, dass sie E. auch nachweisen können, dass er in den Jahren 2008 und 2009 schon für den Transport von mehr als einer Tonne Kokain auf diesem Wege verantwortlich gewesen sein soll. Was zwischen 2009 und 2018 war? Die Ermittler gehen nicht davon aus, dass es in dieser Zeit nicht zu Transporten gekommen ist. „Aber wir können dies nicht mit der notwendigen Sicherheit nachweisen“, so Staatsanwalt Julius Sterzel.

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Verdeckte Ermittler im Einsatz

Nur mit sehr dürren Worten bestätigt Staatsanwalt Julius Sterzel, dass rund um das Anglerparadies auch verdeckte Ermittler eingesetzt wurden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet mit Verweis auf Ermittlungsakten, dass sie sich als vermeintliche Angelfreude mehrfach mit dem Mountainbike in Richtung Steinbachtal aufgemacht hatten und über Monate das Vertrauen des nun auch angeklagten Betreiber-Ehepaares aus Hattingen gewonnen haben sollen.

Nachdem die verdeckten Ermittler eine Story zu mutmaßlich illegalem Geld in der Schweiz auftischten, dass sie doch in das Angelparadies investieren könnten, soll der Betreiber davon gesprochen haben, dass man sich in dem Geschäft auskenne, der Kontakt zu Karlheinz E. kam zustande. Neben den Telefonüberwachungen und Wanzen kamen die Ermittler durch diese „Geschwätzigkeit“ wohl auch so an immer mehr Details zu dem Drogenkurier-Ring.

Was die Angeklagten selbst zu all den Vorwürfen sagen, ist nicht bekannt. Die übermittelten Anfragen an deren Verteidiger blieben bislang unbeantwortet. Die Kurier-Fahrzeuge, in die - wahrscheinlich in Spanien - filmreif wirkende Verstecke eingebaut worden waren, sind alle beschlagnahmt worden. Und die Staatsanwaltschaft hat bei dem Hauptverdächtigen auch sonstige Vermögenswerte gesichert, um bei einer Verurteilung die Gewinne aus den illegalen Drogengeschäften abschöpfen zu können. Auch der silberne Foodtruck von E.s Ehefrau, der aus den USA stammt und der über Jahre im Ruhrgebiet unterwegs war, gehört dazu.

Polizeieinsatz in der Nacht in Hattingens Südstadt

Anwohner der Südstadt haben in der Nacht zum 3. Mai 2023 den Polizeieinsatz im Zuge der europaweiten ‘Ndrangheta-Razzia zwar wahrgenommen, worum es dabei genau ging, kam indes erst nach und nach ans Tageslicht. Seitdem sitzt der Hauptbeschuldigte wie die weiteren Beschuldigten in Untersuchungshaft. Das Privatauto wurde beschlagnahmt, auch Datenträger, Telefone und Unterlagen haben Einsatzkräfte aus dem Haus am Waldrand getragen.

Der Hattinger hat laut Staatsanwalt Julius Sterzel bisher keine Vorstrafen. „Er ist lange im Geschäft, aber bisher nicht aufgefallen.“ 

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