Hattingen. Die Stammgäste kommen seit Jahrzehnten in die Kult-Kneipe in Hattingens Altstadt. Alte und neue Geschichten - und Lob für die neue Wirtin.
„Janine ist die Tollste“, ruft Jule. Sie ist 28 Jahre alt - und Stammgast im „Kleinen Café“ in Hattingen, das Janine übernommen hat. Jule teilt ihre Meinung mit Stammgästen, die schon weit über 40 Jahre ins Café an der Johannisstraße kommen. Aus Gründen.
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Silke hat als Schülerin das „Kleine Café“ für sich entdeckt. „Ich bin als 16-Jährige hier in den Pausen hingekommen.“ 45 Jahre ist das her. Sie nimmt „das Übliche“. Wirtin Janine weiß, was das ist: ein Grolsch.
Hattingen: Stammgäste des Kleinen Cafés kommen seit über 40 Jahren
Silke erinnert sich noch gut an den ehemaligen Kult-Wirt Fiete, nach dessen Tod sich Janine entschlossen hat, das Kleine Café zu übernehmen. „Zum Glück“, sagen Axel (73) und Georg (71) unisono, „sonst wäre unsere Stammkneipe weg gewesen.“ Seit 1973 kommen die beiden her. Auch wenn das Wirt Fiete damals gar nicht so begeistert hat.
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Axel erinnert sich: „Das war ja ein Schülercafé und da kamen plötzlich am Abend, als er schließen wollte, wir Studenten aus Querenburg aus dem Studentenwohnheim. In Bochum war nämlich nichts los.“ Sein Freund Georg sagt, sie hätten den Tipp bekommen, dass da in Hattingen eine Kneipe ist, die Guinness vom Fass hat. Weil die beiden Freunde sich für irische Musik und Irland generell interessierten, fuhren sie nach Hattingen. Zu Fiete und dem Guinness.
Guinness vom Fass gibt‘s nicht mehr - aber die Stammgäste bleiben
Guinness vom Fass gibt es schon lange nicht mehr. Die Freunde aber sind der Kult-Kneipe, bei der sie trotz der Öffnungszeiten schon mal vor verschlossenen Türen standen, weil Fiete gegangen war, treu geblieben. „Das ist hier unbürokratisch. Das mögen wir.“
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Fiete, der von einer Frauengruppe einst zum „schönsten Mann Hattingens gekürt wurde“, erinnert sich Axels Frau Ursula, habe seine eigene Art gehabt. Das sagt auch Silke: „Er hat sich wenig um Konventionen geschert, aber das machte das Flair aus.“ Als „unser Wohnzimmer“ bezeichnet sie die kleine Kneipe. Und ein wenig wie ein Wohnzimmer ist es innen auch mit den Teppichen, der alten Puppe auf einem Regal, der Couch mit den Kissen.
Axel und Georg haben ihren Stammplatz
Ihren Stammplatz haben Axel und Georg seit jeher gleich rechts hinter dem Eingang in der Ecke. Es sei denn, sie können draußen sitzen. Dann genießen sie den Sommer im Freien. Außengastronomie übrigens gab es in den 1970er-Jahren noch nicht. „Das kam erst im Zuge des Altstadtfestes“, erinnert sich Axel. Der Donnerstag hat sich als Stammtag der Freunde etabliert, „weil die meisten freitags dann nach Hause zu ihren Eltern gefahren sind“, erklärt Georg.
Silke ist mit ihrem Mann Jürgen hier - und Nachbar Reiner kommt auch schon seit acht Jahren mit. Im Kleinen Café „ist man kein Anonymus“, lobt Silke. Denn eigentlich kennt hier im Kleinen Café jeder jeden. Hier wird sich gleich geduzt, alle sprechen sich mit Vornamen an. Keiner fragt, woher der andere kommt. Beruf, Stellung, Alter: Das interessiert niemanden. Ganz im Sinne von Udo Jürgens Lied „Die kleine Kneipe in unserer Straße . . . da fragt Dich keiner, was Du hast oder bist“. Hier redet jeder mit jedem über Gott und die Welt und die Politik.
Neue Wirtin führt das Kleine Café in Fietes Sinne fort
Janine, die eine Weile noch mit Fiete arbeitete, führt das Café in seinem Sinne fort - bringt es allerdings auf Vordermann: „Ich habe gerade erst die ganze Elektrik machen lassen. Es gibt neue Getränke auf der Karte. Und auch die Kühlung ist neu. Warme Getränke schmecken nicht.“
Was Fiete damals egal war, weiß Georg. „Fiete hat das Bier auch warm ausgeschenkt.“ Das möchte die neue Wirtin nicht. Und noch etwas hat sich dann doch geändert: „Als ich hier anfangs gearbeitet habe, bin ich an die Tische gegangen und habe die Gäste angesprochen, ob sie noch etwas trinken möchten, da haben sie sich erschrocken“, erinnert sie sich lachend.
Was neu ist - und was geblieben
Was geblieben ist: Wenn Janine Stress hat, dann steht immer irgendein Stammgast auf und hilft mit. Und auch das: „Hier bleibt keiner allein“, sagt Wirtin Janine. „Wir haben hier draußen ja einen großen Tisch, kommt einer alleine, setzen wir ihn einfach dazu und man kommt sofort ins Gespräch.“
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Jule schwärmt von Janine: „Muddi ist die Beste! Ich liebe sie!“ Und ihr Hund Krisko fühlt sich wohl in der Kneipe, das sei für ihn ungewöhnlich. „Ich habe Tränen in den Augen, das ist so schön hier, ich geh‘ nirgendwo anders mehr hin.“
Von alten Freunden und neue Bekanntschaften
Axel freut sich, dass er im Kleinen Café nach so vielen Jahren „noch immer viele Freunde aus alten Zeiten trifft. Und wir schließen natürlich auch neue Bekanntschaften. Wir alle sind so froh, dass Janine diese Institution mit Herzblut und Kompetenz am Leben erhält. So können wir auch in Zukunft immer wieder mal gemeinsam auf Fiete anstoßen. Und danach ein Hoch auf Janine ausbringen“.