Essen-Kupferdreh. Ausstellung im Wohnhaus: Zwölf bildende Künstler sind zu Gast bei Karl-Heinz-Mauermann und widmen sich dem berühmten Fabelwesen „Phönix“.

Ein Privathaus an der Byfanger Straße in Kupferdreh. Hier lebt und arbeitet der Künstler Karl-Heinz Mauermann. Und in eben diesem Haus, aber auch im Hof und im Garten, im Anbau und sogar in der Garage des Nachbarn sind vom 16. bis 24. September die Arbeiten von insgesamt zwölf bildenden Künstlern zu sehen. Mauermann hat sie eingeladen, sich mit dem Thema „Phönix“ auseinanderzusetzen. Der Zugang zu diesem Thema ist äußerst vielfältig. Alle Kunstwerke eint, dass sie Aspekte des Phönix-Mythos von Tod und Auferstehung, Verbrennen und Bewahren sowie von stürzenden Engeln aufgreifen. Entstanden ist so die Ausstellung „Phönix – Eine Ausstellung zum Neuanfang“.

„Phönix“ in Kupferdreh

Die Ausstellung ist vom 16. bis 24. September im Wohnhaus von Karl-Heinz-Mauermann an der Byfanger Straße 91, täglich von 15 bis 19 Uhr zu sehen.Um möglichst große Gruppen Kunstinteressierter anzusprechen, findet die Eröffnung am Abend des ersten „Kunstspur“-Tages am 16. September ab 18 Uhr statt.Zur Eröffnung werden unter anderem die beiden Musiker Kinkg Bürger und „Very Old Mac Donald, wo never had a farm“ das Programm „Kentucky Fried Fenix“ spielen.Matthis Schamp zeigt am Eröffnungstag zudem eine Schornsteinperformance, und Gilbert Geister malt mit einer Drohne Bilder aus der Luft.

Viele der gezeigten Arbeiten sind in den vergangenen Wochen – teilweise direkt vor Ort – speziell für die Ausstellung angefertigt worden. Das Spektrum reicht von VA Wölfls Fotografien über klassische Bilder Günter Sponheurs und Agii Gosses bis zu Buchobjekten von Christiane Rath und Christian Gnass. Katja Struif und Mauermann selbst zeigen Videoarbeiten. Die Ausstellung changiert zwischen Alltagskultur und Kunst: Beide stehen unkommentiert nebeneinander, die Grenzen verschwimmen. Damit knüpft Mauermann an ein Ausstellungskonzept an, nach dem er schon früher seine Lebensorte bespielt hat. Eines der prominentesten Events darunter war etwa die Ausstellung „Hoch lebe das edle Handwerk der Schlächter!“ in einer ehemaligen Metzgerei im Essener Norden.

Bilder mit Kohle und Graphit an der Wand

Nun hat er sein neues Domizil – das ursprünglich ein Bauernhof war und überraschenderweise zwischenzeitlich auch einmal als Metzgerei diente – ebenfalls als Ausstellungsort entdeckt. Ein Ort, von dem sich die eingeladenen Künstler inspirieren lassen. So entsteht beispielsweise an einer Mauer des so genannten „Garden Room“, einem kleinen Anbau, ein Bild von Christian Paulsen. Paulsen arbeitet mit schwarzer Kohle und silbergrauem Graphit, nutzt das Papier als eine Art Membran, durch die er die Struktur der Wand „durchpaust“ – eine Frottage genannte Technik, die manch einer sicherlich in der eigenen Kindheit bereits umgesetzt hat, wenn auch nicht wie Paulsen beidhändig und im XL-Format.

Christian Paulsen präsentiert eines seiner Werke, die durch Frottage entstehen.
Christian Paulsen präsentiert eines seiner Werke, die durch Frottage entstehen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Teil der Ausstellung wird aber nicht einfach ein Abbild einer Wand, sondern ein Kunstwerk, „bei denen die eigene Handschrift, die eigene Befindlichkeit, der eigene Ausdruck und die eigene Dynamik in die Arbeit eingreifen und eigene Spuren hinterlassen“, so der Künstler selbst. Das verwendete Papier ist 1,50 mal 2,50 Meter groß, das Werk entsteht vor Ort und soll dann auch auf der Außenwand zu sehen sein. Bleibt zu hoffen, dass es während der Präsentation nicht regnet. Paulsen: „Und wenn doch, dann ist das eben Bestandteil des Kunstwerks: neue temporäre Kunst.“

