Gelsenkirchen-Erle. Das Gelsenkirchener Katastrophenschutzzentrum an der Adenauerallee blickt auf eine lange Geschichte zurück. Früher wohnten dort Soldaten.
Sie sind bis heute genutzte und belebte Zeugen eines Stückes Gelsenkirchener Stadtgeschichte: die einstigen Kasernen an der Adenauerallee 100. Knapp 90 Jahre alt sind die Bauten, deren militärische Nutzung lange zurückliegt und ein bisschen doch bis heute spürbar ist, wie ein Besuch der historischen Gebäude zeigt.
„Das Berger Feld war ein Feldflughafen der Luftwaffe“, weiß Dr. Daniel Schmidt, Leiter des Instituts für Stadtgeschichte Gelsenkirchen. „Dies sind die Kasernengebäude am Rande des Flugfeldes. Dort sind Flugzeugführer ausgebildet worden und es war hier eine kleine Stamm-Mannschaft stationiert.“ Eine große militärische Bedeutung habe der Feldflughafen inmitten der Stadt auch nie gehabt. „Es war vor allem ein Ausweichflughafen für die Wehrmacht.“
Nur das alte Fischgrät-Parkett aus Eiche ist in dem Gelsenkirchener Bau erhalten geblieben
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Welches Gebäude wann wie genau genutzt wurde, das lässt sich heute schwierig nachvollziehen. Klar aber ist, dass Haus IV ein Gemeinschaftshaus war, in dem gekocht und gemeinsam gegessen wurde. In den ausgehenden 1970er-Jahren übernahm das örtliche Technische Hilfswerk dieses und weitere Gebäude – und nutzt Haus IV bis dato in ähnlicher Weise. Schreitet man die große, einladende Außentreppe hoch und passiert die Eingangstür, öffnet sich linker Hand ein Gemeinschaftsraum, der heute an eine Dorfkneipe erinnert. Nach Einsätzen sitze man hier oftmals zusammen, verarbeite gemeinsam das Erlebte, erzählt Martin Horstmann, der Ortsbeauftragte des THW.
Einstmals mögen es die Soldaten gewesen sein, die hier den Abend ausklingen ließen. Gleichsam diente der Raum auch als Versammlungsstätte. Darauf lässt ein Eintrag in der Stadtchronik schließen, der davon berichtet, dass im Juli 1938 die Ratsherren der Stadt Gelsenkirchen eine Besichtigung der Flugzeugführerschule unternahmen und danach im Unteroffizierskasino tagten. Viel jedoch ist von jenem nicht mehr zu sehen. Hier und da lassen sich alte Elemente erahnen. Allein das alte Fischgrät-Parkett aus Eiche ist erhalten geblieben.
Bis zu eintausend britische Soldaten waren hier stationiert
Hinter dem früheren Unteroffizierskasino liegt der große Speisesaal. Hier konnten und können zahlreiche Personen gleichzeitig essen – und miteinander feiern. Das belegen historische Fotos aus dem Stadtarchiv, Schnappschüsse von einer Weihnachtsfeier der britischen Soldaten, die hier nach Kriegsende stationiert waren. „Damals waren bis zu eintausend Soldaten hier“, weiß Dr. Daniel Schmidt. Es war die Zeit der größten militärischen Präsenz auf der Fläche.
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Während in den Kasernen britische Soldaten lebten und arbeiteten, wurde in der Stadt heftig diskutiert über das übrige Gelände im Berger Feld. Die Menschen im Nachkriegsdeutschland litten Hunger. Die harten Winter verschärften die Lage zudem. Im Februar 1947 wurde das von der Militärregierung beschlagnahmte 80 Hektar große Rollfeld des Flugplatzes Buer für die Bestellung mit Kartoffeln freigegeben, berichtet die Stadtchronik. Die Kasernengebäude und der Grund drumherum blieben davon unberührt.
Ein Militärflughafen, mitten in der Stadt?
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Nach dem Abzug der britischen Soldaten Anfang der 50er-Jahre übernahm die Bundeswehr den Standort. „Und dann ging die Debatte los darüber, wie das Gelände genutzt werden kann“, so Dr. Daniel Schmidt. „Diskutiert wurde sogar ein Militärflughafen – mitten in der Stadt. Das war natürlich völliger Quatsch.“ Entsprechende Notizen finden sich auch in der Stadtchronik. Sie verweist etwa im Februar 1954 auf ein Interview in der „Westfälischen Rundschau“ mit einem Flug-Sachverständigen. Dessen Urteil: Das Gelände sei „niemals fliegerisch geeignet“. Schon wegen des nicht ausreichend langen Rollfeldes.
„„Diskutiert wurde sogar ein Militärflughafen – mitten in der Stadt. Das war natürlich völliger Quatsch.““
Ab den 1960er-Jahren sei das Gelände entwickelt worden, so Dr. Daniel Schmidt. „Dann entstand der Plan, ein Großstadion zu bauen.“ Der südliche Teil des Berger Feldes wurde an die Stadt übergeben. Das Areal der Kasernen verblieb noch bis ins ausgehende Jahrtausend in der Hand des Bundes – und wurde Mitte der 1970er-Jahre zum Katastrophenschutzzentrum für die Stadt. Zuvor war noch diskutiert worden, hier eine Sporthochschule zu eröffnen. Doch der Bevölkerungsschutz setzte sich durch. Bis heute ist das Gelände entsprechend genutzt. Das THW bespielt mehrere Gebäude, das örtliche DRK nutzt ein weiteres. „Und das großzügige Außengelände eignet sich gut für Übungen“, weiß Dominik Reinert, der Öffentlichkeitsbeauftragte des THW.
Die ehemalige Kaserne wird zur Zuflucht für Geflüchtete
Jenes ist nun knapp 50 Jahre hier beheimatet. Mit den historischen Bauten habe man leben gelernt, erzählen alle und wissen auch von der bewegten neueren Geschichte zu berichten. „Nach dem Mauerfall zum Beispiel waren hier Menschen untergebracht, die aus dem Osten zu uns kamen“, erinnert sich Andreas Seppelfricke, der Schirrmeister des THW. „Später dann kamen durch den Balkan-Krieg Geflüchtete aus Osteuropa her.“ In solchen Situationen habe sich das Areal immer bewährt, berichten die THW-Mitarbeitenden und führen die Besucher noch in die riesige Küche des Hauses. Die muss, darauf lassen alle Anschlüsse und Leitungen schließen, auch einstmals schon dem Zwecke der Verpflegung gedient haben. Kaum vorstellbar, wie viel Erbsensuppe und andere Eintöpfe hier im Laufe der Jahrzehnte wohl für hungrige Mägen gekocht wurden.
So geschichtsträchtig dieser Ort auch ist, die Tage der Kasernengebäude sind gezählt: Aktuell plant die Stadt hier ein neues Dienstleistungsareal. Der Katastrophenschutz soll darin integriert werden. Dafür muss zunächst Baurecht geschaffen werden. Das Verfahren dazu läuft. Termine für den Abriss und die Neugestaltung stehen noch nicht fest.