Gladbeck. Soziales Bündnis will Brotzeit-Projekt von Schauspielerin Uschi Glas für Gladbeck. Schuldezernent will Kinder befragen, für zielgerichtete Hilfe.

Auch in Gladbeck berichten Grundschul- wie Kindergartenleitende, dass Kinder am Morgen ohne Frühstück mit leerem Magen in die Einrichtungen kommen. Die Ratsfraktion Soziales Bündnis (ABI, BIG, DKP) hat dazu jetzt im Schulausschuss die Initiative „Brotzeit“ der Schauspielerin Uschi Glas aufgezeigt und beantragt, die flächendeckende Einführung zu prüfen und an Gladbecker Grund- sowie Förderschulen umzusetzen. Schul- und Sozialdezernent Rainer Weichelt äußerte dazu Bedenken und kündigte die Absicht an, eine Studie und Befragung durchzuführen, um das Thema Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen mit dem Baustein „UWE“ noch umfassender und zielgerichteter anzupacken.

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Zunächst informierte Özkan Miyanyedi vom Sozialen Bündnis den Schulausschuss, dass vom Projekt „Brotzeit“ Schulen unterstützt werden können, die von überdurchschnittlich vielen Kindern besucht werden, die in prekären Verhältnissen aufwachsen, die einen Migrationshintergrund haben oder aus diversen Gründen sozial vernachlässigt sind. Als Voraussetzungen müssten lediglich geeignete Räume und ein ausreichend großer Kühlschrank bereitgestellt sowie Ehrenamtliche (vorzugsweise Senioren) gefunden werden. „Die Lebensmittel werden von der Firma Lidl gespendet, ein Logistikpartner übernimmt die Verteilung an die teilnehmenden Schulen. Somit profitieren die Schulen von einem erprobten Netzwerk“, so Miyanyedi. Schulen aus Recklinghausen, Herten und Gelsenkirchen beteiligten sich zum Beispiel bereits an Brotzeit.

Mehr als jede vierte Gladbecker Familie gilt als arm

Die Schauspielerin Uschi Glas hat das Projekt „Brotzeit“ initiiert und besucht teilnehmende Schulen, wie hier in Duisburg-Marxloh, um Kindern aus sozialschwachen Familien ein Frühstück zu ermöglichen (Archivbild).
Die Schauspielerin Uschi Glas hat das Projekt „Brotzeit“ initiiert und besucht teilnehmende Schulen, wie hier in Duisburg-Marxloh, um Kindern aus sozialschwachen Familien ein Frühstück zu ermöglichen (Archivbild). © FFS | Stephan Eickershoff

Dass Kinder in Gladbeck oft nicht unter leichten Bedingungen aufwachsen, viele Familien in finanzieller prekärer Situation von Sozialhilfe leben, ist bekannt. Der jüngste Familienbericht (2017) zeigte, dass sich das Problem verschärft hat und mehr als jede vierte der in Gladbeck lebenden Familien (28 Prozent) als arm gilt (Landesschnitt 19 Prozent). Auch in den Folgejahren sei sowohl eine Steigerung der Kinderzahlen als auch eine Steigerung der Kinderarmut zu beobachten, hatte Silke Döding (Chefin des Amtes für Bildung und Erziehung) der WAZ im Juni berichtet.

Schuldezernent Rainer Weichelt erinnerte, dass in Gladbeck bereits viele Maßnahmen ergriffen worden seien, um die Situation von Kindern und Familien zu verbessern. Er lobte „Brotzeit“ als „eine gute Initiative, die weiter helfen kann“. Er sagte dem Sozialen Bündnis zu, „das Projekt in der nächsten Schulleiterkonferenz vorzustellen“. Er bat jedoch um Rücknahme des Antrages und begründete, dass es sich bei der Privatinitiative um eine freiwillige Möglichkeit für die Schulen handele, die auf Mitwirkung von Ehrenamtlichen basiere. Die Stadt könne eine flächendeckende Umsetzung von Brotzeit so nicht durchführen oder anordnen.