„Grabtuch von Mallorca“ auf einem Liegestuhl

Von eben jener Wand fällt der Blick der Besucher im Innenhof fast automatisch auf einen Liegestuhl mit einer darauf platzierten Decke. Er erinnert weniger an Kunst als vielmehr an den Kampf deutscher und britischer Touristen um den besten Platz am Pool. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Auflage als Kopie des Turiner Grabtuches. Dabei handelt es sich um eine Skulptur von Johannes Gramm mit dem Titel „Grabtuch von Mallorca“ – also doch irgendwie ein Urlaubsmotiv. „Das Turiner Grabtuch hat mich schon immer fasziniert“, erklärt Gramm, „auch weil mittlerweile bewiesen ist, dass es sich um eine Fälschung handelt und es dennoch, quasi aus Trotz, von vielen Gläubigen weiter verehrt wird.“

Ob Johannes Gramms „Grabtuch von Mallorca“ im Garten oder in der Garage präsentiert wird, wird wohl auch vom Wetter abhängen.
Ob Johannes Gramms „Grabtuch von Mallorca“ im Garten oder in der Garage präsentiert wird, wird wohl auch vom Wetter abhängen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Eine Theorie besagt, das Abbild Jesu sei durch die starke Hitzeentwicklung bei der Regeneration des Körpers entstanden. Gramm: „Deshalb passt es so gut zum Phönix, der verbrennt und aus der Asche wieder aufsteigt.“ Mauermann erinnert sich, Gramm sofort im Kopf gehabt zu haben bei der Überlegung, welche Künstler er einladen wollte. „Bei Johannes war mir nur klar, dass es viele tolle Arbeiten von ihm gibt. Was er dann aber zum Thema Phönix macht, habe ich ganz ihm überlassen.“

Neuer Essener Verein will Ausstellungen konzipieren

Für Überraschendes ist auch der Vortragskünstler Erich Füllgrabe immer gut. Als fiktiver Wissenschaftler nähert er sich dem der Ausstellung thematisch zugrundeliegenden Mythos durch die Entwicklung eines „Phönix-Brutreaktors“, in dem der legendäre Vogel ausgebrütet wird. Oder doch verbrannt? Schnell wird deutlich, dass bei einer Spannung von 0,012 Volt so gar nichts verbrennen kann, und wenn man noch so lange wartet. „In der modernen Küche“, so Füllgrabe, „spricht man dabei, so glaube ich, vom Sous-vide-Garen“. Neben dem Staunen ist bei Füllgrabe immer eine kritisch-ironische Sicht an den doch sehr verbreiteten Glauben an die Allwissenheit der Wissenschaften mit dabei, gepaart mit viel Humor und dem Spaß an einem sehr spielerischen Umgang mit den Dingen. Denn seine Kunst besteht vor allem in den pseudo-wissenschaftlichen Erklärungen, die aus der Installation ein – der Künstler möge verzeihen – abgedrehtes aber extrem unterhaltsames Werk macht, das die Spannbreite der in Kupferdreh gezeigten Kunst nur erweitert.

Der „Phönix-Brutreaktor“ von Erich Füllgrabe steht nicht für sich, sondern geht immer mit einem Vortrag des Künstlers einher.
Der „Phönix-Brutreaktor“ von Erich Füllgrabe steht nicht für sich, sondern geht immer mit einem Vortrag des Künstlers einher. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Werke wie diese werden sich im Rahmen der Ausstellung durch die gesamten Gebäude und das ganze Grundstück ziehen. „Es ist der Neubeginn einer Ausstellungsserie in einer Zeit, in der nach Krisenjahren, die durch Corona und den Kriegsausbruch in der Ukraine geprägt waren, vielfach von Veränderungen in der Kunst- und Kulturszene gesprochen wurde“, sagt Mauermann. Besucher hätten ihr Verhalten geändert und weniger Kulturangebote in Anspruch genommen. Veranstalter versuchten nun, durch neue Angebote wieder Interesse an Kultur zu wecken.

Auch Mauermann: Die „Phönix“-Ausstellung ist das erste Projekt des neu gegründeten Vereins „EnzymKultur“, dem weitere folgen sollen. „Kulturelles Leben wird von manchen in Krisenzeiten als Luxus empfunden, als überflüssig angesehen. Die aktuelle Ausstellung zeigt: Kunst steigt in Krisen und nach Krisen wieder auf – so wie Phönix aus der Asche.“