Gelsenkirchen. Sie war Visagistin und Fitnesstrainerin, er Unternehmensberater. Jetzt sind sie an einer Schule in Gelsenkirchen und sagen: „Ich liebe das hier“.

Sie sollen helfen, den immensen Bedarf – in NRW fehlen knapp 6000 Lehrkräfte – zu decken und den Unterricht zu sichern: Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, die zunächst noch in einem anderen Berufsfeld wirkten, sich dann aber entschieden haben, ihr Glück an den Schulen zu finden. Bei Stephanie Köster und Theo Holters ist in diesem Zusammenhang wirklich von Glück zu sprechen. Der eine ist früher, die andere später zum Job in Gelsenkirchen gekommen.

Lehrerin in Gelsenkirchen: „Schule ist nicht einfach, das wusste ich von vorneherein“

Köster und Holters gehören zum großen Kollegium der Gesamtschule Buer-Mitte (GBM), sie haben allerdings ganz unterschiedliche Wege hin zu ihrem Lehrerberuf eingeschlagen. Die Geschichten der beiden 46-Jährigen zeigen, wie vielfältig diese Wege sein können.

„Ich bin halt so eine Macherin“, sagt Stephanie Köster über sich, als Seiteneinsteigerin habe sie einen etwas anderen Blick auf Schule. Und sie erzählt: „Hätte mir vor 30 Jahren jemand gesagt, dass ich mal Lehrerin werde, den hätte ich ausgelacht.“ Köster kommt aus Schalke, ist gerne aus der Emscherstadt, lebt aktuell in Resse. „Ich kenne die Entwicklung Gelsenkirchens“, sagt sie. Vielleicht ist das ein besonderes Plus für ihre tägliche Arbeit an einer Gelsenkirchener Schule.

Den Entschluss, ihre alten Jobs aufzugeben und die neue Idee anzunehmen, fasste sie während der Pandemie: Sie arbeitete zu der Zeit als selbstständige Visagistin, hatte ein Studio und war auch mobil – „ich war immer unterwegs“. Gleichzeitig war sie auch noch Fitnesstrainerin bei einer großen Fitnesskette. Im Rahmen der Lockdowns und der Kontaktbeschränkungen wurde schnell offenbar: „Ich hatte zwei Jobs, mit denen ich kein Geld verdienen konnte.“ Der Rat einer Freundin damals: „Mach doch mal was mit Schule.“

Also macht Stephanie Köster was mit Schule, fängt zunächst im Offenen Ganztag an einer Gladbecker Grundschule an. Ihre pädagogische Fachausbildung macht sie in Münster und irgendwann entdeckt sie die Ausschreibung ihrer jetzigen Stelle an der GBM, bewirbt sich und lehrt seit August 2022 am Nollenpad.

„Jetzt bin ich angekommen, ich bin hier sehr glücklich“

„Ich habe immer die Herausforderung gesucht, war lange rastlos“, berichtet Köster, die zuvorderst eine Ausbildung zur Grafikerin gemacht und anschließend lange in der Werbung gearbeitet hatte. „Dadurch, dass Schule jeden Tag anders ist“, könne sie sagen: „Jetzt bin ich angekommen, ich bin hier sehr glücklich, weil es so irre viel Vielfalt bietet.“ Sie arbeite sehr gerne auf Augenhöhe mit den Kindern, ist sich ihrer Verantwortung gleichsam sehr bewusst. Als typischen Lehrer sieht sie sich nicht, Respekt verlangt sie schon. Dass es auch mal unangenehmer werden könnte, war ihr klar: „Schule ist nicht einfach, das wusste ich von vornherein.“

Und wie sieht sie es, dass sie als Seiteneinsteigerin von weniger Gehalt und sie persönlich auch ohne Anspruch auf den Beamtenstatus leben muss? Es ist ein Punkt, der der Lehrerin für Kunst und Gesellschaftslehre zwar bewusst, aber nicht unangenehm ist. Sie winkt ab, als die Frage nach der Gerechtigkeit kommt. Für ihre tägliche Arbeit spiele das überhaupt keine Rolle.

Vom Sportökonomie-Studium und Unternehmensberater zum Lehrer

Theo Holters entschied sich bereits vor 15 Jahren für den Schuldienst, auch er hatte zunächst etwas anderes gemacht: Er studierte Sportökonomie und BWL auf Diplom in Köln, war unter anderem in einer Unternehmensberatung tätig und stellte irgendwann fest, dass das „zeitlich mit der Familie nicht mehr hinhaut.“

Schon 2009 herrschte „Lehrermangel ohne Ende“ und so bewarb sich Theo Holters in Buer. Weil er damals noch Anfang 30 war und ein abgeschlossenes Studium vorweisen konnte, klappte es mit der Verbeamtung (derzeit liegt in NRW die Altersgrenze zur Verbeamtung bei 42 Jahren). Fragt er sich manchmal, ob es die richtige Entscheidung war? „Nein, überhaupt nicht“, antwortet Holters sofort. Und der Lehrer für Sport, Wirtschaft und Gesellschaftslehre fügt hinzu: „Ich liebe das hier. Das ist die absolute Erfüllung, es macht einfach Spaß.“

Spannend findet der Beratungslehrer für die Jahrgänge 7 und 8, die Schülerinnen und Schüler in ihrer Entwicklung zu unterstützen, sie zu fördern und zu sehen, wie sie sich verändern (können). Dann, auf der anderen Seite, kommen immer wieder neue Kollegen hinzu, sie bringen neuen Input oder anders gesagt: frischen Wind. Auch ihm ist die Verantwortung wichtig: „Wir bilden hier die Zukunft aus“ – ein Umstand, den er gerne noch mehr in die Köpfe der Entscheider gerückt hätte. Für seinen Unterricht hat er eine feste Vorgabe: „Jede Stunde fängt neu an, was davor war, ist nicht entscheidend. Es ist wichtig, dass das auch die Schüler merken.“