Essen-Kray. 31 Mann auf 21 Quadratmetern: Warum die Freiwillige Feuerwehr in Essen-Kray nach fast vier Jahrzehnten unbedingt eine neue Wache braucht.

Noch steht erst knapp die Hälfte des Neubaus, ragen Stahlträger nackt in den grauen Krayer Himmel. Doch die neue Wache der Freiwilligen Feuerwehr an der Ottostraße nimmt zusehends Gestalt an. Voraussichtlich im November soll das Gebäude offiziell eröffnet werden. Fest eingeplant ist es jedoch bereits für den traditionellen Tag der offenen Tür am 3. und 4. Juni. Dringend notwendig war es in jedem Fall, denn die alte Wache platzt seit langem aus allen Nähten.

Deckenhoch und dicht auf dicht stapeln sich Kisten mit Ausrüstungsgegenständen und Werkzeug in der Fahrzeughalle. Direkt hinter dem Löschfahrzeug liegt - fein säuberlich zusammengelegt - eine Bierzelt-Garnitur, nagelneu und zu schade für den roten Container an der Einfahrt zur Wache. Den hat die Löschgruppe Kray aus privaten Mitteln angeschafft, um weiteres Material zu lagern. In einem alten Schuppen direkt daneben steht der Mannschaftswagen.

Kaum Platz in der Fahrzeughalle

Trotz penibler Ordnung ist es eng in der Fahrzeughalle. Doch es geht noch enger: Der Schulungsraum der Wache kommt gerade einmal auf knapp 21 Quadratmeter. Und selbst wenn alle 31 aktiven Kameraden der Löschgruppe gleichzeitig Platz darin fänden, was sie nicht tun, so gäbe es doch nicht für jeden einen Stuhl. Mittelpunkt dieser 80er-Jahre-Vereinsheim-Tristesse: eine Glasvitrine mit Standarten und dem Wimpel von 1901. In drei Jahren wird die Freiwillige Feuerwehr in Kray ihr 125-jähriges Bestehen feiern. In einer Ecke: ein winziger Schreibtisch – das Büro. Computer, Beamer, Leinwand und Schultafel wurden wie schon der Container in Eigenregie angeschafft. Gegenüber: eine kleine Umkleide. Und das war es dann auch schon.

Der Rohbau für die neue Wache der Freiwilligen Feuerwehr in Essen-Kray steht.
Der Rohbau für die neue Wache der Freiwilligen Feuerwehr in Essen-Kray steht. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

„Früher“, erzählt Brandoberinspektor und Löschgruppenführer Christian Klaver, „hatten wir unsere Räume nebenan in einem Gebäude aus den 50ern. Damals gab es die Krayer Berufsfeuerwehr noch nicht, die dort heute ihre Wache hat. Als die Kollegen dann kamen, hatten wir gut 30 Jahre lang im Prinzip kein eigenes Gebäude mehr, sondern nur da drüben den Schuppen.“

Wache in Kray ist vier Jahrzehnte alt

1984, erinnert sich Klavers Stellvertreter Thomas Kahlert, folgte dann endlich der Anbau – der, daran besteht kein Zweifel, nach knapp vier Jahrzehnten nun seinen Dienst mehr als getan hat. Klaver: „Es ist kein Geheimnis, dass wir in Essen bei den Freiwilligen Feuerwehren und zum Teil auch bei den Berufsfeuerwehren einen ganz enormen Sanierungsstau haben. Wir waren in den letzten Jahren wirklich leidensfähig und haben daher dem Neubau sehr entgegengefiebert.“

Und der wird künftig nicht nur allen aktuellen technischen Normen entsprechen, sondern ist mit gut 550 Quadratmetern auch deutlich größer als die bisherige Wache. Werkstatt, Lager, Büro, eine eigene Umkleide für die Jugendfeuerwehr und für Frauen, auch wenn es die im Erwachsenenbereich derzeit nicht gibt, eine Halle für drei Fahrzeuge und damit für ein zusätzliches Hilfeleistungslöschfahrzeug – da ist jede Menge Potenzial, und den beiden Feuerwehrleuten ist die Begeisterung bei jedem Wort anzuhören.

