Essen-Bergerhausen. Nachdem der Verein „Aktion Mensch“ den Rückzug aus dem Vergabeverfahren verkündet hatte, könnte es doch noch eine positive Wende geben.

Nachdem die „Aktion Mensch“ gestern (21.8.) bekannt gegeben hatte, sich aus dem Vergabeverfahren um das Gelände der alten Kunstwerkerschule in Essen-Bergerhausen zurückziehen zu wollen, scheint jetzt wieder etwas Bewegung in die Sache zu kommen.

Die getroffene Entscheidung stehe weiterhin, die „Aktion Mensch“ verschließe sich aber nicht vor Gesprächen, wenn die Stadt auf sie zukommen sollte, erklärt Christina Marx, Sprecherin der „Aktion Mensch“. „Die Tür ist noch nicht komplett zu.“ Es sei angekündigt worden, dass Oberbürgermeister Thomas Kufen sich melden werde. Das sei, so Stadtsprecherin Silke Lenz, am Donnerstag (22.8.) in Form eines Briefes erfolgt, am Freitagmorgen habe es ein Telefonat gegeben. „Darin wurde vereinbart, dass, wenn das Projekt in Essen gewünscht sei, die ,Aktion Mensch‘ offen für Gespräche sei“, so Lenz.

Oberbürgermeister wünscht sich, dass beide Projekte im Rennen bleiben

Hintergrund ist, dass das Thema Kunstwerkerschule im nicht-öffentlichen Teil des Haupt- und Finanzausschusses zur Sprache kam, wie Stadtsprecherin Silke Lenz bestätigte. Die Verwaltung habe eine entsprechende Vergabevorlage vorgelegt, über die die Politik jetzt entscheiden müsse. „Es handelt sich ja um ein Vergabeverfahren, bei dem bestimmte Regeln berücksichtigt werden müssen, damit zum Beispiel nicht ein Angebot bevorzugt wird“, so Lenz.

Der Oberbürgermeister habe aber deutlich gemacht, dass er sich wünschen würde, dass weiterhin die beiden mit der gleichen Punktzahl bewerteten Vorschläge zu dem Gelände zur Auswahl stünden, wenn das Thema zur Entscheidung im Rat stehe, bestätigt die Stadtsprecherin.

Die „Aktion Mensch“ wollte an der brachliegenden Immobilie in der Nähe des Ruhrufers ein beispielgebendes Wohnquartier für Menschen mit und ohne Behinderung errichten. Diese Pläne hatten im Vorfeld viel Zuspruch von verschiedenen Seiten, auch aus der Politik, erhalten. Umso überraschender war die Ankündigung der Aktion Mensch gekommen, sich aus unternehmerischen Gründen zurückziehen zu wollen.

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Dabei hatte der Verein keinen Hehl daraus gemacht, dass man in der Vergangenheit Rückenwind seitens der Stadt vermisst habe. Die „Aktion Mensch“ hatte in das Vorzeigeprojekt in Ruhr-Nähe dem Vernehmen nach rund zwölf Millionen Euro investieren wollen.

Solllte es bei dem Rückzug aus dem Vergabefahren bleiben, bliebe nur das Projekt der Schlun Projektentwicklung GmbH im Rennen, womit die Politik keine echte Entscheidungsmöglichkeit mehr hätte. Diese plant auf dem gut 3300 Quadratmeter großen Areal 30 Wohneinheiten in acht Reihen- und drei Mehrfamilienhäusern.

Reaktionen auf die Ankündigung der „Aktion Mensch“, sich aus dem Projekt zurückziehen zu wollen, gibt es auch aus der Politik: Die Ratsfraktion Die Linke macht die „Hinhaltetaktik der Verwaltung“ und der schwarz-grünen Koalition dafür verantwortlich, dass die „Aktion Mensch“ ihre Wohnbaupläne für das Gelände der Kunstwerkerstraße aufgeben wolle. „Weil das inklusive Wohnprojekt nicht nach Kräften unterstützt worden ist, kommt womöglich das exklusive Projekt der Schlun Projektentwicklung GmbH zum Tragen“, heißt es in einer Stellungnahme.

