Essen. Die Stadt Essen kann die Nachfrage nach Gewerbeflächen auch auf lange Sicht nicht befriedigen. So ist es um das Angebot bestellt.
Der Geschäftsführer der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft (EWG), Andre Boschem, hat sich einem Appell kommunaler Wirtschaftsförderer aus dem Ruhrgebiet an die Landesregierung angeschlossen: „Wichtig ist, dass die Fördertöpfe gefüllt werden, damit wir in die Lage versetzt werden, neue Gewerbeflächen zu aktivieren“, sagte Boschem im Gespräch mit der Redaktion.
Anlass für den Appell ist der große Mangel an Gewerbeflächen – und Kritik vonseiten der Business Metropole Ruhr (BMR). Die regionale Wirtschaftsförderungsgesellschaft für das Ruhrgebiet war in einer Studie in mehreren Revierstädten zu dem Ergebnis gekommen, dass 15 Prozent der Flächen bestehender Gewerbegebiete für die Ansiedlung von Unternehmen genutzt werden könnten, wenn dieses Potenzial genutzt würde. Eine Verdichtung bestehender Gewerbegebiete könne die Flächennot im Ruhrgebiet nicht lindern, hielten kommunale Wirtschaftsförderer der BMR entgegen.
Kurzfristig stehen 33 Hektar für Gewerbeansiedlungen zur Verfügung
Auch in Essen kann das Angebot an Gewerbeflächen die Nachfrage bei weitem nicht decken. „Wir bekommen jedes Jahr Anfragen für mehr als 200 Hektar quer durch alle Branchen“, berichtet Andre Boschem. Dem entgegen stünden jedoch nur 98 Hektar zur Verfügung.
Die nackte Zahl täuscht darüber hinweg, dass laut EWG davon nur 33 Hektar kurzfristig also innerhalb von zwei Jahren genutzt werden könnten. Diese verteilen sich zudem auf 32 Einzelflächen im Stadtgebiet. Nur elf Hektar seien frei von Restriktionen wie industriellen Altlasten, betont Boschem.
Welche große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage klafft, verdeutlicht die Bilanz der Grundstücksvermarktung für 2021: Essens Wirtschaftsförderer konnten elf Gewerbeflächen mit einer Größe von insgesamt 5,1 Hektar an Handwerksbetriebe, Dienstleister und produzierendes Gewerbe verkaufen. Dem gegenüber standen laut EWG 120 Anfragen für Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 231 Hektar.
Bei der Nachfrage nach Büroflächen verzeichnen Essens Wirtschaftsförderer eine Delle
„Wir profitieren von der Lage im Zentrum des Ruhrgebiets“, sagt Boschem und berichtet von einem wachsenden Interesse für Ansiedlungen insbesondere aus dem Mittelstand. Lediglich bei der Nachfrage nach Büroflächen verzeichneten die Wirtschaftsförderer in den vergangenen Jahren eine Delle. Zurückzuführen sei diese auf die Corona-Krise und damit verbundenen Unsicherheiten durch den wachsenden Anteil an Homeoffice.
Die sonst anhaltend hohe Nachfrage nach Gewerbeflächen wird Essen auch auf Sicht nicht decken können. Die EWG geht von einem Bedarf bis 2031 von 250 Hektar aus. Erschließen ließen sich knapp 100 Hektar, davon mittelfristig innerhalb der kommenden fünf Jahre 40 Hektar auf neun verschiedenen Flächen sowie langfristig weitere 25 Hektar auf drei weiteren Flächen.
Große Hoffnungen setzt man aufseiten der Essener Wirtschaftsförderung vor allem auf die Entwicklung der ehemaligen Bergbauflächen Emil Emscher und Hafen Coelln-Neuessen am Rhein-Herne-Kanal im Rahmen des interkommunalen Projektes Freiheit Emscher mit der Stadt Bottrop.
Im Gewerbegebiet Carnaperhof haben sich 30 Unternehmen angesiedelt
Da eine Ausweisung neuer Gewerbeflächen zuletzt politisch stets umstritten war und sich in der Bevölkerung wohl nur gegen Widerstände durchsetzen ließe, kommt der Aufbereitung vormals industriell genutzter Altflächen aus Sicht der EWG eine umso größere Bedeutung zu.
Als positive Beispiele nennt Andre Boschem den Technologiepark des TÜV Nord in Frillendorf und den Business-Park Carnaperhof, wo es gelungen sei, 30 Unternehmen anzusiedeln, darunter 14 Zuzüge oder Neugründungen.
Als Vorzeigeprojekt gilt aus Sicht der EWG auch die Entwicklung des Thurmfeldes nahe der Universität-Duisburg Essen, welches gemeinsam mit der Hochschule zu einem sogenannten Innovationscampus entwickelt wird.
Die Aufbereitung des zwischen Bottroper Straße und Gladbecker Straße gelegenen Areals, auf dem einst Essens größtes Gaswerk stand, zeigt beispielhaft, wie sehr die Stadt dabei auf eine finanzielle Förderung angewiesen ist. Lange Jahre scheitere eine neue Nutzung an den hohen Kosten für die Beseitigung von Altlasten. 80 Prozent trägt nun der Verband für Flächenrecycling und Altlastensanierung, der größtenteils vom Land und von den Kommunen finanziert wird. Die Stadt Essen muss lediglich einen Anteil von 20 Prozent tragen.