Essen-Stoppenberg. Das Runde muss ins Eckige? Auf der Kokerei Zollverein in Essen dreht man das Konzept um – und stellt das Eckige ins Runde. Eine Zukunftsvision.

Er wirkt im beeindruckenden Rund des Gasometers auf der Kokerei Zollverein eher unscheinbar – und doch symbolisiert er die Zukunft des Bauens: Ein quaderförmiger Modulraum mit großen bodentiefen Fenstern hat hier mitten im grünen Klassenzimmer von „Ackerhelden machen Schule“ eine Heimat gefunden. Die Wände teilweise geriffelt, teilweise eben und in einer Optik, angesichts derer sich so mancher fragen könnte, wieviel Wein die Erbauer getrunken haben mögen, um all die Korken zusammenzubekommen. Tatsächlich aber wurde hier auf 22 Quadratmetern nicht nur Kork verbaut, sondern auch Holz, Lehm und aufbereitete Bauabfälle.

Modul zeigt Möglichkeiten des klimaschonenden Bauens auf

Es handele sich um ein Modell, anhand dessen nachhaltiges und klimaschonendes Bauen vorgestellt werden soll, erklärt Bastian Michael von der Futur2K GmbH bei der Präsentation. Gemeinsam entwickelt mit der Arup Deutschland GmbH sei das Modul ein Probe-Baustein für ein wiederverwendbares Gebäudesystem, das einen Beitrag zum kreislaufbasierten Bauen leiste. Michael: „Dadurch unterbrechen wir dieses lineare Muster von Bauen – Abreißen – Bauen – Abreißen, bei dem extrem viele Ressourcen verloren gehen und Energie vergeudet wird.“ Von Kosten ganz zu schweigen.

Präsentierten im Gasometer auf der Kokerei Zollverein den Modulraum (v.l.): Tobias Paulert (Ackerhelden), Bastian Michael (Futur2K GmbH), Prof. Dr. Hans-Peter Noll (Stiftung Zollverein), Lukas Reinhard (Futur2K), Dr. Stephan Muschick (E.ON Stiftung) und Lena Raizberg (Arup Deutschland).
Präsentierten im Gasometer auf der Kokerei Zollverein den Modulraum (v.l.): Tobias Paulert (Ackerhelden), Bastian Michael (Futur2K GmbH), Prof. Dr. Hans-Peter Noll (Stiftung Zollverein), Lukas Reinhard (Futur2K), Dr. Stephan Muschick (E.ON Stiftung) und Lena Raizberg (Arup Deutschland). © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Damit könnten also Gebäude entworfen und gebaut werden, die sich den Platzbedürfnissen seiner Nutzerinnen und Nutzer anpassen und je nach Bedarf wachsen und schrumpfen. Man könne sich das wie ein Lego-Set vorstellen: „Der Prototyp, den wir hier im Gasometer sehen, ist quasi der Baustein Nummer eins, und was die Statik angeht, kann er bis in die fünfte Etage gestapelt werden.“ In der Breite wiederum seien dem Ganzen überhaupt keine Grenzen gesetzt. Somit soll das Modulhaus über viele Jahre hinweg flexibel einsetzbar sein, und es bindet zudem mehr Kohlenstoff als im gesamten Produktionsprozess ausgestoßen wird. Michael: „Mit unserer Gebäudesystemlösung zeigen wir einen konkreten Pfad auf, wie CO2-Emissionen und Abfallaufkommen massiv reduziert und zugleich hochgradig attraktiver Arbeitsraum geschaffen werden kann.“

Modulraum stand bis vor kurzem nach am Berliner Platz in Essen

Es sehe so schlicht und einfach aus, gibt Lena Raizberg, Leiterin Architektur der Arup Deutschland GmbH, zu, „da steckt aber viel Know-how dahinter. Diese Gebäude leben mehrere Leben. Sie sind multifunktional nutzbar, konfigurierbar, optimiert für menschliche Gesundheit und Wohlbefinden, transportierbar und recycelbar“.

Blick von drinnen nach draußen: Das nachhaltige Modul soll auch als Tagungsraum genutzt werden.
Blick von drinnen nach draußen: Das nachhaltige Modul soll auch als Tagungsraum genutzt werden. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Dass sie tatsächlich transportiert und an anderer Stelle wieder verwendet werden können, zeigt schon die Tatsache, dass dieses Modul bis vor einigen Monaten noch auf dem Kreisverkehr am Berliner Platz als Teil der Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen des Museums Folkwang stand. Die E.ON Stiftung hatte das Projekt im Rahmen eines Wettbewerbs für zukunftsfähige Stadtprojekte ausgezeichnet und fördert nun auch die Nutzung des Moduls auf Zollverein.

E.ON Stiftung sucht nach Lösungen für die Stadt der Zukunft

„Vor zwei Jahren haben wir mit den Planungen unseres Projekts ,Lösung – Stadt – Vision‘ begonnen und sind auf die Suche nach Ideen für die Stadt der Zukunft gegangen“, erklärt Dr. Stephan Muschick, Geschäftsführer der E.ON Stiftung. „Wir haben uns gefragt: Wie kann Nachhaltigkeit beim Bauen funktionieren? Und nun freuen wir uns, mit dem Team Adaptives Bauen eine Initiative gefunden zu haben, die wie kaum eine andere für diese Vision steht.“ In diesem Projekt hätten mehrere Partner „uneitel und unbürokratisch“ zusammengearbeitet. „Es gibt also im Ruhrgebiet Menschen, die sagen: Jetzt wollen wir mal loslegen.“

Neuer Tagungsraum

Interessierte Unternehmen und Organisationen, die den zukunftsfähigen Raum ausprobieren, Veranstaltungen durchführen oder den Gasometer als Ort der Nachhaltigkeit kennenlernen möchten, können Kontakt mit dem Immobilienmanagement der Stiftung Zollverein per E-Mail aufnehmen: simon.bellenbaum@zollverein.de.

Durch die Förderung gebe man nun der Allgemeinheit die Möglichkeit, den Raum zu nutzen und sich inspirieren zu lassen, wie das Bauen von morgen aussehen könnte. Denn das Modul auf der Kokerei Zollverein kann von Unternehmen oder Organisationen beispielsweise als Tagungsraum genutzt werden. Der Vorteil: Im Inneren des Gebäudes ist es auch bei hohen Außentemperaturen angenehm kühl. „Wir waren am Unesco-Welterbetag mit einer Gruppe hier“, erzählt Prof. Dr. Hans-Peter Noll, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zollverein. „Es war an dem Tag sehr heiß, über 30 Grad. Als wir da reingegangen sind, haben wir gestaunt und haben gesagt: Mein lieber Mann, es funktioniert.“

Immerhin habe sich das Welterbe Zollverein eine Nachhaltigkeitsagenda gegeben. Noll: „Zollverein war schon immer ein Ort des Wandels. Mit den ,Ackerhelden‘ im Gasometer haben wir bereits ein hervorragendes Beispiel dafür, wie wir nachhaltige Projekte auf dem Standort umsetzen können. Nun veranschaulicht der ausgezeichnete Modulraum zusätzlich die Chancen von zirkulärer Wertschöpfung.“