Gelsenkirchen-Horst.. Vor gut zwei Jahren kam Mohamad aus Aleppo allein nach Gelsenkirchen. Heute spricht er perfekt Deutsch und bereitet sich auf das Abitur vor.
Mohamad Akkours Antwort auf die Frage nach seinen Wünschen sagt viel über diesen jungen Syrer aus, der Ende 2015 mit 15 Jahren allein nach Deutschland flüchtete: „Ich glaube eigentlich nicht an Wünsche, besser gesagt, ich bevorzuge Ziele und Leistungen. Meine angestrebten Ziele sind Abi mit gutem Durchschnitt und ein eigenes Buch schreiben zu können.“ Es ist ein wörtliches Zitat und es zeigt, wie gut sein Deutsch ist. Und es zeigt auch, wie sehr er preußische Tugenden lebt. Einen „Wunsch“ nennt er dann doch noch: das Ende des Krieges in Syrien. Dort leben noch immer seine Eltern und die drei Schwestern, in Aleppo. Immerhin derzeit nicht mehr akut von Gefechten bedroht.
Im Juli 2016 hatte Oberbürgermeister Frank Baranowski den Jungen in der Wohnung, die er mit seinem Cousin und Vormund Radvan teilt, besucht, die WAZ war dabei. Damals wurde Mohamad vom Sozialdienst Schule begleitet, acht Monate war er zu der Zeit hier. Er besuchte eine Internationale Förderklasse am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium. Schon im Sommer 2016 wechselte Mohamad in eine Regelklasse am Schalker Gymnasium. Dort hat er jetzt die Qualifikation für die Oberstufe geschafft, lernt im elften Jahrgang.
Auch Hörbücher haben geholfen
Mit seinem Notenschnitt von derzeit 2,1 ist er nur bedingt zufrieden. „Bis jetzt habe ich aber auch nur zehn Prozent meiner Arbeitskraft in Inhalte gesteckt. Mein Fokus lag auf der Sprache. Aber jetzt werde ich auch Inhalte einbeziehen.“ Er sagt wirklich solche Sätze mit Satzkonstruktionen, die den meisten hier geborenen und aufgewachsenen 18-Jährigen eher selten über die Lippen gehen.
Mohamads kleines Zimmer ist gesteckt voll mit Lernmaterialien, vorwiegend aus der Stadtbücherei. „Ich habe sehr viel gelesen und sehr viele Hörbücher gehört, um richtig Deutsch zu lernen“ erklärt Mohamad sein Lernsystem. An den Wänden hängen auch heute noch zahllose Karteikärtchen mit Vokabeln. Heute sind es keine einfachen Worte mehr, deren arabische und deutsche Buchstaben er gegenüberstellt, sondern komplexe Redewendungen bis hin zu Sprachbildern.
Entspannen beim Kegeln, Deutsch-Rapp und Beten
Eigentlich ist Mathe sein Lieblingsfach, am Berufswunsch Arzt hat sich nichts geändert. Wobei Wunsch ja das falsche Wort ist. Mohamad arbeitet hart an diesem Ziel. Ein anderes Ziel ist, die Mutter einmal jenseits von Skype wiedersehen zu können. Immerhin kann er – wenn es gerade Strom gibt in Aleppo, was nicht immer der Fall ist – mittlerweile wieder Kontakt mit der Familie halten.
Und womit entspannt jemand wie Mohamad? „Ich mag Kegeln! Wir sind mit einem Sprachkurs zum Abschluss kegeln gegangen und das hat mir sehr gut gefallen. Das gibt es nur in Deutschland, aber hier ist es wohl gar nicht mehr so beliebt bei Jüngeren,“ hat er festgestellt. Deutsch-Rap und Fußball sind andere Hobbys, die er mit anderen Gleichaltrigen teilt. Entspannen aber könne er am besten allein, meditierend und betend. Mohamad hat viel durchgemacht. Das will verarbeitet sein.
Viel Unterstützung von Gelsenkirchenern
Mohamad hat hier Freunde gefunden, auch deutsche Freunde. Die Familie eines Freundes hat ihn mit in den Urlaub genommen, in die Niederlande. Das war nicht einfach mit seinem Ausweis, der ihm zwar einen Aufenthaltstitel dokumentiert, aber kein Recht, durch die Welt zu reisen. Im August muss er diesen Aufenthaltstitel wieder verlängern lassen.
Mohamad fühlt sich sehr angenommen in Gelsenkirchen. Suendues Karaoglu, die sich für die Stadt um unbegleitete Flüchtlinge kümmert, hilft heute noch gern, wenn er Unterstützung braucht. Obwohl sie längst nicht mehr für ihn zuständig ist. Ein ehemaliger Schulleiter hat Nachhilfe in Deutsch gegeben, und auch sonst hat er fast nur Lob übrig für diese neue Heimat, in der er wohl bleiben möchte. Wenn man ihn lässt. An mangelnden deutschen Werten und Tugenden dürfte es bei ihm jedenfalls nicht scheitern.
>>> Mohamad hofft für seine Zukunft auf Angela Merkel
- >> Mohamad kann dank subsidiärem Schutzstatus mit einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis um zwei Jahre rechnen, solange die Rahmenbedingungen bestehen bleiben. Dass er hier sein Abitur bauen kann, dürfte sicher sein. Auch ein Studium an einer umliegenden Universität müsste möglich sein.
- >> Wie genau seine Zukunft aussieht, hängt aber von der künftigen Regierung ab. Mohamad hofft auf Angela Merkel.