Essen. Ein Aquarell des Expressionisten Egon Schiele kehrt nach 86 Jahren ins Museum Folkwang zurück. In der NS-Zeit wurde das Kunstwerk beschlagnahmt.

Dem Museum Folkwang ist es gelungen, ein weiteres Kunstwerk zurückzuerwerben, das 1937 durch die Beschlagnahmungspolitik der nationalsozialistischen Machthaber abhanden kam. Das teilte das Museum am Mittwoch (22.3.) mit. Es handelt sich um das Aquarell „Stehendes Mädchen, das Gesicht mit beiden Händen bedeckend“ des expressionistischen Malers Egon Schiele, von dem das Museum einst zahlreiche Bilder besaß.

Das Aquarell „Stehendes Mädchen, das Gesicht mit beiden Händen bedeckend“ aus dem Jahre 1911 kehrt nach 85 Jahren in  Museum Folkwang, Essen 2023
Das Aquarell „Stehendes Mädchen, das Gesicht mit beiden Händen bedeckend“ aus dem Jahre 1911 kehrt nach 85 Jahren in Museum Folkwang, Essen 2023 © Unbekannt | Jens Nober

Karl Ernst Osthaus, Gründer des Museum Folkwang, war einer der ersten Sammler von Werken Egon Schieles. Bereits 1910, Schiele war zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt, erwarb Osthaus in Wien zwei figurative Aquarelle, darunter ein Selbstbildnis. Zwischen Künstler und Museumsgründer entwickelte sich eine umfangreiche Korrespondenz, die zu weiteren Ankäufen führte.

Einst besaß Folkwang die größte Sammlung von Egon Schiele

Die erste museale Einzelausstellung Schieles fand 1912 im Museum Folkwang statt. Bis zu Schieles Tod im Jahr 1918 erwarb Osthaus 14 Aquarelle und 1 Gemälde. Dies war seinerzeit die größte Sammlung von Werken des österreichischen Ausnahmekünstlers in einem Museum. 1937 wurden sämtliche Werke Schieles aus der Folkwang-Sammlung von den Nationalsozialisten als „entartet“ beschlagnahmt, später versteigert und so in alle Winde zerstreut.

Bis auf eine bemalte Postkarte, welche Schiele 1912 an Osthaus geschickt hatte, kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg keine dieser Arbeiten ins Museum Folkwang zurück. Im Zuge der Recherchen zur Sonderausstellung „Expressionisten am Folkwang“ (20. August 2022 – 8. Januar 2023) konnte die ehemalige Schiele-Sammlung weitgehend rekonstruiert werden und wurde zu einem besonderen Höhepunkt der Schau.

Die meisten Werke gehören seit vielen Jahrzehnten zum Bestand wichtiger Sammlungen im In- und Ausland. Mit dem auch in der Expressionisten-Ausstellung präsentierten Aquarell ist es dem Museum nun gelungen, eines der letzten noch in privater Hand befindlichen Schiele-Werke zurück zu erwerben. Der Ankauf wurde durch Mittel, die das Essener Ehepaar Walter und Lieselotte Griese dem Folkwang-Museumsverein hinterließ, ermöglicht.

Stifter-Ehepaar machte bereits den Rückerwerb zahlreicher Bilder möglich

Mit diesen Mitteln konnten seit 2017 bedeutende Werke unter anderem von Max Beckmann, Kate Diehn-Bitt, Erich Heckel, Max Pechstein und Anton Räderscheidt für das Museum Folkwang erworben werden. „86 Jahre nach den bis heute schmerzhaften Beschlagnahmungen verfügt das Museum Folkwang nun auch wieder über ein herausragendes Werk Egon Schieles“, so Ulrich Blank, Vorsitzender des Folkwang-Museumsvereins. Es zeuge zugleich von der frühen Begeisterung, die Karl Ernst Osthaus dem Schaffen dieses außergewöhnlichen Künstlers entgegenbrachte. „Wir freuen uns sehr, dass die enge persönliche Beziehung Egon Schieles zu Karl Ernst Osthaus und dem Museum durch die Rückerwerbung wieder eine dauerhafte Präsenz in der Museumssammlung erfährt“, ergänzte Museums-Direktor Peter Gorschlüter.