Gelsenkirchen. In der Region hat Gelsenkirchen den höchsten Anteil von Hausärzten im Rentenalter. So wollen Stadt und Ärzteschaft den Nachwuchs sichern.
Der Anteil von Hausärzten, die sich im stattlichen Rentenalter in ihren Praxen immer noch um ihre meist viel zu große Patientenschar kümmern, ist nirgends in Westfalen-Lippe so hoch wie in Gelsenkirchen. Das ist auch der Grund, warum das Gesundheitsreferat der Stadt gemeinsam mit der kassenärztlichen Vereinigung KVWL ein ungewöhnliches Projekt zur Nachwuchsgewinnung starten will.
Von den 149 Hausärzten in der Region sind 70, also fast die Hälfte, mindestens 60 Jahre und älter, 20 der Praktizierenden (19 Prozent) sind sogar 70 Jahre und älter. Aus diesem Grund hat Gesundheitsdezernentin Andrea Henze mit der Gesundheitskonferenz, ihrem Referat und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Projekt vorbereitet, das den hausärztlichen Nachwuchs langfristig sichern soll. „Aktuell ist die Versorgung noch nicht gefährdet, sodass die KVWL das eigentlich nicht unterstützen würde. Aber der Altersschnitt, vor allem in einigen Stadtteilen, ist so hoch, dass die Vereinigung vermutlich dennoch zustimmen dürfte“, erklärt KVWL-Bezirksstellenleiter Klaus Rembrink.
Gelsenkirchenern schon an der Universität Unterstützungsmöglichkeiten vorstellen
Das Gesundheitsreferat nennt in der Begründung für die Pläne noch weitere Argumente, warum diese Förderung in Gelsenkirchen besonders dringend benötigt wird: die hohe Zahl von Menschen, die Sozialleistungen beziehen, der geringe Anteil privat versicherter Patienten und der große Anteil an Patienten, die nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen.
Das Konzept setzt an verschiedenen Punkten an. Unter anderem dabei, dass laut Untersuchungen junge Ärzte gern am Heimatort praktizieren. Schon an den von Gelsenkirchener Studierenden favorisierten Universitäten soll daher mit der Kontaktaufnahme und Information über die Unterstützungsangebote begonnen werden. Weiter geht es mit der Möglichkeit, bei ausgewählten Hausärzten in Gelsenkirchen, die als Mentoren für die angehenden Ärzte fungieren, befristet angestellt zu arbeiten. Der Sprecher der Gelsenkirchener Hausärzte, Simon Kirchberg, begrüßt die Mentoren-Pläne: „Das ist eine gute Idee, für viele ÄrztInnen ist Angst vor Bürokratie ein Argument gegen Niederlassung. Da können erfahrene Paten helfen.“
Mentoren helfen bei der Bewältigung der Bürokratie
Interessierte könnten dadurch zum einen Einblicke in die niedergelassene Praxisarbeit, vor allem aber auch Unterstützung bei der Bewältigung der Bürokratie erhalten. Die mit einer Niederlassung verbundene Bürokratie ist laut Befragungen eine der entscheidenden Hürden für junge Ärztinnen und Ärzte, sich gegen die Übernahme einer Praxis und damit die Selbstständigkeit zu entscheiden. Auch familienfreundliche Arbeitszeiten und eine ausgeglichene Work-Life-Balance sind für angehende Ärztinnen und Ärzte ein wichtiges Kriterium.
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Die Stadt Gelsenkirchen könnte laut Projektentwurf Interessierten zudem anbieten, bei der Suche nach einer Wohnung zu helfen und auch andere Wege zu ebnen. Zur Orientierung könnte zudem eine befristete Arbeit im Gesundheitsreferat angeboten werden, um auch diesen Bereich erkunden zu können, so die Vorlage, die am Donnerstag, 14. November, im Gesundheitsausschuss vorgestellt wird.
Kommunale Medizinische Versorgungszentren als letztes Mittel
Bei der Umsetzung dieser Pläne will die Stadt auf maximale Vernetzung in der Stadt setzen. Wenn all diese Schritte nicht ausreichen sollten, langfristig genug Nachwuchskräfte für die Hausärzte in den Praxen zu gewinnen, nennt der Vorschlag auch weitere Alternativen. Auch die Einrichtung von Kurzzeitkliniken oder anderen erweiterten Versorgungszentren könnten demnach eine Option sein, die Versorgung sicherzustellen. Als „letztes Mittel“ nennt die Vorlage, die allerdings noch der Zustimmung der Verwaltungsspitze von Kommune und KVWL bedarf, die Installation eines kommunalen Medizinischen Versorgungszentrums. „Ärzte und Ärztinnen könnten so selbstbestimmt ärztlichen Tätigkeiten nachgehen, ohne sich ... mit Management- und Verwaltungstätigkeiten beschäftigen zu müssen“, so die Idee. Ein Vorteil dabei: Die Stadt soll den Standort passend zum Bedarf auswählen.
Im ersten Schritt sollen die Mentorenpraxen vor allem in den Stadtteilen Altstadt, Neustadt, Ückendorf und Bulmke-Hüllen eingerichtet werden, da in diesen Stadtteilen die Überalterung besonders stark ist. Das Werben um Nachwuchs im Hausarztbereich werten Gesundheitsreferat und Gesundheitskonferenz lediglich als ersten Schritt. Ähnliches könnte bei Erfolg künftig auch für den Nachwuchs bei Kinder- und Zahnärzten ins Auge gefasst werden.