Hattingen. Ernennung bei der Unesco beantragt. Das Bessemer Stahlwerk sorgte einst dafür, dass Stahlarbeiter länger lebten.

Im Vergleich zum Hochofen sieht das Bessemer Stahlwerk recht undramatisch aus. Doch das ist es ganz und gar nicht. „Es ist das einzige noch erhaltene Bessemer Stahlwerk in Europa“, weiß Olaf Schmidt-Rutsch. Hier wird der Wandel der Arbeit deutlich und der Durchbruch für die industrielle Stahlerzeugung. Und deshalb trägt das Gebäude entscheidend dazu bei, dass die Henrichshütte zu den 20 Denkmälern im Ruhrgebiet gehört, für die eine gemeinsame Ernennung zum Weltkulturerbe bei der Unesco beantragt wird.

„Eisen ist nicht verformbar, Stahl schon. Deshalb wurde es gebraucht für Eisenbahnschienen oder Lokomotiven“, so Schmidt-Rutsch. Doch der Stahl muss erst aus Eisen produziert werden.

Im 19. Jahrhundert rührten Arbeiter mühselig das flüssige Eisen in Öfen sechs Stunden lang um. Das Roheisen musste so vom Kohlenstoff befreit werden, damit sie Stahl erzeugen konnten. „Das war eine sehr harte körperliche Arbeit und es entstand dabei eine solche Hitze, dass manche Männer tot vor dem Ofen umkippten.“

Beginn der Massenproduktion

Dann kam Henry Bessemer und entwickelte in den 1850er Jahren einen Konverter – die Bessemer-Birne: In ein mit Roheisen gefülltes Gefäß wird Luft geblasen, die den Kohlenstoff verbrennen lässt. Damit veränderten sich schlagartig die Arbeitsbedingungen. „Das zuvor Handwerkliche, das stark an den Menschen orientiert war, wurde abgelöst von einer jetzt möglichen Massenproduktion.“

1872 wurde das Bessemer Stahlwerk auf der Henrichshütte gebaut. Es schwamm „auf der Welle des technischen Fortschritts mit“. Schmidt-Rutsch: „In Hattingen konnten neun Tonnen Stahl in zwanzig Minuten produziert werden.“ Doch schon 1875 war Schluss damit: „Ein neuer Eigentümer der Henrichshütte baute die Geräte des Bessemer Stahlwerks ab und verlagerte die Stahlproduktion nach Dortmund.“

Übrig blieb das Gebäude, das im Laufe der Jahre wechselnde Verwendung fand – im Ersten Weltkrieg als Geschossfabrik, dann als Ersatzteillager oder Gasreinigung für den Hochofen. „Dazu wurde der vordere Teil in den 1950er Jahren abgerissen“, sagt Schmidt-Rutsch, „das Bessemer Stahlwerk wurde immer so passend gemacht, wie man es haben wollte.“ Dennoch lassen sich historische Rückschlüsse ziehen: Schmidt-Rutsch erforscht an Bauspuren, wo welche Maschinen und Geräte standen. „Die heutige Schaugießerei war früher ein Kesselhaus für die Dampfmaschine, die die Gebläsemaschine antrieb.“ Mit Hilfe von Originalzeichnungen versucht er das seit 1994 unter Denkmalschutz stehende Bessemer Stahlwerk „zum Sprechen zu bringen“.