Essen/Mülheim. Die sogenannte „Bagatellgrenze“ für Mehrarbeit sorgt in der Polizei Essen für Unmut und Unverständnis. Gewerkschaft fordert mehr Wertschätzung.

Mehrarbeit ohne Ende, herausfordernde Lagen während der Fußball-Europameisterschaft und einer der größten Einsätze seit dem EU-Gipfel 1994 beim AfD-Bundesparteitag am kommenden Wochenende in Essen, während der Alltag auf den Straßen weiterhin Kräfte beansprucht: Der Überstundenberg der Polizei wächst aktuell zusehends, die Belastung der Beamtinnen und Beamten ist nahezu notorisch, was aber fehlt, ist die Wertschätzung, sagt Jörg Brackmann. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei für Essen und Mülheim hat vor diesem Hintergrund deutliche Kritik an Innenminister Herbert Reul geübt.

Der Unmut in der Belegschaft sei groß, das Unverständnis kaum kleiner, nachdem der oberste Dienstherr der Landespolizei nach einem Hinweis des Landesrechnungshofes eine Ausnahmeregel für geleistete Stunden auslaufen lassen und durch die sogenannte Bagatellgrenze ersetzt habe, ohne Alternativen zu prüfen, moniert die GdP. Was zur Folge hat: Monatlich bis zu fünf Stunden geleistete Mehrarbeit verfallen nun spurlos, wenn keine weiteren Überstunden in diesem Zeitraum geleistet wurden. Was im Umkehrschluss bedeutet: Wer zum Beispiel viereinhalb Stunden länger im Einsatz war, geht komplett leer aus. „Angesichts des AFD-Parteitags und der Fußball-EM, die die Polizei in unserer Region extrem fordern, ist es aber unerlässlich, dass jede geleistete Stunde gewürdigt und vergütet wird“, fordert Brackmann.

Stundenbuchungen manuell nacharbeiten

Diese beiden Einsätze seien dabei nur zwei Beispiele für „die ständige hohe Belastung unserer Polizei“. Sind die EM und der AfD-Parteitag mit mehreren tausend Polizistinnen und Polizisten wieder Geschichte, „kommen sicherlich wieder Castoren, Durchsuchungen im Clan-Milieu, Spontan-Auseinandersetzungen bei verschiedensten Veranstaltungen und andere Großeinsätze“, ahnt Brackmann: „Angesichts dieser ununterbrochenen Belastung ist es einfach unverschämt, geleistete Stunden verfallen zu lassen.“

Essens GdP-Vorsitzender Jörg Brackmann mahnt mehr Wertschätzung an und fordert die Abschaffung der Bagatellgrenze. 
Essens GdP-Vorsitzender Jörg Brackmann mahnt mehr Wertschätzung an und fordert die Abschaffung der Bagatellgrenze.  © Oliver Bellendir Photography

Der GdP-Vorsitzende fordert nach einer Ad hoc-Maßnahme des Innenministers eine auf Sicht zu praktizierende Regelung. Ein Blick nach Hessen zeigt, dass dies möglich sei und dort bereits erfolgreich umgesetzt werde, damit Stunden nicht verfallen. Innenminister Reul hingegen gebe lieber Erlasse heraus, die sicherstellen sollen, dass notfalls Stundenbuchungen manuell nachgearbeitet werden müssen, um sie rechtssicher zu machen, auch wenn das Erfassungssystem mal wieder hakt.

Gewerkschaft erwartet ein Zeichen der Unterstützung

„Von uns wird immer erwartet, dass wir auf Abruf einsatzbereit sind, auch wenn das bedeutet, dass wir bei Großereignissen nicht bei unseren Familien sein können. Das ist uns bei der Berufswahl bewusst und wird akzeptiert. Aber genauso selbstverständlich muss es sein, dass zumindest die geleisteten Überstunden ohne Wenn und Aber vergütet und nicht ersatzlos gestrichen werden. So funktioniert keine Wertschätzung“, warnt Brackmann vor einer zunehmend schlechten Stimmung.

Die GdP Kreisgruppe Essen/Mülheim erwarte von der Landesregierung und insbesondere von Innenminister Reul ein klares Zeichen der Unterstützung für die Polizei. „Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Beamtinnen und Beamten unter fairen Bedingungen arbeiten und sich voll und ganz auf ihre anspruchsvollen Aufgaben konzentrieren können. Der kommende Großeinsatz wird so oder so in die Geschichte der Polizei Essen eingehen,“ ist Brackmann sicher.

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