Essen.. Die Betriebswerkstatt der Ruhrbahn in Essen ist fast fertig, doch der Rohbau muss erweitert werden. Die neuen Straßenbahnen passen nicht hinein.
„Wir haben noch Glück gehabt“, sagt Hermann Dumke, der bei der Ruhrbahn zuständig ist für die Infrastruktur und die Bauwerke. Glück, das heißt in diesem Zusammenhang: Es hätte schlimmer kommen können. Und teurer.
Die Rede ist von der neuen Betriebswerkstatt der Ruhrbahn auf dem Betriebshof Stadtmitte. Die ist noch im Bau, hätte aber schon Ende 2023 fertig sein sollen. Weil der Generalunternehmer insolvent ging und ein neuer erst gesucht und gefunden werden musste, verzögerte sich die Fertigstellung.
Nun steht der Rohbau: eine riesige, Halle, in die zwei 30 Meter lange Straßenbahnen bequem hineinpassen. Nur: Die Ruhrbahn hat beschlossen, 40 Meter lange Niederflurbahnen der neuesten Baureihe NF5 anzuschaffen, 40 an der Zahl bis zum Jahr 2031. Doch für diese Bahnen ist die neue Werkstatt viel zu klein.
Die neue Betriebswerkstatt ist noch nicht ganz fertig. Die Ruhrbahn bezeichnet dies als Glücksfall
Stellen Sie sich also vor, Sie hätten neu gebaut. Ein schickes Häuschen. Nur das Bad fehlt noch, Fliesen oder Holzboden, der Putz an den Wänden und die Tapeten oben drauf. Und dann müssen Sie eine Außenwand wieder einreißen, um ein Stückchen Haus dranzubauen, weil nicht alle Möbel hineinpassen. So geht es der Ruhrbahn mit ihrer neuen Betriebswerkstatt.

Ganz ohne ist das nicht. Das kann sich jeder Häuslebauer vorstellen. Oder wie formuliert es Hermann Dumke: „Mit einem Stück Fassade dran ist es nicht getan. Das wird Schwerstarbeit.“ Nur gut also, dass Stahlträger für Arbeitsbühnen und ähnliches im Wert von 600.000 Euro noch gar nicht verbaut sind, und die Straßenbahnwaschanlage noch nicht eingebaut wurde, wie Dumke ergänzt. Das monströse Ding ist noch originalverpackt.
Mit Hilfe der 40-Meter-Bahnen will die Ruhrbahn ihren Anteil am Gesamtverkehr deutlich steigern
Soviel zu: Es hätte noch schlimmer kommen können. Trotzdem wird der Bau teurer, sehr viel teurer sogar. Die Kosten steigen von 32 Millionen Euro auf 57 Millionen Euro.
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Durch den Einsatz der 40-Meter-Bahnen will die Ruhrbahn dem vom Rat der Stadt vorgegebenen Ziel näher kommen, den Anteil des öffentlichen Personen-Nahverkehrs am Gesamtverkehr bis zum Jahr 2033 auf 25 Prozent zu steigern von heute 19 Prozent. Und: Kein Fahrgast soll an der Haltestelle zurückbleiben müssen, weil er oder sie nicht mehr hineinpasst in die bereits überfüllte Bahn. Auf stark frequentierten Linien sei dies in Stoßzeiten leider immer wieder der Fall.

Aber hätte die Ruhrbahn all dies nicht berücksichtigen müssen, bevor mit dem Bau einer neuen Betriebswerkstatt begann? Das ist fast sechs Jahre her und umso bemerkenswerter, da die Fahrgastzahlen danach, bedingt durch Corona, einbrachen. Erst heute haben sie das Vor-Corona-Niveau in etwa wieder erreicht. Das heißt: Übervolle Straßenbahnen gab es damals schon.
Die Planungen der Ruhrbahn für eine neue Werkstatt reichen bis ins Jahr 2010 zurück
Nun, die Pläne für den Neubau gehen bis ins Jahr 2010 zurück, erläutert Dumke. Damals legte die Ruhrbahn ihre Planungen für den Bau eines neuen zentralen Betriebshofes samt Werkstätten im Krupp-Gürtel zu den Akten. 250 Millionen hätte das Projekt kosten sollen. Doch die Aussicht auf öffentliche Förderung brach weg. Außerdem hielt es die Ruhrbahn für zu aufwendig, das U-Stadtbahngleis von der Universität bis weit in den Kruppgürtel hinein zu verlängern.
Deshalb entschied sich der kommunale Verkehrsbetrieb, die bestehende Infrastruktur zu modernisieren und trieb fortan den Bau einer neuen Betriebswerkstatt auf dem Betriebshof Stadtmitte voran.
Neue Hauptwerkstatt
Die neue Betriebswerkstatt der Ruhrbahn auf dem Betriebshof Stadtmitte ist nicht zu verwechseln mit der Hauptwerkstatt. In der Betriebswerkstatt werden Straßenbahnen instandgehalten, repariert und täglich gewaschen. In der Hauptwerkstatt werden die Fahrzeuge gewartet und vor Hauptuntersuchungen praktisch bis auf die letzte Schraube zerlegt und wieder zusammengebaut.
Untergebracht ist die Hauptwerkstatt auf dem Betriebshof an der Schweriner Straße, in einer alten Krupphalle aus dem Jahr 1910. Die Ruhrbahn plant dafür ebenfalls einen Neubau, allerdings auf dem Betriebshof Stadtmitte.

Ausgelegt waren die Planungen dort für die Reparatur und Instandhaltung 30 Meter langer Niederflurbahnen, die bislang Standard sind bei der Ruhrbahn. 40-Meter-Bahnen habe seinerzeit niemand auf der Agenda gehabt, sagt Hermann Dumke. Dieser Gedanke reifte erst spät und langsam. Auch unter dem Eindruck, dass es der Ruhrbahn zunehmend schwer fällt, in ausreichender Zahl neue Fahrer zu finden. Wie viele Branchen spüren auch die Verkehrsbetriebe den demographischen Wandel. Die geburtenstarken Jahrgänge, die so genannten Babyboomer verabschieden sich langsam in den Ruhestand, auch bei der Ruhrbahn.
Bis 2028 soll die Werkstatt fertig sein, bald darauf erwartet die Ruhrbahn die ersten neuen Bahnen
Um mehr Fahrgäste befördern zu können, müsste die Ruhrbahn die Taktzeiten verdichten. Dafür bräuchte sie mehr Bahnen und mehr Fahrpersonal. Mehr Fahrzeuge in kürzeren Abständen ließen sich aber nicht durch den Tunnel schleusen, dafür sei das System nicht ausgelegt. Deshalb entschied sich die Ruhrbahn für die Anschaffung von 40-Meter-Bahnen. Da war die Betriebswerkstatt längst im Bau und hätte längst fertig sein sollen.
Auch deshalb war die Entscheidung, längerer Bahnen aufs Gleis zu setzen, durchaus umstritten. „Aber die Entscheidung ist richtig“, sagt Hermann Dumke. Trotz der höheren Kosten, die eine Erweiterung der Werkstatt nach sich zieht. Spätestens 2028 soll sie in Betrieb gehen, ein Jahr später werden die ersten neuen Niederflurbahnen der Baureihe NF5 erwartet. Ob sich die 40-Meter-Bahnen bezahlt machen, wird die Zukunft zeigen. 30 Jahre lang sollen sie fahren.
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