Essen-Bergerhausen. Die Politik soll in den nächsten Tagen über die Zukunft des Geländes in Essen-Bergerhausen entscheiden. Ob das Tauziehen ein Ende hat, ist offen.
Die Entscheidung über den Verkauf und damit die Zukunft des städtischen Grundstücks an der Kunstwerkerstraße 98 in Essen-Bergerhausen könnte in den kommenden Tagen fallen. Der Stadtplanungsausschuss will sich am Donnerstag, 20. Juni, im nicht öffentlichen Teil der Sitzung mit dem Thema beschäftigen und könnte die Weichen für die Ratssitzung am 26. Juni stellen. Ob es so kommt, ist aber fraglich.
Beide Bewerber um das ehemalige Schulgrundstück haben ihre Konzepte vorgestellt, die Pläne der „Aktion Mensch“ für inklusives Wohnen und der Schlun Baugruppe für ein konventionelles Bauprojekt liegen auf dem Tisch. In einem Offenen Brief wendet sich die „Aktion Mensch“ noch einmal an die Verantwortlichen bei der Stadt und in der Politik.
Zwei Konzepte liegen für das Gelände in Essen vor: Jetzt ist die Politik am Zug
Seit fast drei Jahren unterstütze man die Arbeit für das Projekt, das Inklusion mit Nachhaltigkeit verknüpfe. Das Bauvorhaben sei unter Berücksichtigung der Kriterien des sozialen Wohnungsbaus geplant worden. „Bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum zu schaffen, ist Kern unserer strategischen Ausrichtung. Natürlich stellen wir sicher, dass die entsprechenden Kriterien zur Förderfähigkeit im Rahmen des vorliegenden Projektes gemäß den Anforderungen der Ausschreibung umgesetzt werden“, betont Stefan Winking von der „Aktion Mensch“. Die „Aktion Mensch“ sei ein Investor, der sein Handeln an sozialen Zielen orientiere und nicht darauf ausgerichtet sei, Gewinne zu erhöhen.
Bei der Erstellung der Studie hätten die Beteiligten (Aktion Mensch, Emma + Wir, Arup, Wohnbund NRW und Futur2K) eng mit den Bürgern und Bürgerinnen aus der Nachbarschaft, mit Menschen mit Unterstützungsbedarf, verschiedenen Institutionen, zahlreichen Netzwerken, Fachverbänden und Selbsthilfegruppen zusammengearbeitet. Für die Refinanzierung habe ein lokal verwurzelter Sponsor als Partner geworben werden können.
Laut „Aktion Mensch“ haben sich schon mehrere Interessenten für das Projekt in Essen gemeldet
Es hätten sich bereits zahlreiche Interessierte mit Unterstützungsbedarf gemeldet und Initiativen, die für ihre Kinder das Areal der Kunstwerkerschule als Wohnort mit entwickeln möchten. Als Alternative zum Erhalt der Schule, die vom Hausschwamm befallen ist, möchte man die Fassade über Terrassen und Laubengänge mit den Neubauten verbinden. Die Finanzierbarkeit sei gewährleistet. „Die Mittel der Stiftung und des privaten Investors ermöglichen eine schnelle und sichere Umsetzung“, heißt es in dem Offenen Brief.
Bei der SPD hofft man, dass es jetzt tatsächlich zu einer Entscheidung kommt, „die Extrarunde hätte man sich sparen können, zumal die Probleme mit Schimmel und ähnlichem ja nicht besser werden“, sagt Ratsherr Philipp Rosenau, der für die Sozialdemokraten im Planungsausschuss sitzt. Er begrüße aber die umfangreiche Diskussion, bei der auch die Bürger mitgenommen worden seien. Es sei klar geworden, dass es nicht nur darauf ankomme, wer das meiste biete, sondern auch auf Lebensqualität. „Da handelt es sich bei dem Konzept der ,Aktion Mensch‘ um ein Vorzeigeprojekt und bei inklusiven Wohnen gibt es auf jeden Fall Aufholbedarf.“
SPD begrüßt die geplante Öffnung des Areals zum Stadtteil Essen-Bergerhausen hin
Das Konzept der „Aktion Mensch“ sei hochprofessionell und der Wille, Träume zu formulieren, habe nachhaltig beeindruckt, ebenso wie die Absicht, sich in den Stadtteil und im Quartier zu integrieren. Auch in Sachen ökologischer Fußabdruck punkte das Konzept der „Aktion Mensch“ gegenüber dem Konkurrenzentwurf.
