Essen./Gelsenkirchen. Jahrelang erfolgreicher Unternehmer, jetzt steht der Gelsenkirchener vor Gericht: Er soll den Freund der Tochter verprügelt haben.
Die Anklage erinnert an die legendäre TV-Sendung "Dallas" mit ihren Intrigen und Straftaten aus der Welt der Reichen und Schönen in Texas. Nur ist hier der Tatort Gelsenkirchen. Angeklagt vor dem Landgericht Essen ist seit Donnerstag ein ehemals erfolgreicher Unternehmer aus Gelsenkirchen, der mit seinem Sohn den Freund seiner Tochter verprügelt haben soll. Laut Anklage ging es dabei um 200.000 Euro, die der 58-Jährige von dem jungen Mann erpressen wollte.
Richterin Karin Maiberg, Vorsitzende der VII. Strafkammer, stutzt ein wenig, als sie die Personalien des Angeklagten prüft. Tatsächlich, er hat Geburtstag. "Kein schöner Platz für einen Geburtstag", zeigt sie Mitgefühl und ringt sich zu einem "Herzlichen Glückwunsch" durch.
Tochter machte Freund Geschenke für 200.000 Euro
Eher wenig schön sind auch die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Die Anklage spricht von einer äußerst feigen Tat. Der Unternehmer soll sich geärgert haben, als er mitbekam, dass seine 17 Jahre alte Tochter einem jungen Mann, dem späteren Opfer, nach und nach Geschenke im Wert von rund 200.000 Euro machte. Der Beschenkte meinte mal, damit habe sie sich seine Liebe erkaufen wollen.
Wenn man der Anklage traut, hat es wohl längere Zeit gedauert, bis dieser finanzielle Verlust auffiel. Dann soll der Unternehmer aber richtig sauer geworden sein. Er habe das Handy seiner Tochter genommen und soll den Mann per Textnachricht zu einem Treffen in der Wohnung seines heute 28 Jahre alten Sohnes aufgefordert haben. Dabei soll er sich als die Tochter ausgegeben haben.
Rollkommando erwartet den Freund
Die mutmaßliche Tat liegt schon etwas länger zurück. Der Mann nahm einen Freund mit und klingelte laut Anklage am 12. Dezember 2018 gegen 21 Uhr an der Haustür des Sohnes. Drinnen habe ihn der Sohn und ein von den beiden Angeklagten zusammengestelltes Rollkommando aus zehn bis fünfzehn schwarz gekleideten Männern erwartet. Alle seien maskiert gewesen.
Sofort habe der Trupp angefangen, auf die beiden einzutreten und einzuschlagen. Mit einem Hammer hätten sie auf die Finger des Freundes der Tochter eingehauen, beiden eine Pistole an den Kopf gehalten. Einer der Angreifer habe auch mit einer zerschlagenen Glasflasche gedroht.
Freund der Tochter mit dem Tod gedroht
Schließlich sei der Unternehmer selbst gekommen und habe 200.000 Euro gefordert. Auch er soll zugeschlagen haben. Falls der Mann nicht zahlen wolle, soll er gedroht haben, werde er ihn und seine Familie umbringen. Danach hätten die Opfer gehen dürfen.
Ihr Weg führte sie ins Bergmannsheil in Buer, wo ihre Verletzungen versorgt wurden. Von dort aus wurde umgehend die Polizei informiert. Von den maskierten Männern hatte das Opfer lediglich den Bruder seiner Freundin identifiziert, außerdem den Vater. Belastet werden die Angeklagten, die bislang zu den Vorwürfen geschwiegen haben, wohl vor allem durch die Textnachrichten und das Handy der Tochter.
Vater und Sohn schweigen vor Gericht zu den Vorwürfen
Aber um die Vorwürfe geht es am ersten Prozesstag in Essen gar nicht. Beide Angeklagten schweigen zunächst. Der Unternehmer kennt seine Rechte vor Gericht. Erst im Dezember hatte er nach einer längeren Hauptverhandlung von der I. Essener Strafkammer fünf Jahre Haft erhalten. Eine Steuerhinterziehung in Millionenhöhe hatte das Gericht ihm vorgeworfen.
Zum Lebenslauf geben die beiden Angeklagten am Donnerstag bereitwillig und freundlich Auskunft. Den Vater kennen viele Gelsenkirchener, weil er früher als Immobilienentwickler oft in der Öffentlichkeit stand und keine Kamera scheute. Heute ist das anders.
Aufgewachsen "in einem gutbürgerlichen Umfeld"
Er erzählt, dass er "in Buer aufgewachsen ist, in einem gutbürgerlichen Umfeld". Der Vater sei "Polizeibeamter in Buer" gewesen, die Mutter Hausfrau. Er berichtet von seiner Grundschulzeit, vom Gymnasium und dem erfolgreichen Abitur. Danach habe er in Bochum Jura studiert. Weil er aber handwerklich begabt sei, habe er nebenbei mit einem Partner eine Firma für Innenausbau gegründet und viele Aufträge für eine Spielhallenkette bekommen.
Deshalb, erläutert er, habe er das zweite Staatsexamen in Jura nicht absolviert. Richterin Maiberg fragt nach, ob er demnach das erste Examen geschafft habe. Nein, sagt er, da sei er auch schon nicht angetreten.
Spielhallen und Gastronomie
Er habe später auch selbst Spielhallen betrieben, sei in der Gastronomie tätig gewesen. Gesetzliche Änderungen hätten das Spielhallengeschäft zerstört, so dass er den "schwerwiegenden Fehler" mit der Steuerhinterziehung begangen habe. Und das vor allem, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Jetzt sei er Angestellter in einer fremden Firma.
Auch der Sohn gibt bereitwillig Auskunft. Er hat eine Wohnung im Elternhaus, hat nach Abitur und BWL-Studium auch immer beim Vater und jetzt in der Firma der Mutter gearbeitet. Das ist wohl kein Zuckerschlecken: "Mein Vater sagte, wenn Du der Sohn vom Chef bist, musst Du doppelt hart arbeiten." Der Prozess wird fortgesetzt.