Essen-Katernberg. Was in einem interkulturellen Frauentreff in Essen-Katernberg passiert. Warum Männer draußen bleiben und deutsche Teilnehmerinnen gefragt sind.
Im April ging der interkulturelle Frauentreff des Bochumer Vereins „Plan B Ruhr“ am Meybuschhof an den Start – und hat über sein Angebot offenbar eine wichtige Lücke in Katernberg und im Bezirk Zollverein geschlossen. Der Treff ist mittlerweile feste Anlaufstelle für rund 30 bis 40 Frauen, die hier vor allem eines finden: einen Ort, an dem sie und ihre Probleme ernst genommen werden.
Ein kleines Schild neben dem Hauseingang am Meybuschhof 45 ist der einzige Hinweis auf das Angebot von „Plan B Ruhr“ im hinteren Teil des Hauses. Um 11 Uhr an diesem Morgen geht die Türklingel eine ganze Weile beinahe im Minutentakt. Gäste erwartet in der kleinen Wohnküche ein buntes Durcheinander aus Frauen, die gerade ankommen oder schon wieder gehen, aus spielenden Kleinkindern, schlafenden Babys und ernst blickenden Teenagern. Aktenordner und Formulare werden über den Tisch gereicht und gemeinsam diskutiert, Zettel mit Deutschübungen ausgeteilt, in einer Ecke lachen zwei Frauen über ihre Handyfotos. Und über allem: deutsche, englische, französische und nigerianische Wortfetzen.
Geschützter Ort für Frauen in Essen-Katernberg
Einen „geschützten Ort für Frauen unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft und Kultur“, so Projektleiterin Anita Germaine Nga, möchte „Plan B Ruhr“ in dem unscheinbaren Wohnhaus unweit der lauten Katernberger Straße anbieten – und dieser Vorsatz scheint aufzugehen. Es wird viel gelacht an diesem Vormittag, viel erzählt. „Ein Angebot in dieser Form – immer wochentags und zu festen Zeiten von 9 bis 13 Uhr – hat im Stadtteil bislang gefehlt“, sagt Nga.
Dass der interkulturelle Frauentreff in so kurzer Zeit bereits so gut angenommen wurde, habe man einerseits der fleißigen „Mund-zu-Mund-Propaganda“ der Frauen zu verdanken. Und andererseits der intensiven Netzwerkarbeit mit anderen Organisationen im Stadtteil, etwa dem Bildungswerk und der Diakonie, die ebenfalls am Meybuschhof vertreten sind. „Hier ist eine Art soziales Haus entstanden, von dem alle profitieren“, fasst Pinar Aktürk, Essener Koordinatorin für die Bereiche Migration und Integration bei „Plan B Ruhr“, zusammen.
Suche nach einem Job, einer Wohnung, einem Kitaplatz
Und auch wenn das Team vor Ort vor allem beratend und unterstützend tätig ist, beispielsweise in Sachen Job-, Wohnungs- oder Kitasuche, so gehe es in dem Projekt doch insbesondere um eines: um das Ankommen im Stadtteil. Aktürk: „Viele der Frauen haben in Flüchtlings- und Übergangswohnheimen gelebt. Und die Mitarbeiter dort sind nach wie vor ihre Ansprechpartner, weil sie nicht wissen, wo sie sonst hin sollen. Sie sind in Essen, sind im Stadtteil noch nicht wirklich vernetzt, sie sind es nicht über ihre eigene kleine Gemeinschaft hinaus. Wir richten unser Angebot daher flexibel an ihren Bedürfnissen aus.“
Heißt: Die Tür bleibt verschlossen, Männer haben in der Regel keinen Zutritt, angesprochen werden kann alles, was die Frauen beschäftigt – auch prekäre Lebens- und Familiensituationen. Diskriminierungserfahrungen indes, sagt Nga, seien eher selten ein Thema: „Viele dieser Frauen sind schon so lange unterwegs und haben so viel erlebt und mitgemacht, Diskriminierung trifft sie nicht mehr wirklich, habe ich das Gefühl.“
Dafür erweist sich vieles andere als überfordernd. Mittwochs bietet das Kommunale Integrationsmanagement (KIM) der Stadt deshalb mittlerweile eine feste Beratung für „Frauen mit multiplen Benachteiligungserfahrungen“ an; nachmittags, wenn der Treff eigentlich geschlossen hat, ist nach Terminvereinbarung auch mal Zeit für längere Einzelgespräche, für kompliziertere Antragsverfahren oder dickere Formularpakete.
