Hattingen. Im Industriemuseum Henrichshütte in Hattingen gibt es gerade keine Ausstellung zu sehen. Um so deutlicher tritt die Geschichte des Ortes zu Tage.
Gerade ist die Ausstellung „FrauenLebenswelten“ zu Ende gegangen und auch die Koudelka-Fotografien sind mittlerweile aus dem LWL-Industriemuseum Henrichshütte verschwunden. Bevor es dann Mitte September mit dem Kunstevent „Revierkunst“ weiter geht, besticht das Gelände mit seiner puren Geschichte und deren noch sichtbaren Zeugnissen.
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Für Museumsleiter Robert Laube ist der Hochofen nach wie vor das Highlight des Hüttengeländes. Immerhin handelt es sich bei „Hochofen 3“ um den ältesten erhaltenen Hochofen des Ruhrgebiets. Allerdings hat das Industriemuseum Henrichshütte noch mehr zu bieten. Auch das Gebläsehaus (das ursprünglich gar nicht Gebläsehaus hieß, sondern Gaszentrale) lässt die Geschichte der Eisenverhüttung greifbar werden.
Ein Wendepunkt in der Stahlproduktion
Darin ausgestellt sind jede Menge alter Gerätschaften, die die Geschichte dokumentieren und erzählen. So etwa eine Thomas-Birne, die zwar nie in Hattingen in Betrieb war, aber als Zeitzeugnis einen wichtigen Wendepunkt markiert: Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte Henry Bessemer das nach ihm benannte „Bessemer-Verfahren“, das Stahlproduktion im großen Stil erst ermöglichte. Dafür wurden sogenannte Bessemer-Birnen verwendet, die Thomas-Birne ist gewissermaßen deren Nachfolger.
Bessemer-Birnen wiederum waren auf der Henrichshütte im Einsatz und zwar im Bessemer-Stahlwerk, das heute die Schaugießerei beherbergt. Allerdings dauerte diese Ära nur ein Jahr (1871-72), danach wurde die Hütte verkauft. Anschließend ging man auf der Henrichshütte vorerst wieder zum sogenannten „Puddeln“ über, also der manuellen Produktion von Stahl.
Spezialisiert auf große Gussstücke
200 Kilo Eisen konnten pro Schicht zu Stahl verarbeitet werden, rechnet Museums-Chef Robert Laube vor. Im Gegensatz dazu schaffte eine Bessemer-Birne 20 Tonnen in der Stunde. „Innerhalb von einer Generation hat sich die Produktionskapazität massiv erhöht“, erläutert Laube. Und das ist nicht das einzig Besondere: „Den Zusammenhang von Hochofen und Bessemer Stahlwerk – das gibt es nirgendwo anders, das haben nur wir“, erklärt der Museumsleiter begeistert. Deshalb will der Ort auch Weltkulturerbe werden.
Wieso man in Hattingen seinerzeit wieder auf die anstrengendere und weniger effiziente manuelle Produktion setzte, kann Laube ebenfalls erklären: Die Spezialisierung auf große, aber sehr genaue Gussstücke. „Auf der Henrichshütte bauen Uhrmacher Lokomotiven, sagte man damals“, weiß Laube zu berichten.
Der technische Rückschritt dauerte allerdings nicht lange. Ab 1910 wurde hier das Siemens-Martin-Verfahren durchgeführt, eine andere Variante der Stahlproduktion. Dennoch setzte die Henrichshütte weiterhin auf große Gussstücke. Und das ist einer der Gründe für ihren späteren Untergang: „Die Verbindungstechniken wurden immer besser“, erläutert Laube. Große Stücke waren also nicht mehr unbedingt nötig, zumal schwierig zu transportieren. Derweil wurde auch die Logistik immer teurer: „Die schlechte Lage hat der Hütte letztlich den Gar ausgemacht“, erklärt Laube.
Öffnungszeiten und Preise
Geöffnet ist das LWL-Industriemuseum Henrichshütte von Dienstag bis Sonntag sowie an Feiertagen, jeweils von 10 bis 18 Uhr. Erwachsene zahlen für den Eintritt 5 Euro (ermäßigt 2,50 Euro), Kinder, Jugendliche und Schüler dürfen kostenlos rein.Während der Coronazeit hat das Museum digital umgerüstet. Besucher haben nun neben den buchbaren Führungen auch die Möglichkeit einen digitalen Rundgang zu machen. An 16 Stationen finden sich scanbare QR-Codes, die auf Videos mit Erläuterungen zum jeweiligen Ort führen.