Gelsenkirchen. Nach massiver Kritik an der Entscheidung: Bischof Overbeck bat Gelsenkirchener Propst Pottbäcker zum Gespräch. So reagiert die Kirchenbehörde.

Das jugendpastorale Zentrum GleisX wird im Mai 2025 geschlossen: Rund sechs Wochen ist diese Nachricht des Bistums jetzt alt. Die Fassungslosigkeit und das Entsetzen (nicht nur) bei vielen Katholikinnen und Katholiken sind aber längst noch nicht abgeebbt. Dass die Liebfrauen-Kirche als Modell-Standort besonderer (spiritueller) Angebote für junge Erwachsene zwischen 16 und 35 Jahren aufgegeben werden soll, stößt nach wie vor auf Unverständnis und Ärger. Das ist offenbar auch in Essen angekommen: Das Bistum hat den Austausch mit St.-Augustinus-Propst Markus Pottbäcker gesucht - und in einer Stellungnahme nun erstmals Fehler eingeräumt.

Wie es in einer Pressemitteilung heißt, hätten Bischof Franz-Josef Overbeck und Generalvikar Klaus Pfeffer die „zahlreichen kritischen und teilweise auch empörten Rückmeldungen sehr ernst genommen und deshalb mit Propst Pottbäcker und Ressortleiter Markus Potthoff den Prozess kritisch reflektiert.“

Bistum Essen will auch auf Nachfrage die eingeräumten Fehler in Gelsenkirchen nicht konkretisieren

Das Fazit sei: „Im Kommunikations- und Entscheidungsprozess hat es teilweise Missverständnisse, Irritationen und Fehler gegeben.“ Und weiter: „Es tut mir leid, dass Menschen durch die Entscheidung und deren Kommunikation irritiert oder verletzt worden sind“, wird Potthoff zitiert. Man werde daraus lernen.

Welche Missverständnisse, Irritationen und Fehler genau gemeint sind, wird in dem Papier nicht näher ausgeführt. Eine mehrmalige Nachfrage der Redaktion förderte keine konkreteren Angaben zutage. Das Bistum verwies lediglich darauf, „dass wir zunächst Gespräche mit unseren Partnerinnen und Partnern in Gelsenkirchen führen wollen, bevor wir uns zu Einzelheiten Ihrer Fragen äußern können.“

Gelsenkirchener Propst Pottbäcker zeigte sich von Begründung aus Essen irritiert

Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck - hier auf einem Archivfoto von 2023 - traf sich u.a. mit Gelsenkirchens Stadtdechant und St.-Augustinus-Propst Markus Pottbäcker, um sich über die Reaktionen in Sachen GleisX-Aus auszutauschen.
Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck - hier auf einem Archivfoto von 2023 - traf sich u.a. mit Gelsenkirchens Stadtdechant und St.-Augustinus-Propst Markus Pottbäcker, um sich über die Reaktionen in Sachen GleisX-Aus auszutauschen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Damit ist unklar, worauf sich die Bezeichnung „Fehler“ bezieht: darauf, wie die Entscheidung zustande gekommen ist, auf die (mangelnde) Einbindung von Akteurinnen und Akteuren, den Zeitpunkt der Verkündung, die Art und Weise der Vermittlung - oder womöglich auf die Schließung selbst.

Wie berichtet, hatte Essen die Aufgabe mit einem neuen dezentraleren Konzept sowie einem millionenteuren Sanierungsbedarf des Gotteshauses begründet. Propst Markus Pottbäcker, dessen Pfarrei St. Augustinus die Immobilie gehört, hatte darauf gleich in mehrfacher Hinsicht überrascht reagiert: Zum einen sei er offiziell erst am 19. November über das geplante Aus unterrichtet worden - eben an jenem Tag, an dem auch abends die Öffentlichkeit über „Ergebnisse und Entscheidungen“ zu GleisX informiert wurde. Zum anderen wisse er nichts von einem Investitionsbedarf in Millionenhöhe, sondern nur von deutlich geringeren Reparaturkosten, erklärte er damals gegenüber der WAZ.

Gelsenkirchener Seelsorger in St. Augustinus kritisieren Aufgabe von GleisX scharf

Entsprechend deutliche Worte fand denn auch das Pastoralkollegium von St. Augustinus, also sämtliche mit der Seelsorge befassten hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pfarrei: Die Gründe für die Entscheidung „erscheinen uns nicht plausibel“, heißt es in einer Stellungnahme von Anfang Dezember. „Wir halten es für unverantwortlich, diese wertvolle Arbeit zu beenden, obwohl das geplante Konzept zur Jugendpastoral noch nicht erstellt worden ist“, bringt das Team - darunter auch der Propst - „Ärger, Fassungslosigkeit und Sorge“ auf den Punkt.

Sowohl die Entscheidung als auch die Art und Weise der Entscheidungsfindung stoße junge Menschen vor den Kopf; sie erlebten Kirche so als „,von oben herab‘, intransparent und nicht partizipativ.“

Bistum Essen will im Januar Gespräche über neue pastorale Angebote für junge Zielgruppe beginnen

Dass das Bistum eine Kehrtwende einlegen und die Entscheidung revidieren könnte, halten Insider indes für ausgeschlossen. Tatsächlich ist in der Stellungnahme aus Essen nur von einem Runden Tisch „mit breiter Beteiligung“ die Rede, um das neue Konzept „gemeinsam mit Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen, Seelsorgenden und Vertretungen aus den katholischen Jugendverbänden (zu) erarbeiten.“ Auch Pottbäcker mahnt in dem Schreiben zum Blick nach vorn: Das neue Konzept müsse zügig umgesetzt werden. Dies hätten sowohl die Mitarbeitenden von GleisX als auch die Besucherinnen und Besucher verdient.

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Im Januar sollen Perspektivgespräche beginnen, „um gemeinsam die künftigen pastoralen Angebote für junge Erwachsene in der Stadt zu erarbeiten“, betont das Bistum. In einem bistumsweiten Pastoralkonzept für junge Erwachsene werde „Gelsenkirchen schon allein wegen seiner Lage und Bedeutung eine wichtige Rolle spielen.“ Bis Mai 2025 soll geklärt werden, „wie in einer veränderten Struktur und in neuen Kooperationsformen künftig attraktive pastorale Angebote für junge Erwachsene in bistumsweit verschiedenen Orten angeboten werden können.“

Warum das Bistum mit GleisX erst ein viel gelobtes und bewährtes Modell für die junge Zielgruppe aufgeben will, um danach für ebendiese Klientel neue Angebote auch vor Ort zu entwickeln: Auch auf diese Frage der Redaktion blieb das Bistum eine Antwort schuldig.