Eine Befragung soll die Kinder selbst zu Wort kommen lassen

Zugleich kündigte Rainer Weichelt an, dass beabsichtigt sei, „dass sich Gladbeck am Modellprojekt UWE beteiligt“.

Befragung zu fünf Themenbereichen

Das Forschungsprojekt UWE wird finanziell von der Bertelsmann-Stiftung als Drittmittelgeber unterstützt. Wissenschaftliche Kooperationspartner der Ruhruniversität/Zefir sind die University of British Columbia in Vancouver Kanada (Institut Human Early Learning Partnership, HELP) und die Universität Heidelberg (Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin der medizinischen Fakultät Mannheim).Ein Fragebogen für die beteiligten Kinder und Jugendlichen ist das Projektinstrument von UWE. Fünf Themenbereiche gibt es. Zunächst Aspekte der „sozialen und emotionalen Entwicklung“ (Selbstwert, Glück, Empathie, Sozialverhalten, Traurigkeit, Sorgen), zudem „Beziehungen“ (zu Erwachsenen und zu Gleichaltrigen daheim in Schule und Nachbarschaft).In weiteren Bereichen geht es um „Schulerfahrungen“ (Schulklima, Zugehörigkeitsgefühl, Zukunftsplanung, Druck und Diskriminierung), „Körperliche Gesundheit und Wohlbefinden“ (Körperwahrnehmung, Ernährungs- und Schlafgewohnheiten) sowie um das „Freizeitverhalten“ der Befragten (Sport, Musik, Kunst, Zeit für Hausaufgaben, Fernsehen, Videospiele).

Im Mittelpunkt der Studie „Umwelt, Wohlbefinden und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Kommunen“ (kurz UWE) steht die kleinräumige und institutionenscharfe Dauerbeobachtung und Erfassung von Lebensqualität und Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen. Als Projektkommunen beteiligt sind bislang Herne und Bottrop. An allen weiterführenden Schulen werden dort Kinder und Jugendliche der siebten sowie neunten Klassen befragt – etwa unter welchen Umständen sie sich glücklich fühlen, wie gesund sie sich fühlen und von welchen Bedingungen und Ressourcen ihr Wohlbefinden abhängt. Auf der Grundlage der UWE-Ergebnisse „kann dann über weitere konkrete Programme mit den Schulen gesprochen werden“, so Weichelt im Schulausschuss. Das Gremium befürwortete dieses Vorgehen und lehnte so mehrheitlich den ABD-Antrag ab.

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Auf Anfrage der WAZ zum weiteren Fahrplan informierte Rainer Weichelt, dass UWE beim Herbstplenum des Gladbecker Bündnisses für Familien vorgestellt werden soll – mit dem Ziel, dann das Projekt in Gladbeck durchführen zu können. Beabsichtigt sei dabei für Gladbeck, „auch jüngere Kinder der dritten Grundschulklassen in die Befragung einzubinden“, so der Sozialdezernent. Die beteiligten UWE-Klassen sollen über Fragebögen ihre Situation selbst einschätzen und Fragen zu verschiedenen Lebensbereichen beantworten (Infobox).

Die beteiligten UWE-Kommunen erhalten eine detaillierte Auswertung

UWE ist ein Monitoring-Instrument, das am Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (Zefir) der Ruhruni in Bochum entwickelt und wissenschaftlich begleitet sowie anonymisiert ausgewertet wird. Die Ergebnisse werden mit weiteren Informationen zu den Schulen und Quartieren in einen Zusammenhang gebracht und den beteiligten Kommunen berichtet. Die konkrete Perspektive der Kinder kann dann sinnvoll eingebunden werden, um vor Ort Strategien zu entwickeln, damit ihre Lebens- und Bildungssituation weiter verbessert werden kann.