Gelsenkirchen-Rotthausen. Die 25-jährige Firdes Polat aus Gelsenkirchen ist schwer krank und wurde bereits 45-mal operiert. Sie möchte, dass andere ihre Geschichte hören.
Wenn Firdes Polat eins kann, dann ist es wohl das: nicht aufgeben, weitermachen, immer weitermachen. Und das mit einer unglaublichen Kraft und ganz viel Lebenswillen. Wer die 25-Jährige kennenlernt, kommt nicht im Traum darauf, was sie schon alles erleben und tatsächlich auch über sich ergehen lassen musste. In den vergangenen zwei Jahren wurde Firdes 45-mal operiert, davon 28-mal am Kopf. Die Rotthauserin ist schwer, ihre Schwester Nazli sagt „unheilbar“, krank. „Ich möchte, dass noch mehr Menschen meine Geschichte hören und ich ihnen Kraft geben kann“ – das ist Firdes Polats größtes Anliegen.
Unheilbar krank: So lebt die junge Firdes mit ihrer Schicksals-Diagnose
Dabei ist dies nicht nur die Geschichte einer schwer kranken jungen Gelsenkirchenerin, sondern auch die Geschichte zweier Schwestern und ihrer Liebe zueinander, ihrem starken Zusammenhalt. Gegenseitig bezeichnen sich die beiden als „zweite Hälfte“: „Ohne meine Schwester würde ich das alles nicht schaffen, sie gibt mir die Kraft, das alles durchzustehen“, sagt Firdes über Nazli. Und umgekehrt: „Ich will nur, dass Firdes gesund wird. Ich bin für sie an guten und schlechten Tagen da.“
Firdes kommt als gesundes Kind zur Welt. Als sie vier Jahre alt ist, hat sie einen Fieberkrampf, fällt daraufhin für drei Monate ins Koma. Danach ist nichts mehr, wie es war. Ihr Sprachzentrum nahm irreparable Schäden, seitdem ist ihre Schwester Nazli immer auch ihre Dolmetscherin. Während ihrer Schulzeit ist die junge Gelsenkirchenerin häufig ein Opfer von Mobbing und dennoch erzählt sie stolz, als die WAZ sie zum Interview in ihrem Zuhause trifft: „Ich war auch Klassensprecherin, mehrere Male.“ Obwohl ihr viele „weh getan“ hätten, sei sie stets diejenige gewesen, die geholfen habe.
Stichwort helfen – Firdes hatte mal große Pläne, für ihr Leben und ihre Zukunft: Schnell sei klar gewesen, dass sie „unbedingt etwas mit Menschen machen wollte.“ Krankenschwester zu werden, das war ihr Traum. Sie beginnt die Ausbildung, im Jahr 2018 folgt der nächste Schicksalsschlag. Firdes möchte nur duschen gehen, ob sie plötzlich ohnmächtig wurde – ihre Schwester weiß es nicht mehr, „sie war einfach irgendwie weg“, erinnert sich Nazli Polat noch.
Über 4000 Euro wurden schon für Firdes gespendet
Wer noch mehr über Firdes‘ Schicksal erfahren möchte, kann ihr auf TikTok folgen (firdes.plife) – dort gibt sie einen ausführlichen und vor allem schonungslos offenen Einblick in ihr Leben zwischen Krankenhausaufenthalt und Arztbesuchen. Auf der Social-Media-Plattform hat die junge Rotthauserin bislang etwas über 7500 Followerinnen und Follower.
Ihr TikTok-Profil zog vor kurzem auch die Aufmerksamkeit des Influencers Nik Zej auf sich: Der Hagener erreicht auf TikTok regelmäßig Hunderttausende mit seinen Videos und seinen Inhalten. Das Besondere: In seinen Videos verschenkt Nik Zej immer wieder Geld, an Menschen, die ein freundliches Wort für ihn übrig haben, die ihm einen Gefallen getan haben oder die einfach arm oder in einer tragischen Lebenssituation sind.
So auch Firdes, für die 25-Jährige hat Nik Zej einen Spendenaufruf auf der Plattform gofundme gestartet: „Lasst uns alle zusammenkommen und Firdes die Macht des Internets zeigen und sie damit segnen. 100 Prozent der gesammelten Gelder werden in ihre medizinischen Kosten und Lebenshaltungskosten fließen“, heißt es in der Beschreibung. Mittlerweile sind bereits 4233 Euro zusammengekommen, 4000 Euro davon hat Firdes Polat nach eigenen Angaben bereits erhalten.
Nach dem Sturz klagt Firdes über Kopfschmerzen, nach einem Gang ins Marienhospital und weitergehenden Untersuchungen ist klar: Die junge Frau hatte eine Hirnblutung. Und sie wird in der Folge unter einer seltenen Krankheit leiden, von der nur einer von 100.000 Menschen betroffen ist. Unter medizinischen Experten wird sie „Idiopathische intrakranielle Hypertension“ genannt, bedeutet: In Firdes Kopf herrscht Überdruck, ohne bekannte Ursache.
Unheilbar kranke Gelsenkirchenerin: „Es gibt auch mal Tage, da kann ich überhaupt nichts“
Es scheint, als könne Firdes nicht gesund werden. Durch die zahlreichen Operationen hat sie ständig Schmerzen, muss manchmal sogar zu Morphium greifen. „Es gibt auch mal Tage, da kann ich überhaupt nichts“, berichtet sie. Dann ist sie nicht nur an ihr Zuhause gefesselt, das sie mit ihrer älteren Schwester, ihrem jüngeren Bruder und den Eltern teilt, sondern auch an ihr Bett, muss sich ausruhen, wieder zu Kräften kommen. Nur an den Wochenenden habe sie Zeit, ihre Tage verbringt Firdes in den meisten Fällen mit Arztbesuchen und -gesprächen, im Krankenhaus – in ein paar Wochen steht bereits die 46. OP an.
Nazli weicht ihr nicht von der Seite – die 29-Jährige gelernte Krankenpflegerin hat vor fünf Jahren ihren Beruf aufgegeben, um voll und ganz für ihre Schwester da zu sein. „Mein Kopf war nur bei Firdes“, erinnert sie sich. Und sie sagt auch: „Trotz der schwierigen Situation hat sie ihr Lächeln nicht verloren.“ Immer weitermachen, so ist das Ziel: „Mein Versprechen ist, dass ich nicht aufhören werde, den Menschen Mut zu machen und zu kämpfen“, sagt Firdes entschlossen – und lächelt.