Hattingen. Ein Mann hat jahrelang Unterhaltszahlungen für seinen Sohn verweigert. Eine Straftat? Es geht in Hattingen um Pfändung, Entfremdung und Rufmord.

Ein bizarrer Fall: Jahrelang hat der Mann (46) die Unterhaltszahlungen verweigert, sitzt in Untersuchungshaft, weil er einem ersten Prozess-Termin fernblieb und will dem Amtsgericht Hattingen seine Identität nicht bestätigen – die ganze Geschichte:

Wenn Mütter und Väter nicht (mehr) zusammen leben und das Kind im Haushalt des anderen Elternteils wohnt, dann müssen sie zur Sicherung des Lebensbedarfs des Kindes normalerweise regelmäßig einen Geldbetrag zahlen. Doch gegen diese Unterhaltspflicht verstoßen Jahr für Jahr zig Eltern. So auch ein 46-jähriger, dem jetzt in Hattingen der Prozess gemacht wurde.

Personen, die ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen, machen sich strafbar (Symbolbild).
Personen, die ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen, machen sich strafbar (Symbolbild). © dpa | Jens Büttner

46 Jahre alt ist der Angeklagte. Hereingeführt in Saal 1 des Amtsgerichts Hattingen wird er von zwei Polizeibeamten. Denn weil er einem früheren Verhandlungstermin ferngeblieben war, hatte das Gericht einen Haftbefehl gegen ihn erlassen, seit Ende April saß er in Untersuchungshaft.

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Das „etwas bizarre Verhalten“, das Richter Johannes Kimmeskamp dem 46-Jährigen zum Prozessende attestieren wird, zeigt sich bereits zu Beginn der Verhandlung. Nicht seinen Pflichtverteidiger will jener, sondern stellt einen - abgelehnten - Antrag auf Verpflichtung eines „Anwaltes meines Vertrauens“. Und auch, als er bestätigen soll, dass er der Angeklagte ist, verhält er sich merkwürdig. Schließlich muss seine frühere Lebensgefährtin sagen, dass er der in den Akten Genannte ist.

Anklage: Jahrelang der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachgekommen

Vor wirft ihm die Staatsanwaltschaft, dass er von Juni 2017 bis November 2020 seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber seinem 2006 geborenen Sohn nicht nachgekommen ist, in jenem Zeitraum insgesamt rund 15.000 Euro nicht gezahlt hat.

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Als Freiberufler sei er tätig gewesen, habe im Jahr etwa 17.000 Euro verdient, sagt der Angeklagte. „Das war nicht die Welt.“ Und doch hatte er für seinen Sohn zunächst Unterhalt gezahlt. Die Kontoauszüge, die dem Gericht vorliegen, weisen monatlich Zahlungen von etwa 200 Euro aus - bis September 2015. Dann werden diese komplett eingestellt. In jener Zeit wird vor dem Familiengericht auch über das Umgangsrecht des Vaters mit dem Sohn verhandelt. Gibt es einen Zusammenhang?

Verletzung der Unterhaltspflicht

Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht entzieht, sodass der Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten gefährdet ist oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre, kann laut Paragraf 170 des Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden.

Dafür allerdings muss einem Angeklagten bewiesen werden, dass er Unterhaltszahlungen leisten kann, ohne seine eigene Existenz zu gefährden. Oder dass er sich nicht oder zu wenig bemüht hat, so viel Geld zu verdienen, dass er finanziell der Verantwortung für das Kind gerecht werden kann.

Die als Zeugin geladene Mutter, die 2015 schließlich eine Kontopfändung beantragte, sagt, ihr Ex-Partner habe irgendwann mal gesagt: „Wenn ich meinen Sohn nicht sehen kann, dann zahle ich auch nicht für ihn.“ Der Angeklagte sagt derweil im Prozess, sie habe ihm den Sohn entfremdet. Zu einer einjährigen Haftstrafe auf Bewährung wegen Verstoßes gegen die gesetzliche Unterhaltspflicht zwischen Ende 2015 und Mitte 2017 war der 46-Jährige dabei bereits 2018 verurteilt worden, Ende 2022 wurde ihm die Haftstrafe dann erlassen.

Unterstützungszahlungen von einem Angehörigen erhalten

In diesem Prozess nun erläutert er, wie hart ihn die Pfändung seines Kontos getroffen habe. Er sei ja grundsätzlich zahlungsbereit, aber gerade finanziell nicht flüssig gewesen, skizziert er seine damalige Lage. Um seinen eigenen Lebensunterhalt zu sichern, habe er sich schließlich ein Pfändungsschutzkonto einrichten müssen. Kredite habe er so nicht mehr erhalten, seine Versuche, sich als Selbstständiger etwas aufzubauen, seien zerstört worden. Auch Arbeitsaufträge habe er nicht mehr so leicht bekommen, er selbst sagt, wegen „Rufmordes“. Um seine Kosten zu minimieren, habe er schließlich sogar seine Krankenkasse gekündigt und Fonds zur Absicherung im Alter. Kontoauszüge zeigen zudem, dass er in jener Zeit kleinere Unterstützungszahlungen von einem Angehörigen erhalten hat.

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Und nun? Ob der Angeklagte genügend Einnahmen über den Selbstbehalt hinaus hatte und ob er sich zu wenig um einträgliche Arbeit bemüht habe, sei in diesem Verfahren nicht sicher festzustellen. „Allein die Verdachtsmomente reichen für eine Verurteilung nicht aus“, sagt die Staatsanwältin - und plädiert auf Freispruch.

„Ich war bis jetzt noch nicht so weit, dass ich mich der Sache stelle. “

Angeklagter

Dem entspricht das Gericht. Auch hebt es den Haftbefehl gegen den 46-Jährigen auf, ohne diesem indes eine Haftentschädigung zu gewähren. Denn: Die Untersuchungshaft habe er selbst zu verantworten, da er sich diesem Prozess bislang entzogen habe, so der Richter. „Ich war“, sagt der 46-Jährige, „bis jetzt noch nicht so weit, dass ich mich der Sache stelle.“ Und: „Die Entfremdung von meinem Sohn geht mir sehr nahe.“