Es gehe darum, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sodass man sicherstellen müsse, dass die Förderfähigkeit tatsächlich gegeben sei, sieht Rosenau nur noch einen Diskussionspunkt. Konkret wolle sich seine Fraktion im Vorfeld nicht äußern, da das Thema ja im nicht öffentlichen Teil der Sitzung beraten werde. Man habe aber bereits in der Vergangenheit gefordert, neue Wohnkonzepte und -formen zu stärken und Kriterien zu erstellen, wie man mit alter Bausubstanz umgehen wolle. „Das wird uns immer wieder beschäftigen, siehe Eyhof-Siedlung und Litterode“, sagt Rosenau.
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Die Ratsfraktion der Linken äußert sich konkreter. Sie habe sich in ihrer letzten Fraktionssitzung für das Projekt der „Aktion Mensch“ ausgesprochen. Wolfgang Freye, für die Linke im Planungsausschuss: „Uns fällt es schwer nachzuvollziehen, warum die Stadtverwaltung die beiden übrig gebliebenen Bewerber um das Grundstück gleich bewertet.“ Projekte zum inklusiven Wohnen würden dringend gebraucht in Essen. Bei diesem Projekt müsse der alte Baumbestand nicht gefällt werden. Das Projekt entspreche zudem der Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt.
Die Linke sieht eine Strahlkraft des Projekts über Essen hinaus
„Die Kunstwerkerschule darf nicht zulasten eines letztlich renditeorientierten Projektes geopfert werden“, so Freye. „Das Konzept der ,Aktion Mensch‘ verbindet den Erhalt des Schulgebäudes mit gesellschaftlicher Teilhabe und klimaschonender Stadtentwicklung. Außerdem hat es eine Strahlkraft über Essen hinaus, da es eins der ersten derartigen Projekte der ,Aktion Mensch‘ ist.“
Aus Sicht der CDU handelt es sich bei der alten Schule um ein ortsbildprägendes Gebäude. Daher sei die Fassadenerhaltung als Prämisse in die neue Ausschreibung eingeflossen. „Nun gilt es, sich umfassend mit den eingegangenen Konzepten zu befassen und eine politische Entscheidung zu treffen. Dies werden wir mit der notwendigen Gründlichkeit tun“, so CDU-Ratsherr Sven Köhler, ebenfalls Mitglied im Planungsausschuss. Zweifelsfrei brauche man in Essen weitere Wohnungen, Einfamilienhäuser und auch Raum für inklusives Wohnen in moderner und zeitgemäßer Umgebung. „Bis eine Entscheidung getroffen ist, wird sich die CDU-Fraktion nicht zu den Einzelheiten einer nicht-öffentlichen Verwaltungsvorlage äußern“, so Köhler weiter.
Auch die Wohngruppe Ruhrwoge meldet sich zu Wort
Nicht nur Vertreter der Politik bilden sich derzeit eine Meinung über die Konzepte. So betont die Wohngruppe Ruhrwoge (Wohnen in Gemeinschaft Ruhr GbR) die Vorteile des Konzepts und verweist ebenfalls auf die „Essener Nachhaltigkeitsstrategie“, die im September 2021 vom Rat verabschiedet wurde. Für das Projekt der „Aktion Mensch“ sprächen der Erhalt des alten Baumbestandes und der Bausubstanz.
„Dem grundlegend falschen Signal, das eine kurzfristig kapitalorientierte Entwicklung von exklusiven Residenzen aussenden würde, steht hier die Chance zu einem Aufbau langfristig wirksamer, vulnerable Personengruppen inkludierender Wohnformen gegenüber“, so Gerhard Litges für die Ende 2020 gegründete Ruhrwoge GbR, die sich für gemeinschaftliches Wohnen mehrerer Generationen nach dem Vorbild des Raumteiler-Projekts in Rellinghausen engagiert.
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