Essen. Rot-Weiss Essen baut den Vorstand um: Helf und Rang erklären die Hintergründe, reagieren auf Fan-Kritik und räumen mit Missverständnis auf.

André Helf hatte direkt ein gutes Gefühl. „Ich habe über ihn viel Positives gehört und ihn dann getroffen. Er kam total gut rüber“, sagt der Aufsichtsratschef von Rot-Weiss Essen über Marc-Nicolai Pfeifer. „Sehr, sehr schnell“ sei der 43-Jährige der Topfavorit auf eine Stelle gewesen, von der nur ein ganz kleiner Kreis wusste, dass diese überhaupt offen ist – und seit diesem Dienstag steht offiziell fest: Pfeifer übernimmt den Vorstandsvorsitz bei RWE von Marcus Uhlig.

Die Ursache, warum er bei RWE einsteigt und es diese große Umstrukturierung auf Vorstandsebene gibt, liegt bereits Wochen zurück. Uhlig, bisheriger Vorstandschef und über sechs Jahre Funktionär bei RWE, zuletzt aber offenbar ausgezehrt von den Folgen der „Katastrophen“-JHV im Sommer, kam vor längerer Zeit auf den Aufsichtsrat zu und sagte, dass er sich bereit für eine neue Aufgabe fühle, erzählt Helf dieser Redaktion. „Er hat uns gesagt, dass er bleibt, bis ein neuer Vorstand gefunden ist und bis dahin Vollgas gibt - wir haben und hatten“, betont Helf ausdrücklich, „ein tolles Verhältnis!“

Rot-Weiss Essen: Arbeitsgruppe hat Pfeifer gefunden

Der Aufsichtsrat hat daraufhin eine Arbeitsgruppe gebildet, die einen Nachfolger finden sollte. Das ideale Profil des Neuen liest sich wie eine Wunschliste, die selbst den Weihnachtsmann vor große Herausforderungen gestellt hätte: Hervorragende BWL-Kenntnisse sollte der Neue mitbringen, Erfahrung in der Führung von Fußballvereinen, Erfahrung im Vertrieb und in der Senkung von Kostenapparaten. Solch jemanden muss man erst mal finden, zumal als Drittligist.

+++ Sechs Jahre Marcus Uhlig: Das bleibt +++

Als dann Anfang Februar bekannt wurde, dass Pfeifer bei 1860 München freigestellt wurde, hat sich die Arbeitsgruppe über ihr Netzwerk schlau gemacht. Man gefiel sich.

Der Wunschkandidat sollte dem kompletten Aufsichtsrat am vergangenen Montag (26. Februar) um 18 Uhr vorgestellt werden – bis dahin wusste lediglich die Arbeitsgruppe Bescheid. Pfeifer überzeugte, bekam den Job, doch da war die Nachricht, dass der bisherige Vorstandsvorsitzende Uhlig und Finanzvorstand Sascha Peljhan aufhören, schon in der Öffentlichkeit, genau wie die Verpflichtung von Pfeifer – bevor der Verein reagieren konnte. WAZ und RevierSport berichteten exklusiv darüber.

Rot-Weiss Essen: Helf und Rang über Transparenz

Und schon setzte sich die geölte Maschinerie in Gang, und das passierte, was in solchen Fällen immer passiert in Bergeborbeck: Gerüchte kochten heiß, die ersten befürchteten den Untergang des Vereins. Gott schütze Rot-Weiss Essen! Nun, der Allwissende darf sich um anderes kümmern.

Der 27. Februar, also der Tag der offiziellen Verkündung des personellen Wechsels, sei von langer Hand geplant gewesen. Das sagt Alexander Rang, der Vertriebsvorstand, der mit Uhlig und Peljhan ein Trio gebildet hat – und bald ein Duo mit Pfeifer bilden wird.

„Als der Neue feststand, haben wir es schnellstmöglich kommuniziert. Der Prozess, dass zwei Vorstände aufhören und ein neuer gesucht wird, braucht viel Zeit, viele Personen sind involviert“, sagt Rang. Dass manch ein Fan kritisierte, der Verein habe den Medien die Deutungshoheit überlassen und die selbst auferlegte Transparenz vermissen lassen, bewertet er wie folgt: „Dass es so lange nicht herauskam, ist für mich eigentlich nur ein Zeichen, das der Verein und die Gremien intakt sind.“

André Helf sieht das ähnlich: „Bevor ich so etwas veröffentliche, brauche ich das Go des kompletten Aufsichtsrats, das ist doch logisch.“

Der neue starke Mann bei Rot-Weiss Essen: Marc-Nicolai Pfeifer.
Der neue starke Mann bei Rot-Weiss Essen: Marc-Nicolai Pfeifer. © dpa | Lukas Barth

Wann Pfeifer startet, steht noch nicht fest

Das „Go“ ist jetzt da, alles klar, alles offiziell, alle Mann sind bereit. Doch wann Pfeifer genau bei RWE starten wird, steht nicht fest. Spätestens am 1. Juli wird das der Fall sein. Aktuell hat er noch einen laufenden Vertrag beim Liga-Konkurrenten TSV 1860 – dort wurde er am 2. Februar von seinen Aufgaben entbunden.

