Gelsenkirchen. Von Essen-Bredeney nach Gelsenkirchen-Bulmke, von Sozialindex „1“ zu „6“: Warum die neue Leiterin des Gauß-Gymnasiums das sehr gern getan hat.

„Die Kinder sind immer Kinder, egal ob in Essen-Bredeney oder in Gelsenkirchen-Bulmke“. So einfach ist das für Elisabeth Thunig, die neue Leiterin des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasiums in Gelsenkirchen. Bis zum Sommer arbeitete sie als stellvertretende Schulleiterin am Grashof-Gymnasium in Essens wohlhabendstem Stadtteil Bredeney, einer Schule mit dem im Ruhrgebiet seltenen Sozialindex „1“, in einer Gegend mit sehr wohlhabender Klientel. Man könnte meinen, dass der Wechsel in eine sozial hoch belastete Stadt wie Gelsenkirchen sie einige Überwindung gekostet hat. Aber das weist sie weit von sich.

„Mein Herz schlägt für das Ruhrgebiet. Dass ich nach Bredeney genommen bin, war reiner Zufall. Weil ich an der Gesamtschule in Essen-Steele, die mir sehr gut gefallen hat, nicht als Gymnasiallehrerin in der Sekundarstufe II bezahlt werden konnte, bin ich dorthin gegangen“, erklärt sie freimütig. 18 Jahre lang unterrichtete sie in Bredeney Mathe und Pädagogik, zuletzt als stellvertretende Leiterin. Das Referendariat hatte sie am Leibniz-Gymnasium in Gelsenkirchen-Buer absolviert. Ihren Wohnsitz behielt sie über all die Jahre in Wanne-Eickel – aus Überzeugung.

Eltern entgegenkommen und ihr Interesse an der Schule fördern

„Die Herausforderungen in Bredeney und hier sind durchaus vergleichbar. Vielleicht müssen wir hier noch etwas mehr kompensieren. Aber das mussten wir dort auch, auf andere Weise. Auch hier gibt es sehr behütende Eltern, die sich für die Bildung ihrer Kinder engagieren und solche, die sich weniger engagieren“, erklärt die 53-Jährige. Der gute Kontakt zu den Eltern ist für sie besonders wichtig. Die Elternformationen hat sie noch weiter ausgebaut. Regelmäßig bekommen Eltern Mails, in denen es nicht nur um besondere Aktivitäten an der Schule geht, sondern auch um den Schulalltag. Eltern sollen gut informiert darüber sein, wie Kinder ihren Tag verbringen, wie sie lernen. „Wir wollen das Interesse der Eltern wecken, ihnen entgegenkommen.“

Neue Schulleiterin Elisabeth Thunig am Montag den 28. Oktober 2024 am Gauß-Gymnasium in Gelsenkirchen

Foto : Frank Oppitz / FUNKE Foto Services

„Die Kinder sind immer Kinder. Ob in Bredeney oder Bulmke“

Elisabeth Thunig
Neue Leiterin des Gauß-Gymnasiums

Im Schulalltag unterrichtet sie selbst auch in zwei Klassen Mathematik, da eine Kollegin im Mutterschutz ist. „Wir sind eigentlich recht gut besetzt, aber aktuell gibt es sehr viele junge Kolleginnen, die im Mutterschutz oder Elternzeit sind, auch Kollegen“, erklärt sie. Zwar gibt es teilweise Vertretungen; aber das seien häufig Masterstudierende, also keine voll ausgebildeten Kräfte. Zudem mache das die Stundenplan-Erstellung noch komplizierter. Aber sie mag nicht klagen.

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Das Gauß ist bei den Schulanmeldungen regelmäßig das beliebteste Gymnasium im Stadtsüden, muss alljährlich Kinder ablehnen. Was würde sie davon halten, Gymnasien im Stadtsüden zusammen zulegen, da nicht alle wirklich alle Züge nutzen mangels Anmeldungen? „Nicht viel, jedenfalls nicht in den bestehenden Strukturen. Ich habe mich bewusst auf diese Schule beworben, weil sie nur dreizügig ist. Die familiäre Atmosphäre ist mir wichtig. Im großen System gehen Schüler möglicherweise leichter verloren“, gibt sie zu bedenken.

Fortbildung für optimale Nutzung digitaler Möglichkeiten im Unterricht

Auch wenn ihr Herz naturgemäß für Mathe schlägt und „etwas mehr MINT schon schön wäre“, so ist ihr das Gauß-Profil „Kunst“ doch besonders wichtig. Die Kooperation mit dem Consol-Theater, ermögliche der Schülerschaft, auch auf der Bühne an ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu arbeiten. „Das bringt viel für das Selbstverständnis“, ist sie überzeugt. Ein großes Thema ist für sie auch eine angemessene Gestaltung des digitalen Unterrichts. „Gelsenkirchen ist bei der Digitalisierung viel besser ausgestattet als Essen. Aber die adäquate Nutzung ist natürlich auch abhängig von den Lehrkräften und Fortbildung. Wir haben hier zum Glück auch Kolleginnen im Team, die selbst dazu ausbilden“, ist sie froh. Ein großes Thema dabei sei auch die Vermittlung von Medienkompetenz, die bereits vielen Bereichen vermittelt werde.

Neue Schulleiterin Elisabeth Thunig am Gauß-Gymnasium in Gelsenkirchen
Das Gauß ist das beliebteste Gymnasium im Stadtsüden. Regelmäßig müssen hier Kinder abgewiesen werden. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Stärker in den Blick nehmen als bisher will sie künftig das Thema Nachhaltigkeit. Ein deutliches Zeichen etwa ist die bereits erfolgte Umstellung des Fahrtenprogramms. Statt Skifreizeit steht etwa im Jahrgang acht nun Windsurfing auf dem Programm. Weitere Programme sollen in den Alltag einziehen. Als Kernaufgabe der Schule aber sieht sie, stärker noch als früher, den Heranwachsenden einen respektvollen Umgang miteinander zu vermitteln, ihnen beim Aufbau von Sozialkompetenz zu helfen.

„Erziehung nimmt heute einen größeren Teil auch unserer Arbeit ein. Was früher in Vereinen vermittelt wurde, soll Schule jetzt leisten. Aber wenn schon junge Kollegen in Teilzeit wechseln, weil sie überlastet sind, immer neue Aufgaben hinzukommen, ohne Entlastung an anderer Stelle, dann besorgt mich das“, räumt die Mutter zweier erwachsener Kinder ein. Dennoch scheint ihr freundliche Zuversicht mehr zu liegen als Schwarzmalerei.