Gelsenkirchen. Tausende englische Fans verbrachten vor dem Spiel ihrer Nationalelf gegen Serbien den Tag in der Stadt – und hatten irre Geschichten mit dabei.
Jude Bellingham hatte soeben mit einem sehenswerten Kopfballtor zum 1:0 für die englische Nationalelf getroffen. Vor so viel fußballerischer Schönheit wollte sich dann sogar der Himmel verneigen. Und so zauberte er mit einer Kombination aus untergehender Sonne und Schauern für die mehr als 2000 Fans, die das Spiel am Sonntagabend auf der Trabrennbahn verfolgten, einen Regenbogen an den Abendhimmel. Es war die farbenfrohe Krönung eines mal chaotischen, mal kunterbunten EM-Tages in Gelsenkirchen.
Zunächst dominierten die negativen Schlagzeilen
Na, klar: In die Schlagzeilen der nationalen und internationalen Berichterstattung hatten es zunächst die negativen Vorfälle geschafft. Etwa eine Schlägerei in der Altstadt. Oder die Probleme bei der An- und Abfahrt der Fans in den hoffnungslos überfüllten Straßenbahnen zwischen Hauptbahnhof und Arena. Oder die teils unerfüllt gebliebenen Erwartungen in puncto Publikumsansturm. Doch das alles kann nicht überdecken, wie viele Menschen aus aller Welt hier auch einen unbeschwerten, unvergesslichen Tag in der Stadt erlebten.
Wie etwa Simon (31), der extra aus Wellington in Neuseeland angereist war. Zusammen mit seinem Kumpel Lee (32) hatte er schon die EM 2016 in Frankreich vor Ort miterlebt und damals vier Spiele im Stadion gesehen - darunter aber leider keines der englischen Elf. Die sahen sie dafür aber jetzt zum ersten Mal live bei einem großen Turnier kicken. „Von Gelsenkirchen kannte ich vorher nur Schalke 04 und Klaas-Jan Huntelaar“, sagt der Neuseeländer. Schon bald kehren die beiden hierher zurück: Denn auch für die Vorrundenpartie Portugal - Georgien hat das Duo Karten bekommen.
Karl (54) hatte sich von Kopenhagen aus auf den Weg gemacht - und zwar gekleidet mit England-Trikot und in einer bayrischen Lederhose. Die Tracht trug er, weil er in Deutschland geboren wurde und hier die ersten sechs Jahre gelebt hat. Sein Vater war als Soldat stationiert. Danach lebte er bis zum 24. Lebensjahr in England und nun seit 30 Jahren in der dänischen Hauptstadt. Zwei Herzen würden in seiner Brust schlagen, sagte er. Deshalb tippe er als EM-Finale auch: Deutschland gegen England.
Zu den am meisten fotografierten Fans des Tages zählte ganz sicherlich Terry Rose (66) aus Huddersfield. Der trug einen Anzug, der komplett mit kleinen England-Fahnen bedruckt war. Dazu noch eine schwarze Melone auf dem Kopf. Der Leeds-United-Fan war erstmals bei der WM 1990 in Italien bei einem großen Turnier mit dabei. Auf die Frage, wie weit die Engländer denn diesmal kommen könnten, gab er die optimistische Prognose: „Wir gewinnen! Weil wir immer ein Tor mehr schießen als der Gegner.“
Beträchtliche Warteschlangen vor der Abfahrt der SonderbusseMichasel
In der extra für dieses Spiel auf der Trabrennbahn angelegten Fanzone hatten Tausende England-Anhänger den Tag verbracht. Als der Anpfiff in der Arena näherrückte, wurde der Großteil von ihnen in Sonderbussen zum Stadion gekarrt. Auch dort entstanden zeitweise beträchtliche Warteschlangen.
Mehr als 2000 Anhänger blieben aber und schauten sich auf einem der drei Riesen-Monitore die Übertragung an - passend zu den Anwesenden wurde der Ton der britischen TV-Übertragung dazu serviert. Zum Torjubel auf der Insel zählt offensichtlich immer auch das Wegwerfen des eigenen Bierbechers - ganz egal, wie voll der noch ist. Schließlich braucht man ja beide Hände, um den Nebenmann heftig zu herzen.
Perry und Adele stammen aus einer Kleinstadt in der Grafschaft Yorkshire. Sie sind mit dem Wohnmobil gekommen und waren heilfroh, noch einen schönen Stellplatz in Gelsenkirchen bekommen zu haben. „Die Leute slnd so nett und zuvorkommend hier“, sagte Adele in der Halbzeitpause und strahlte. Beide freuten sich auf viel Fußball. „Aber uns ist noch wichtiger, nette Leute zu treffen. Und das haben wir hier in Gelsenkirchen getan.“