Hört man sich in München um, erfährt man, dass er als Vollprofi in den Bereichen Finanzen und Sponsoring angesehen wird. Der gebürtige Ludwigsburger hat in der bayerischen Landeshauptstadt Betriebswirtschaftslehre studiert. „Das ist die Topadresse in Deutschland“, so Helf. Der 43-jährige Pfeifer hat vor seiner Zeit bei den Löwen für die Stuttgarter Kickers gearbeitet und war davor lange für die Sportartikelhersteller „Hummel“ und „Nike“ tätig.

Lesen Sie hier: Uhlig tritt ab - Pfeifer übernimmt bei Rot-Weiss Essen.

Natürlich gibt es über Pfeifer auch andere Meinungen, gerade nach einer komplizierten Aufgabe wie bei 1860 München – jeder gegen jeden, jordanischer Investor gegen den eingetragenen Verein, Blogs gegen Zeitungen. Beim TSV 1860 spielen sich seit Jahren Grabenkämpfe ab, bei denen das RWE der späten Nullerjahre nicht mal im Ansatz hätte mithalten können. Und wer vier Jahre als Löwe durchhält, das darf man auch mal feststellen, kommt gestählt nach Essen.

Hier wird Pfeifer ganz eng mit Alexander Rang zusammenarbeiten. Ob der seinen neuen Partner schon kennt? Allein der Aufsichtsrat um Helf entscheidet, wer im Vorstand sitzt. Rang war nicht in den Prozess involviert, er sagt aber: „Der Aufsichtsrat war im Umgang der Personalie sehr wertschätzend mir gegenüber. Ich habe Marc-Nicolai Pfeifer schon einmal beim DFB kennengelernt und ihn im Vorfeld auch getroffen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.“

Rot-Weiss Essens Pfeifer: „Ich freue mich!“

Der Neue tut das auch. „Ich freue mich sehr auf diese verantwortungsvolle Aufgabe, über das in mich gesetzte Vertrauen und auf die Wucht des Vereins und seines Umfelds“, wird Pfeifer in der offiziellen Vereinsmitteilung zitiert. „Ich bin davon überzeugt, dass Rot-Weiss Essen sehr gut zu meinen Überzeugungen und Werten passt.“

Dass dem neuen Duo bald ein Sportvorstand zur Seite gestellt wird, ist denkbar. Diese Möglichkeit hatten die RWE-Verantwortlichen bei der Außerordentlichen Jahreshauptversammlung im Herbst des vergangenen Jahres angerissen. „Irgendwann ist das ein Thema, aber eher perspektivisch“, erklärt Helf. „Marcus Steegmann und Christian Flüthmann machen mit dem Trainerteam einen super Job. Wir schauen jetzt erst mal, wie sich das entwickelt und wie es in der neuen Struktur anläuft.“

Die Themen sind zwischen Pfeifer und Rang klar verteilt. Während Rang die Ressorts Vertrieb, Marketing und Personal betreut, übernimmt Pfeifer den Vorsitz von Uhlig und die Finanzen von Peljhan. Der übrigens ist erst selbst im vergangenen Jahr im Vorstand eingestiegen und hat vor allem die Strukturen, das Rechnungswesen auf links gedreht – und stabilisiert.

Bald nur noch als Fan im Stadion an der Hafenstraße: Sascha Peljhan.
Bald nur noch als Fan im Stadion an der Hafenstraße: Sascha Peljhan. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

„Gemeinsam“, sagt Peljhan. „haben wir eine ganze Menge erreicht.“ Der passende Zeitpunkt sei gekommen, um sich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen und sich seinen eigenen unternehmerischen Tätigkeiten zu widmen. „Als Darlehensgeber, Sponsor und Fan“, beruhigt er, „werde ich dem Verein aber weiterhin erhalten bleiben.“

Seine Arbeit ist getan, das gilt auch für Marcus Uhlig – zumindest fast. Dass er bald aufhören wird und ein Nachfolger bereits in den Startlöchern steht, heißt nicht, dass er sich schon jetzt zurückzieht. „Marc-Nicolai wird von Marcus Uhlig eingearbeitet werden, da mache ich mir gar keine Sorgen“, sagt Helf. Noch ein Hinweis darauf, dass man in den Gremien wohl doch ganz passabel miteinander auskommt, wenn es darauf ankommt.