Die Linke sieht jetzt den Oberbürgermeister in der Pflicht. Dazu die Fraktionsvorsitzende Heike Kretschmer: „Die Stadt sollte diese Riesenchance nicht vergeben, denn das Konzept der ,Aktion Mensch‘ hat Strahlkraft über Essen hinaus. Wir fordern den Oberbürgermeister auf, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen und die Verwaltung dazu zu bringen, mit der ,Aktion Mensch“ vernünftig zu kooperieren. Vielleicht findet sich doch noch eine Lösung.“

Linke und SPD hoffen auf eine Wiederaufnahme der Gespräche

Aus Sicht der linken Fraktion werden Projekte zum inklusiven Wohnen in Essen dringend gebraucht. Das Konzept der Aktion Mensch verbinde den Erhalt des Schulgebäudes mit gesellschaftlicher Teilhabe und klimaschonender Stadtentwicklung, heißt es in der Stellungnahme. Der Erhalt des Gebäudes passe zur Nachhaltigkeitsstrategie, denn Abriss und Neubau verbrauchen mehr CO2 als eine Sanierung. Zudem sei zu befürchten, dass jetzt der alte Baumbestand gefällt werde, weil Schlun eine Tiefgarage plane.

Wolfgang Freye, für Die Linke im Planungsausschuss, kann den Ärger der „Aktion Mensch“ über das Agieren der Verwaltung verstehen. Ärgerlich sei auch, dass die Verwaltung verhindert habe, dass die „Aktion Mensch“ das Dach auf eigene Kosten abdichtet, um eine weitere Verschlechterung der Bausubstanz zu verhindern. „Wir hoffen sehr, dass die Verwaltung das Ruder noch herumreißt. Denn sonst geht der Stadt Essen ein tolles Projekt mit überregionaler Strahlkraft verloren und den Menschen mit Behinderung ein tolles Angebot.“

Essener SPD-Ratsherr kritisiert die „Hinhaltetaktik“ in Sachen Kunstwerkerschule

Auch bei der SPD zeigt man sich angesichts der aktuellen Entwicklung irritiert. Philipp Rosenau, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und planungspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion: „Wir bedauern den Ausstieg der ,Aktion Mensch‘ aus dem Projekt Kunstwerkerschule zum jetzigen Zeitpunkt sehr. Eigentlich waren wir auf einem guten Weg, das Projekt noch vor der Sommerpause voranzubringen.“

Der Beschluss sei immer wieder verschoben worden. „Diese Hinhaltetaktik von CDU und Grünen konnte oder wollte die Aktion Mensch offenbar nicht länger mitmachen“, so Rosenau. Obwohl alle entscheidungsrelevanten Sachverhalte seit Langem bekannt seien, habe sich die Ratskoalition von CDU und Grünen nicht auf das städtebaulich deutlich stärkere und von sozialen Aspekten geprägte Konzept einigen können, so der SPD-Ratsherr.

Der Rückzug der „Aktion Mensch“ sei ein herber Rückschlag für die Stadtentwicklung in Essen. Das Modellprojekt hätte Vorbildcharakter für eine zukunftsfähige und soziale Quartiersentwicklung in Essen entfalten können. „Großer Verlierer der jetzigen Entscheidung sind besonders die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, die dringend auf genau solchen Wohnraum angewiesen sind“, erklärt SPD-Ratsfrau Julia Klewin. „Wir hoffen sehr, dass die Stadtspitze nun doch noch einmal die Gelegenheit ergreift und mit der ,Aktion Mensch‘ das Gespräch sucht, um eine Lösung im Sinne einer modernen, zukunftsorientierten und inklusiven Stadtplanung zu finden“, so Rosenau.

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