Gelsenkirchen. Wie viele schutzsuchende Menschen tatsächlich in der Stadt Gelsenkirchen leben, ist schwieriger zu beantworten als man denken mag.
- Wie viele Flüchtlinge derzeit in Gelsenkirchen leben, ist schwieriger zu beantworten als man denkt.
- Denn eine verlässliche monatliche Statistik gibt es nicht.
- Klar ist aber, dass Gelsenkirchen zu den Kommunen gehört, die im deutschlandweiten Vergleich besonders viele Menschen aufgenommen hat.
Wie viele Flüchtlinge leben eigentlich in Gelsenkirchen? Was wie eine einfache Frage klingt, ist ziemlich schwierig zu beantworten – und das, obwohl diese Zahl angesichts der Bedeutung des Themas eigentlich eine allbekannte Größe in der Lokalpolitik, Stadtgesellschaft und Verwaltung sein sollte. Um sie zu beantworten, muss man weit ausholen – und beginnen beim Ausländerzentralregister (AZR) aus dem Datenzentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Grundsätzlich ließe sich aus dem (nicht öffentlichen) AZR ablesen, wie viele Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben, in einer Stadt leben. Allerdings weisen Fachleute darauf hin, dass die Datenerfassung automatisiert erfolgt, also nicht immer genau überprüft wird und nicht zwingend die aktuellste Situation darstellt. Zudem können hier auch Ausländer dazugezählt werden, die bereits vor Jahrzehnten nach Deutschland gekommen sind, beispielsweise Anfang der Neunziger im Rahmen der Balkan-Kriege.
Flüchtlinge in Gelsenkirchen? Dafür muss man erst einmal den passenden Begriff finden
Die BAMF-Daten werden jährlich als Basis für eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes genutzt, die unter Experten als sauberste Annäherung an die Flüchtlingszahlen betrachtet wird. Das liegt unter anderem an der genauen Begriffsdefinition der Statistiker: Sie erfassen die „Schutzsuchenden“ in Deutschland – eigentlich der passendste Begriff, um das zu beschreiben, was in der Alltagssprache und in den Schlagzeilen mit „Flüchtlinge“ gemeint ist.
- Mehr zu dem Thema:Überblick: So sind Gelsenkirchens Flüchtlinge untergebracht
Denn zu den „Schutzsuchenden“ zählen alle Personen, die sich „unter Berufung auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe in Deutschland aufhalten“. Sie befinden sich in einem offenen Asylverfahren oder ihr Antrag wurde final bearbeitet – und entweder positiv oder negativ beschieden. Auch alle Ukrainer, die nach dem russischen Angriffskrieg nach Deutschland gekommen sind, zählen zu den „Schutzsuchenden“, obwohl sie keinen Asylantrag stellen mussten.
Nicht mehr zu dieser Gruppe zählen beispielsweise Menschen, die nach ihrem positiven Asylantrag deutsche Staatsbürger geworden sind oder einen anderen Aufenthaltstitel bekommen. In Deutschland wird zwischen verschiedenen Aufenthaltstiteln unterschieden. Maßgeblich für sie sind die Aufenthaltszwecke, die bei Schutzsuchenden nur humanitärer, politischer oder völkerrechtlicher Natur sein können. Sobald sie ihren Aufenthaltstitel wechseln, der einen anderen Zweck verfolgt (beispielsweise Arbeit, Studium, Ehe) fallen sie aus der Gruppe heraus. Die Statistiker versuchen, all diese Faktoren zu berücksichtigen.
Der Stadt Gelsenkirchen wurden 2023 bereits über 550 Asylsuchende zugewiesen
Die Auswertung zu der Personengruppe macht das Statistische Bundesamt allerdings nur ein Mal im Jahr. Die jüngste Veröffentlichung stammt aus März 2023, die Zahlen beziehen sich auf Ende 2022. Zu dieser Zeit lebten 15.550 Schutzsuchende in Gelsenkirchen. Damit betrug der Anteil der Schutzsuchenden in Gelsenkirchen 5,9 Prozent Stadtbevölkerung. Damit liegt die Emscherstadt in der Gruppe der Kommunen mit den anteilsmäßig meisten Schutzsuchenden (Quote ab 4,8 Prozent). In vielen Städten im Ruhrgebiet ist das Verhältnis ähnlich, in Bayern, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist der Anteil der Schutzsuchenden dagegen besonders gering (2,8 bis 2,9 Prozent).
Aufgeschlüsselt nach bestimmten Personengruppen zeigt sich in Gelsenkirchen folgendes Bild:
Wenn man nun aber auch noch wissen will, was sich seit Anfang des Jahres 2023 in Gelsenkirchen getan hat, sollte man einen Blick auf die Zuweisungen des Landes NRW werfen. Seit Anfang des Jahres sind der Stadt 568 Schutzsuchende, darunter 190 Ukrainer und 378 Menschen anderer Herkunftsländer, zugewiesen worden, wie aus einer Statistik der Stadt hervorgeht. Addiert man diese Menschen zu den Zahlen des Statistischen Bundesamtes, sind das gegenwärtig etwa 16.120 Schutzbedürftige in Gelsenkirchen.
Stadt kommuniziert andere Zahl
Die Stadt Gelsenkirchen selbst operiert in ihren aktuellen Statistiken übrigens mit der Zahl 10.920 (darunter 6285 schutzsuchende Männer, 4623 Frauen und 12 Menschen mit unbekanntem Geschlecht).
Auf Nachfrage bestätigt das Ausländeramt jedoch, dass die Zahl des Statistischen Bundesamtes (15.550 Schutzsuchende) korrekt sei und sich Unterschiede durch andere Zuordnungen bestimmter Personengruppen in der Statistik ergeben könnten.
Die komplette gegenwärtige Realität wird aber auch diese Zahl nicht abbilden, weil sie nicht berücksichtigt, wie viele Menschen auch ohne Zuweisung in die Stadt gekommen sind (wie es zu Beginn des Ukrainekriegs bei vielen Menschen der Fall war) oder wie viele Menschen seit Beginn des Jahres ihren Aufenthaltstitel gewechselt haben.
Wie viele „Flüchtlinge“ in Gelsenkirchen leben – das bleibt also eine Frage, die man nur sehr schwer mit der Nennung einer Zahl beantworten kann. Das macht es freilich nicht einfacher, wenn es um die Frage geht, wie die Ressourcen für die Versorgung und Integration der Menschen verteilt werden sollen.
Wie erfolgt eigentlich die Zuweisung von Schutzsuchenden nach Gelsenkirchen? Mehr zu dem Thema lesen Sie hier:Warum die Zuweisung von Flüchtlingen so problematisch ist.