Zusätzliche Aufgaben im Ehrenamt

Denn dieser noch nackte Rohbau, der in den nächsten Wochen geschlossen und verklinkert werden wird, ist letztlich auch so etwas wie eine längst überfällige Anerkennung für das, was die Kameraden tagtäglich leisten. Ehrenamtlich, ohne Vergütung und ohne Etat. Klaver ist seit 26 Jahren bei der FF Kray und hauptberuflich kaufmännischer Angestellter. Kahlert gehört seit 17 Jahren zur Truppe und betreibt eine eigene Druckerei. Darüber hinaus sind beide auch noch im Vorstand einer kleinen Wohnungsbaugenossenschaft. Viel Arbeit, die organisiert werden will. Und die, so Klaver, „ohne die Unterstützung durch die eigene Familie auch gar nicht funktionieren würde“.

Feuerwehrverein Kray e.V.

Die Freiwillige Feuerwehr Kray hat Ende vergangenen Jahres den Feuerwehrverein Kray e.V. gegründet, um über Mitgliedsbeiträge und Spenden unter anderem die eigene Arbeit in der Jugendfeuerwehr finanzieren zu können, die wie vieles in der Löschgruppe Kray aus privaten Mitteln bestritten wird. Weitere Informationen können über das Kontaktformular auf der Homepage unter www.ff-kray.com angefordert werden. Eingerichtet wurde bereits ein eigenes Vereinskonto:Sparkasse Essen, Feuerwehrverein Kray e.V., Konto: DE82 3605 0105 0002 6831 83

Viele zusätzliche Aufgaben sind für die Löschgruppe in den vergangenen Jahren dazu gekommen. Die Arbeit als First Responder Einheit etwa, um überbrückend lebensrettende Erste Hilfe leisten zu können, bis die Kollegen vom hauptamtlichen Rettungsdienst da sind. Einer der jüngsten spektakulären Einsätze des Teams: die Sprengung des Geldautomaten in der Krayer Sparkasse. Einer der bewegendsten: Unterstützungsarbeit bei der Flutkatastrophe in Euskirchen. Warum das alles? Kahlert muss breit grinsen. „Ja, die Frage kommt immer. Warum machen wir das? Weil wir ein wenig verrückt sind.“ Klaver hingegen spricht lieber von „einer Art Helfersyndrom“.

Viel Dankbarkeit, aber auch Angriffe mit Böllern

Doch da ist noch mehr: Stolz auf den Zusammenhalt etwa. Auf eine Ausbildung, die, betont Kahlert, denen der hauptberuflichen Kollegen in nichts nachstehe. Stolz auf langjährige Freundschaften, die auch die Mitglieder der Alters- und Ehrenabteilung oder der Unterstützungseinheit immer wieder zur Wache an der Ottostraße treibt. Und das Selbstbewusstsein, dass der Nachwuchs aus den eigenen Reihen quasi schon bereitsteht: Mit 20 Mitgliedern ist die Jugendfeuerwehr, die Kahlert als stellvertretender Jugendwart betreut, komplett ausgelastet. „80 Prozent unserer Jugendlichen wechseln später in die Freiwillige Feuerwehr.“

Und nicht zuletzt, versichert Klaver, sei da noch die Dankbarkeit jener Menschen, denen das Krayer Team helfen konnte. „Denn das ist es, was wir machen: Wir kommen, um zu helfen. Wenn dann Einsatzkräfte mit Böllern beschossen werden, kriegt man schon die Wut. Die einfache Frage ,Brauchen Sie Hilfe?‘ fällt heutzutage viel zu selten. Da hat sich irgendetwas gewandelt in den Menschen.“