Gelsenkirchen. Seitdem der „Job-Turbo“ ausgerufen wurde, sollen Flüchtlinge in Gelsenkirchen schneller Arbeit finden. Beispiele zeigen, wo es besonders hakt.
Untätigkeit wird dem Jobcenter Gelsenkirchen wohl schwer vorzuwerfen sein: 67 Veranstaltungen, von Job-Messen bis Infoveranstaltungen für Unternehmen, haben die Arbeitsvermittler auf die Beine gestellt, nachdem der Bund im letzten Quartal 2023 die „Job-Turbo“-Initiative ausgerufen hatte, um endlich mehr Menschen mit Fluchtgeschichte in Arbeit zu bringen. „Unglaublich viele“ Veranstaltungen seien das gewesen, sagte Jobcenter-Chefin Anke Schürmann-Rupp – und musste zugleich eingestehen, dass es weiter enorm hakt, wenn es darum geht, Geflüchtete, insbesondere Ukrainer, in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Wir kämpfen um jeden Einzelfall, aber es ist kein Selbstläufer.“
Nicht der passende Arbeitsmarkt für viele Ukrainer in Gelsenkirchen
Während der besagten Veranstaltungen habe man oft festgestellt, dass es Ukrainer mit beruflichen Werdegängen gibt, an die man in Gelsenkirchen einfach nicht anknüpfen könne. „Wir haben nun einmal nicht denselben Arbeitsmarkt wie in der Ukraine.“ Eine Atomphysikerin habe es zum Beispiel gegeben, nannte Schürmann-Rupp ein Extrembeispiel. „Da müssen wir sehr kreativ sein, so jemanden adäquat zu vermitteln.“
Andere Veranstaltungen seien vorrangig von männlichen Ukrainern besucht worden. „Da waren viele vorher im Schiffsbau tätig oder haben in der Landwirtschaft gearbeitet“, berichtete die Jobcenter-Geschäftsführerin in einer gemeinsamen Sitzung des Sozial- und Wirtschaftsausschusses. Auch da sei es naheliegenderweise schwierig, in einer Stadt wie Gelsenkirchen einen passenden Job zu finden. Immer wieder gebe es auch junge Ukrainer, „die einen Beruf erlernt, darin aber nie gearbeitet haben“, sagte sie. Auch das mache die Vermittlung schwierig.
Hinzukommen zahlreiche, längst bekannte, aber schwer aus der Welt zu schaffende Probleme: die vielen fehlenden Kita-Plätze (gerade für die vielen jungen Mütter aus der Ukraine relevant), die Hürden, Berufsabschlüsse aus dem Ausland anerkennen zu lassen, die Sprachbarrieren und die Wartezeiten für die Sprachkurse, von denen es weniger gibt als es geben müsste.
Der „Job-Turbo“ ist in Gelsenkirchen noch nicht so richtig spürbar
In Zahlen stellt sich die Problemlage wie folgt dar: 1605 Ukrainer gibt es aktuell in Gelsenkirchen, die Bürgergeld erhalten, aber eigentlich arbeiten könnten, also als erwerbsfähig gelten. Darunter sind 1006 Frauen (62,7 Prozent) und 599 Männer (37,32 Prozent). 692 dieser Menschen nehmen aktuell an Integrationskursen und berufsbezogenen Deutschkursen teil. Allerdings konnten zwischen Januar und April 2024, also seitdem der „Job-Turbo“ so richtig in Gang ist, nur 42 Ukrainer in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das sind zwar fast doppelt so viele wie noch im gleichen Zeitraum des Jahres 2023, wo unter 20 Ukrainer vermittelt werden konnten. In absoluten Zahlen aber sind es eben nicht besonders viele Personen.
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Neben den Ukrainern geht es beim „Job-Turbo“ um acht weitere häufige Herkunftsländer von Asylbewerbern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien). Insgesamt gibt es unter diesen Nationen 5743 grundsätzlich erwerbsfähige Leistungsbezieher in Gelsenkirchen (das sind etwa 16 Prozent aller arbeitsfähigen Leistungsbezieher in der Stadt). Hier hält sich das Geschlechterverhältnis eher in Waage (2986 Männer, 2757 Frauen). Integrationen in den Arbeitsmarkt sind in dieser Gruppe zwischen Januar und April rund 300 gelungen.
Im Ergebnis heißt das: Trotz „Job-Turbo“ konnten in den ersten vier Monaten des Jahres etwas unter 350 Jobs an Geflüchtete aus den häufigsten Herkunftsländern (mit Ukraine) vermittelt werden. Das ist im Vergleich dazu, wie viele Vermittlungen dem Jobcenter in dieser Zeit insgesamt gelungen sind (1639), weder auffällig viel noch besonders wenig.
Flüchtlinge ohne Jobs: „Der Arbeitgeber ist der Flaschenhals“
So richtig „Turbo“ gemacht werden konnte bei der Job-Vermittlung also offenbar nicht - und das, obwohl die Bundesinitiative auch in Gelsenkirchen noch weit mehr beinhaltet als die 69 Job-Messen und Infotage. Intern habe man sich neu organisiert, 3000 örtliche Unternehmen seien unter dem Motto „einGEstellt“ (inklusive einer „Botschaft“ des neuen „Job-Turbo“-Sonderbeauftragten der Bundesregierung) angeschrieben worden. Denn letztendlich hänge es ja an den Unternehmen, ob diese den Geflüchteten eine Chance geben und die Integration in die Arbeitswelt damit gelingt.
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„Der Arbeitgeber ist der Flaschenhals“, so Schürmann-Rupp. Einige Firmen würden sich zunächst offen zeigen, „aber wenn es ernst wird, dann sagen sie doch: Die Deutschkenntnisse sind doch nicht gut genug“, erzählte die Jobcenter-Chefin. „Das haben wir schon öfter erlebt.“ Mehr Bereitschaft, es mal mit Menschen zu versuchen, die noch nicht einwandfrei Deutsch sprechen: „Da wünsche ich mir mehr von.“