Essen. Im satirischen Video zeigt Mehrdad Mostofizadeh wie Wohnungseigentümer reagieren, wenn der potenzielle Mieter einen ausländischen Namen hat.
Mehrdad Mostofizadeh ist Essener, Grünen-Politiker, Landtagsabgeordneter und war auch schon mal OB-Kandidat. Außerdem hat er in seinen bald 54 Lebensjahren Fachwissen gewonnen, auf das er gern verzichten würde: Er kennt sich bestens aus mit Alltagsrassismus, weil er den regelmäßig erlebt hat. In diesen Tagen liefert er mit einem Videoclip einen ungewöhnlichen Debattenbeitrag: Mostofizadeh spielt darin einen Wohnungssuchenden – und eine Vermieterin, die vermeintlich harmlose Fragen stellt.
Grünen-Politiker wird immer wieder gefragt, woher er „eigentlich“ komme
Erst möchte sie von Mostofizadeh wissen, wie man seinen Namen ausspricht, dann wo er herkommt, als er „aus Essen“ antwortet, wo er denn „eigentlich herkomme“. Geduldig verrät der Befragte, dass er in Bad Gandersheim geboren wurde, kann damit aber nicht verhindern, dass sich der Dialog weiter in Richtung Inquisition entwickelt. Erst als er sagt, dass sein Vater aus dem Iran stamme, ist die Neugier der Vermieterin befriedigt und die nächste Frage formuliert: „Können Sie sich die Wohnung denn leisten?“
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Wer Müller, Meier, Schmitz heißt, mag den zweieinhalbminütigen Spot mit Mostofizadeh in beiden Hauptrollen für amüsant bis überspitzt halten. Wer einen Namen trägt, „der nicht typisch deutsch klingt“, sei mit den Fragen dagegen vertraut und empfinde sie als ausgrenzend, betont der Politiker am Ende des Videos: „Diese und ähnliche Situationen erleben wir immer wieder. Sei es am Arbeitsplatz, sei es in der Ausbildung, in der Schule und ganz besonders leider auch bei der Wohnungssuche.“
Das Ressentiment werde zu folgenschwerem Rassismus, wenn Müller, Meier, Schmitz stets den Zuschlag für eine Wohnung bekommen. So habe das „durchaus lustige Video“ einen ernsten Hintergrund, zeige „die Schwierigkeiten der Wohnungssuche mit ausländischen Nachnamen“, sagt Mostofizadeh, der Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion ist. Als Rassismus-Experte wider Willen hatte er das Grundsetting für den Clip rasch notiert, etwa eine Dreiviertelstunde habe man fürs Drehen gebraucht. Die Fraktionsspitze gab das Okay und so wurde das Video anlässlich der „Internationalen Woche gegen Rassismus“ auf Instagram veröffentlicht.
Mostofizadeh erzählt, dass er sehr viele positive Rückmeldungen erhalten habe und sich freue, eine Plattform für einen Austausch mit Betroffenen zu liefern. Der Vater von drei erwachsenen Kindern wohnt in Essen inzwischen in Eigentum und sagt: „Wer viel Geld hat, kann immer eine Wohnung bekommen.“ Auf dem angespannten Wohnungsmarkt könne ein nicht so vertrauter Name indes der spielentscheidende Nachteil sein, wenn es um eine Zwei- bis Dreizimmer-Wohnung im mittleren Preissegment gehe.
Wohnungssuchende mit türkischen und arabischen Namen kassieren oft Absagen
Das hätten seine Eltern schon vor Jahrzehnten in Berlin erlebt, das sei für viele Menschen bis heute bittere Realität. „Doch die Community wird selbstbewusster, nimmt das nicht mehr einfach hin.“ Es sei schon okay, zu fragen, wie man seinen Namen ausspreche, stellt Mostofizadeh klar, unerträglich sei die Ignoranz gegenüber einem großen Teil der Bevölkerung: „Obwohl jede und jeder Dritte in NRW einen Migrationshintergrund und noch viel mehr einen ungewöhnlichen Namen haben, werden Menschen vor allem bei der Wohnungssuche immer wieder diskriminiert.“
Das sei nicht bloß eine gefühlte Wahrheit, sondern durch Studien belegt. So verschickten Bayerischer Rundfunk und „Spiegel“ vor einigen Jahren 20.000 Wohnungsanfragen mit diversen Absendern – die meisten Absagen kassierten Wohnungssuchende mit türkischen oder arabischen Namen.
Beim Eigentümerverein „Haus & Grund“ (HUG) in Essen kann man das Phänomen nicht bestätigen: Er könne natürlich nicht garantieren, dass es bei den rund 10.000 Mitgliedern gar keine verborgenen Vorbehalte gebe, sagt Geschäftsführer Andreas Noje. Doch in der Beratung der Privatvermieter spiele das Thema praktisch keine Rolle. „Und wir sehen viele Mietverträge: Da finden sich häufig Namen, die nicht ,typisch deutsch’ sind.“ Im Übrigen hätten etwa 20 Prozent der Essener HUG-Mitglieder selbst einen Migrationshintergrund, besonders häufig seien Vermieter mit türkischen Wurzeln.
Eigentümerverband stellt klar, dass Diskriminierung rechtswidrig ist
Grundsätzlich rate man den Vermietern, auf die Zahlungsfähigkeit der Mieter zu achten und eine Schufa-Auskunft zu verlangen, so Noje. Auch stelle man klar, dass die ethnische Herkunft bei der Vermietung keine Rolle spielen dürfe: „Wir weisen auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hin.“ Auf Nojes Nachfrage habe sich nur ein Berater an einen Vermieter erinnert, der wegen eines Namens Vorurteile hatte. Man habe ihm erklärt, dass eine Diskriminierung rechtswidrig ist.
Wie die Gesprächsführung bei Vermietern aussieht, die sich gar nicht erst beraten lassen, wissen allerdings nur die Betroffenen. Beschwerden dazu gibt es offenbar selten. So sagt eine Angestellte der Mietergemeinschaft Essen e. V. „Wir haben eher das generelle Problem, dass unsere Mitglieder auf dem engen Wohnungsmarkt nichts Neues finden, selbst wenn sie zum Beispiel schnell aus einer von Schimmel befallenen Wohnung rauswollen.“ In dieser Lage sei es aber gut möglich, dass Mieter mit ausländischen Namen oder Nationalitäten größere Probleme hätten. „So richtig deutlich sagen die Leute das aber nicht.“
Manche Fragen sind kein Small Talk – sondern verbale Ausgrenzung
Das mag auch daran liegen, dass eine offensichtliche Benachteiligung sich nicht immer nachweisen lässt. Doch die Botschaft sei klar, findet etwa ein Enddreißiger, der immer wieder nach seinem bosnischen Nachnamen gefragt wird. „Wenn ich sage, dass ich im Ruhrgebiet geboren wurde, wird nachgehakt: ,Aber woher kommst Du in echt?’“ Bei der Wohnungssuche oder anderen Anfragen verwende seine Familie immer den Namen seiner Frau; handfeste Nachteile ließen sich so vermeiden. Doch die hartnäckigen Fragen nach seiner Herkunft erlebe er auch auf privaten Partys oder am akademisch geprägten Arbeitsplatz in Essen: „Das ist eine Form der Ausgrenzung, das heißt: ,Du gehörst nicht dazu.’“