Gladbeck. Gladbeckerin bringt Henna-Kunst auf die Haut ihrer Mitmenschen. Manche nehmen die Motive als Vorlage für spätere gestochene Tattoos.

Malen nach Zahlen oder Schema F? Von wegen! Was Manveer Singh kreiert, ist spontan, frei Hand und bildschön. Die kreative 37-Jährige aus Gladbeck zeichnet nicht etwa auf Leinwand oder Papier. Nein, Haut ist Manveers Material für ihre Henna-Kunst. Zwar vergänglich, doch oft ein Probelauf fürs immerwährende gestochene Tattoo.

Kundin Jennifer Springer hat beides auf ihrem Körper. Da sind die Bilder, die unter die Haut gehen – beispielsweise auf ihren Fingern: Ein Herz, ein Diamant, ein Anker, eine Feder und drei Pfeile, die ihre Familie symbolisieren. An anderen, verdeckten Körperstellen habe sie ebenfalls diesen Körperschmuck, verrät die 40-Jährige. Die Erzieherin, die in der OGS an der Südparkschule arbeitet, hat festgestellt: „Die Gesellschaft ist zwar offener geworden, aber es ist verpönt, sich Hände und Finger tätowieren zu lassen.“ Dabei kann’s doch so schmuck aussehen ...

Die Gladbecker Henna-Künstlerin Manveer Singh arbeitet mobil

Wie die Henna-Kunst, die Manveer, genannt Manvi, auf die Haut bringt. Malen mit Farben aus der Natur, das verorten wir in unseren Breiten in anderen Ländern, zum Beispiel in der ursprünglichen Heimat der 37-jährigen Gladbeckerin. Manvi skizziert ihren Lebensweg: „Ich komme eigentlich aus Indien. Dort habe ich den Bachelor of Arts gemacht. Der Liebe wegen bin ich 2006 nach Deutschland gekommen. Seit 2010 lebe ich in Gladbeck.“ Hier hat sie ihr Gewerbe angemeldet.

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Ein Bachelor-Abschluss der Künste, das deutet doch bereits darauf hin, dass Manvi Fingerfertigkeit und Fantasie in die Wiege gelegt wurden. Stimmt. „Das ist nicht gelernt, das ist ein Geschenk Gottes“, unterstreicht die Künstlerin. Wie ein roter Faden zieht sich Kreativität durch ihr Leben: Basteln, Make-up, Haare. Die Gladbeckerin deutet auf ein dekoratives Kästchen – auch das hat sie gestaltet.

Jedes Motiv der Gladbeckerin ist ein Unikat

So kurz Manvi, Mutter von drei Töchtern, ihr Leben auf den Punkt bringt, so arabesk, ja geradezu barock sind die Linienführungen, die sie im Handumdrehen ihrer Kundschaft auf die Haut zaubert. Blüten, Ornamente. Die 37-Jährige gibt zu: „Das ist alles Freestyle. Wenn ich anfange, weiß ich selber nicht, was daraus wird.“ Und das ist gut so, findet Stammkundin Jennifer: „Diese Motive sind doch am schönsten.“ Und allesamt Unikate. Damit läuft garantiert kein anderer ‘rum.

Ohne Schablone oder Vorlage: Manveer Singh aus Gladbeck malt ihre Henna-Motive, wie es ihr gerade einfällt.
Ohne Schablone oder Vorlage: Manveer Singh aus Gladbeck malt ihre Henna-Motive, wie es ihr gerade einfällt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Manvi kann zwar nicht voraussagen, welche Henna-Bilder aus ihrem Kopf in die Finger fließen, doch was in ihren Maltuben steckt, weiß sie ganz genau. „Reine Natur!“ Die 37-Jährige erklärt: „Ich benutze zwei Farben. Die braune Farbe wird aus den Blättern des Henna-Strauches gewonnen und stammt aus Indien. Und dann male ich Tattoos mit Jagua, das ist eine Frucht aus Amazonien.“ Mit Kokosnussöl, Kakaobutter und Bienenwachs stellt die Expertin eine Mischung her. Was sie aus dem Tübchen mit Tülle auf Jennifers Unterarm drückt, ähnelt erst einmal einer ausgerollten und neu arrangierten Lakritzschnecke. Ist das glitzernde Schwarz erst einmal getrocknet, verwandelt es sich in Kürbisorange und Rot.

Die Haltbarkeit eines Henna-Bildes hängt von Farbe und individueller Hautbeschaffenheit ab

Wie lange es dauert, bis ein Henna-Kunstwerk verblasst, das hängt von Feuchtigkeit, Poren und PH-Wert der Haut ab. Doch so viel kann die 37-Jährige sagen: Auf dem Unterarm, eine der beliebtesten Stellen, können die Menschen fast drei Wochen etwas davon haben.

„Vom Baby bis zur Über-70-Jährigen“ reiche die Altersspanne ihrer Kundschaft. Ebenso bunt wie die Menschen, die Singh verziert, ist die Palette der Wünsche, gerne auf dem Fuß, aber auch am Kopf oder in Intimzonen. Manche, wie die Gladbeckerin Jennifer Springer, finden Henna-Motive einfach schön. In anderen Kulturkreisen seien sie vor der Hochzeit oder an Ramadan als Glücksbringer gefragt. Schwangere lassen sich ihren Babybauch bemalen, zum Junggesellinnenabend und zu Kindergeburtstagen kommt die Henna-Künstlerin, die mobil arbeitet, ebenfalls in die Häuser: „Bis zum Umkreis von etwa 120 Kilometern fahre ich. Ich habe Kundschaft in Wuppertal, Köln, Münster. Manchmal bin ich auch auf Tattoo-Festivals.“ An ihrer Seite: Ehemann Sunny Singh. Manvi sagt über den 39-Jährigen: „Behind a successful woman stands a successful man“: Hinter einer erfolgreichen Frau steht ein erfolgreicher Mann.

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Apropos Tattoo: Die 37-Jährige bemalt längst nicht nur modisch bewusste Frauen, sondern auch viele Männerkörper. Dann darf es auch mal der Name des Lieblingsmenschen oder ein starker Stier als Motiv sein. „Die Herren gucken, wie es ausschaut, bevor sie sich das Bild dauerhaft stechen lassen.“ Also Manvis Kunst als Blaupause – pardon: Braun- oder Rotpause. Wenn’s nicht gefällt oder eine andere Idee schöner ist: Kein Problem! Dann verschwindet ein Bild eben wieder. Der finanzielle Aspekt spiele ebenfalls eine Rolle, ergänzt Jennifer Springer unverblümt: „So was Manvi-artiges würde mich als Tattoo bestimmt 200 Euro bis 250 Euro kosten.“ Als Stech-Zeit müsse sie wahrscheinlich zwei Stunden einkalkulieren. Also kein Vergleich zum Henna-Motiv aus der Tube.

Manveer Singh berechnet für die Anfahrt durchschnittlich fünf bis zehn Euro. Ein Motiv mit brauner Henna-Farbe auf der Hand mit Gelenk kostet um die 20 Euro. Aufwendigere Arbeiten sind logischerweise teurer. Kontakt: 0177/3 01 04 43.

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