Essen. Wer ist Marc-Nicolai Pfeifer (43), der neue Vorstandschef von RWE? Wo er herkommt, was ihn antreibt und was er erreichen will.
Wie viele Tage er nun schon im Amt ist? Marc-Nicolai Pfeifer hat nicht nachgezählt. Wer es genau wissen will: Es sind 83. So lange ist der 43-Jährige neuer Vorstandsvorsitzender von Rot-Weiss Essen. Seit dieser Woche ist er offiziell Essener Bürger. Marc-Nicolai Pfeifer ist angekommen im Ruhrgebiet.
Für den gebürtigen Schwaben ist es die erste intensive Begegnung mit dieser Stadt. Essen kennt er bislang nur flüchtig von Auswärtsspielen mit den Münchener Löwen, wo er zuletzt als Geschäftsführer tätig war. „Eine kleine Stadtrundfahrt habe ich schon hinter mir“, erzählt Pfeifer. Noch bevor er seinen Vertrag mit Rot-Weiss Essen unterzeichnete, habe ihn Lothar Oelert, seit kurzem RWE-Aufsichtsratsvorsitzender, ins Auto gesetzt und herumgefahren, nach Werden, nach Kettwig, an den Baldeneysee, zur Villa Hügel...
Ganz oder gar nicht: Marc-Nicolai Pfeifer hat seinen Lebensmittelpunkt nach Essen verlegt
Ob er schon einen Lieblingsort gefunden habe? „Die Hafenstraße“, antwortet Pfeifer pflichtschuldig und lacht. Na klar, wegen des Fußballs ist er da. Weil er sich ganz mit seiner Aufgabe identifiziere, hat er Essen zu seinem neuen Lebensmittelpunkt gemacht.
Mit seiner Verlobten hat er inzwischen eine Wohnung bezogen, mitten drin in Rüttenscheid. Das sei praktisch, „wenn man gerne unter Menschen ist“, sagt er. Welchen Eindruck hat er von Essen gewonnen? „Ich fühle mich sehr gut aufgenommen im Verein und in der Stadt“, sagt Marc-Nicolai Pfeifer und schwärmt von der offenen Art, mit der ihm die Menschen begegneten. „So etwas findet man nicht in jeder Region in Deutschland.“ Dass RWE-Fans auch sehr offen und direkt sein können, wenn es sportlich nicht so läuft wie erhofft, diese Erfahrung steht noch aus.
Pfeifer spricht selbst von „positiven Vorurteilen“, fügt aber hinzu, dass ihm Ehrlichkeit, Offenheit und Direktheit persönlich wichtig seien. Wer will, hört daraus eine versteckte Kritik an seinem letzten Arbeitgeber. Die Zeit in München lief für ihn nicht wie erhofft. Der TSV 1860 ist ein komplizierter Verein, weil dort mehrere das Sagen haben, neben dem Vorstand auch der millionenschwere Investor Hasan Ismaik. Als Geschäftsführer saß Pfeifer zwischen den Stühlen und musste vorzeitig gehen.
Das ist nicht ungewöhnlich im schnelllebigen Fußballgeschäft. Die Zeit sei sehr lehrreich gewesen. Und doch dürfte der Abschied schmerzhaft gewesen sein. Pfeifer bezeichnet sich als ehrgeizig. Seine Karriere hat er minutiös geplant. „Ich wollte immer Manager werden“, schon damals, als er beim VfB Stuttgart in der Jugend kickte und seine Mannschaftskameraden wahrscheinlich von einer Karriere als Spieler träumten.
Seine Familie hatte ihm davon abgeraten, Fußball-Manager zu werden
Pfeifer ging seinen Weg, entgegen dem Rat seiner Familie, wo sie Ärzte, Apotheker und Unternehmer sind, wie er erzählt. Was ihn am Job des Fußball-Managers so sehr gereizt hat? Der Fußball, die Emotionen, die dieser Sport weckt. Ja, auch das. Pfeifer nennt aber auch Ehrgeiz und Siegeswillen als seine Motive, und Verantwortungsbewusstsein, das er daheim als ältester von fünf Jungs früh erlernt habe.
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Schon als Schüler habe er in den Ferien im Fan-Shop des VfB gejobbt. Während des Studiums sammelte er praktische Erfahrungen bei verschiedenen Vereinen, bis er kaufmännischer Leiter und schließlich Geschäftsführer bei den Stuttgarter Kickers wurde. Es folgten dreieinhalb Jahre bei den Münchener Löwen.
Nun also RWE. Was nicht heißt, dass er ab sofort in rot-weißer Bettwäsche schläft, sagt Pfeifer und schmunzelt. „Wenn Du in der Verantwortung stehst, bist Du auch Fan des Vereins, für den Du arbeitest. Aber das fällt einem hier wirklich nicht schwer“, schiebt er hinterher. Sich aber am ersten Tag hinzustellen, und voller Inbrunst zu erklären, er sei RWE-Fan, das empfände auch er als unglaubwürdig. „Es ist wichtig, sich zu 100 Prozent mit seiner Aufgabe zu identifizieren“, sagt Pfeifer, was er für sich in Anspruch nimmt. Stünden aber wichtige Entscheidungen an, sei es ebenso wichtig, die Emotionen außen vor zulassen.
Mit Traditionsvereinen wie RWE, wo die Emotionen schon mal überkochen, kennt er sich aus
Das gilt umso mehr in einem Traditionsverein wie Rot-Weiss Essen, wo die Emotionen schon mal überkochen. Mit Traditionsvereinen kennt sich Marc-Nicolai Pfeifer inzwischen aus. Dass RWE eine in Teilen schwierige Fanszene hat, davon hatte er gehört. Pfeifer will das nicht kleinreden, aber auch nicht zu hoch hängen, wie er sagt. Ihm sei es wichtig, „mit den Fans zu sprechen und nicht über sie. Damit haben wir bereits angefangen“. In der Öffentlichkeit wolle er lieber über die vielen positiven Dinge reden, die er im Verein vorgefunden habe, über die „Essener Chancen“ zum Beispiel, das Sozialprojekt von RWE.
Was die sportlichen Ziele angeht, vermeidet Pfeifer vollmundige Ankündigungen. Lieber gibt er sich bescheiden. Er wolle dazu beitragen, dass „die Fans irgendwann nicht nur vom Aufstieg in die 2. Liga träumen, sondern dass dieser Traum auch realistisch ist“. Dazu bedürfe es der wirtschaftlichen Voraussetzungen.
Der viel zitierte Satz, wonach Geld Tore schießt, sei ihm „zu platt“. Pfeifer spricht lieber von Kostensicherung und von Effizienzsteigerung. Da spricht der studierte Betriebswirt und Marketingexperte. Deshalb, als Fachmann, hat ihn der Aufsichtsrat nach Essen geholt.
Den geplanten Stadionausbau bezeichnet Pfeifer als ein „Commitment“, als einen Vertrauensbeweis der Stadt und der Politik. Spätestens in der 2. Liga sei ein größeres Stadion unverzichtbar. Das klingt so, als hätte Marc-Nicolai Pfeifer mit Rot-Weiss Essen noch viel vor.
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