In der Einrichtung in Essen-Katernberg sind alle Frauen willkommen
Offen ist der Treff für alle Frauen unabhängig von ethnischer, sozialer oder kultureller Herkunft. Der Flyer zum Angebot ist in Deutsch, Französisch, Englisch, Ukrainisch, Persisch und Spanisch verfasst. Bislang kommen vor allem Frauen aus Nigeria und Syrien. Und es sind vor allem die Frauen selbst, die Neuankömmlinge in der eigenen Gruppe begrüßen. Neuankömmlinge, die von „Madame Anita“ und ihrem offenen Treff gehört haben. Nicht alle von ihnen wollen aufs Foto für den Artikel, die meisten wollen ihren Namen lieber nicht angeben.
Interkultureller Frauentreff
Interkultureller Frauentreff, Meybuschhof 45, 0201 61448927, Öffnungszeiten: montags bis freitags 9 bis 13 Uhr.Der Verein „Plan B Ruhr“ wurde 2011 gegründet und ist mit vielen Angeboten in Essen im Bereich Kinder-, Jugend-, Frauen- und Familienhilfe aktiv, etwa mit interkulturellen ambulanten Erziehungshilfen.Neben drei Wohngruppen und einer Inobhutnahmegruppe für Jugendliche bietet „Plan B“ darüber hinaus Beratungen im Bereich Migration und Integration im „Zentrum der Vielfalt“ in Essen-Kray an. www.planb-ruhr.de/
Aber alle stimmen in einem Punkt überein: „Wir werden hier ernstgenommen, man nimmt sich Zeit für uns und hört uns zu. Und vor allem sind wir hier alle gleich.“ Auch „Madame Anita“, die „Chefin“, die trotz dieser Position am Tag der offenen Tür mit allen getanzt hat, die immer mit allen lacht. „Es hat mich sehr viel Mut gekostet, herzukommen“, erzählt eine der Frauen, „aber jetzt bin ich glücklich, dass ich es gemacht habe. Hier kann man mal einen Moment ausruhen; es ist hier wie eine Art Heimat“.
Eine volle Stelle und eine Aushilfe werden derzeit von der Stabsstelle Integration der Stadt Essen gefördert. Vorerst bis Dezember dieses Jahres. „Aber wir setzen natürlich alles daran, dass es auch danach weitergeht“, sagt Aktürk. Sie hofft, dass vor allem die Unterstützung durch Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler noch weiter ausgebaut werden kann, gerade, was die Sprachkurse angeht.
Mehr deutsche Teilnehmerinnen wären wünschenswert
An diesem Vormittag übernimmt Muskan Multani diesen Job. Die junge Frau ist vor vier Jahren aus Indien gekommen, spricht mittlerweile fließend Deutsch und hilft zwei Mal die Woche bei „Plan B Ruhr“ aus: „Ich habe selbst erfahren, wie schwierig es ist, eine fremde Sprache zu lernen. Deshalb möchte ich jetzt anderen dabei helfen. Viele der Frauen können allerdings nicht richtig lesen, das heißt, die Sprachvermittlung klappt nur auf mündlicher Ebene.“ Mehr deutsche Teilnehmerinnen, davon ist Aktürk überzeugt, täten dem Projekt daher sehr gut: „Da gibt es sicherlich eine Hemmschwelle. Aber wenn die erst einmal überwunden ist, könnte das eine tolle Erfahrung für alle sein.“