Hattingen. Corona stellt das Familienleben auf den Kopf - das hat der Corona-Check gezeigt. Eine Familie aus Hattingen spricht über die Zeit in Isolation.
Das Gefühl der letzten Monate? „Isoliert“, sagt Sabrina Güntner aus Hattingen. Und so ging es in der Pandemiezeit vielen Familien - das hat der große WAZ-Corona-Check in den Städten Hattingen und Sprockhövel ergeben. Großeltern vermissten ihre Enkelkinder, Bürgerinnen und Bürger machten sich Sorgen um ihre Eltern und Familien mussten auf gemeinsame Treffen verzichten.
„Wir haben unser Leben eine Zeit lang auf unsere dreiköpfige Familie begrenzt“, so Güntner. Normalerweise hat die 40-Jährige häufig ihre Mutter (66) und ihre Großeltern (85 und 87) um sich. Nun verbrachte sie die meiste Zeit mit ihrem Mann und Sohn Thore (9).
Da sein für den Enkel ist wichtig in der Coronazeit
Ab und zu traf sich die Familie mit Sabrina Güntners Mutter, Martina Nickel. Denn für Thore war die 66-Jährige in der Coronazeit eine wichtige Ansprechpartnerin. „Er konnte lange Zeit seine Freunde nicht sehen, da ist die Oma noch viel, viel wichtiger geworden, als sie es ohnehin schon für den Jungen ist“, erzählt Güntner.
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„Als mein Enkel nicht in der Schule war, bin ich mit ihm und dem Hund jeden morgen im Wald spazieren gegangen“, erinnert sich Martina Nickel. Zwar trugen sie einen Mundschutz und hielten Abstand, aber schön sei diese Zeit trotzdem gewesen. „Wir haben die Gegend erkundet, nicht auf die Uhr geschaut und Thore konnte im Wald herumklettern. Diese Erlebnisse mit meinem Enkel nehme ich als etwas Positives aus der Coronazeit mit.“
„Immer wieder fragte Oma: Wann kommt ihr mich besuchen?“
„Für mich bedeutet die Coronazeit zu Hause bleiben, Schulaufgaben erledigen und im Garten ganz viel spielen, spielen, spielen“, sagt Thore. Seine Freunde würden ihm aber fehlen, so der 9-Jährige. So hofft er, im Sommer seinen Geburtstag mit Freunden im Garten feiern- und mit Corona-Abstand spielen zu können. Federball zum Beispiel. „Und mit Oma möchte ich endlich wieder in meinem Zimmer Bauernhof spielen.“
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Problematisch sei in der Zeit vor allem der Kontakt mit Martina Nickels Eltern gewesen. Die 66-Jährige hat ein enges Verhältnis zu den beiden und besucht sie normalerweise täglich. „Das ging leider nicht und hat viel Herzensleid mit sich gebracht“, schildert Nickel. Denn ihre Mutter ist dement und konnte nicht verstehen, warum ihre Tochter und Enkelin immer nur mit Maske vor der Haustür standen und Essen vorbeigebracht haben, ohne ins Haus zu kommen. Nun sind ihre Eltern zwar geimpft, eine Restangst, sie anzustecken, bleibt bei der Familie aber trotzdem.
„Meiner Oma ist körperliche Nähe so wichtig“, betont Sabrina Güntner. „Und wenn man einfach nur ihre Hand hält.“ Auf emotionaler Seite sei das eine sehr harte Zeit gewesen. „Immer wieder fragte sie: Wann kommt ihr mich besuchen?“
Die kleinen Dinge im Alltag schätzen
Auch das Weihnachtsfest verbrachte die Familie anders als gewöhnlich. Normalerweise sitzen die vier Generationen an Heiligabend mit Bockwürstchen und Kartoffelsalat zusammen und schauen zu, wie der kleine Thore mit strahlenden Augen seine Geschenke auspackt. Stattdessen stand Sabrina Güntner diesmal mit ihrem Sohn auf der Terrasse ihrer Großeltern und sang Weihnachtslieder für sie.
Martina Nickel saß somit in diesem Jahr mit Mundschutz und Abstand allein bei ihren Eltern, an einem gesonderten Tisch. „Das war eine befremdliche Situation.“ Dennoch kann sie der Zeit auch Positives abgewinnen: „Ich habe mitgenommen, dass man die kleinen Dinge im Leben mehr schätzt, weil man merkt, dass sie nicht selbstverständlich sind.“
„Als wir letztens zum ersten mal wieder beim Italiener waren, hat sich das wie Urlaub angefühlt.“ Auch einen Wanderurlaub plant die Familie bereits. „Denn mit 66 Jahren fängt ja bekanntlich das Leben erst richtig an, aber dafür müsste Corona mal vorbei gehen.“
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