Essen. Unternehmen mieteten im vergangenen Jahr deutlich weniger Büros in Essen an. Das lag aber nicht nur an der Corona-Pandemie.

Regelmäßig beugen sich die Essener Wirtschaftsförderung und Makler über die Büromarktzahlen. Schließlich sind die Neuvermietungen von Büros ein wichtiger Frühindikator für die wirtschaftliche Dynamik in der Stadt. Gehen Unternehmen davon aus, dass sie wachsen, bauen oder schauen sie sich nach neuen Büroflächen um. Erwarten sie langfristig Rückgänge, geben sie eher Flächen ab. Außerdem zeigt der Büromarkt, wie attraktiv eine Stadt ist; wie es ihr gelingt, neue Unternehmen anzusiedeln.

In den Jahren vor Corona war der Blick auf die Zahlen meist ein erfreulicher. Essen eilte zuletzt von Vermietungsrekord zu Vermietungsrekord. Doch im Corona-Jahr 2020 hat sich das Bild merklich eingetrübt. Der Büromarkt ist regelrecht eingebrochen. Das Maklerunternehmen Cubion hat ausgerechnet, dass im vergangenen Jahr nur 85.000 Quadratmeter Bürofläche vermietet wurden. Das ist ein Rückgang von 48 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zu den gleichen Zahlen kommt das Maklerunternehmen BNP Paribas Real Estate. In dem Umsatz enthalten sind sowohl klassische Büro-Neuvermietungen aber auch die Flächen, die Unternehmen für sich neu gebaut und bezogen haben - die so genannten Eigennutzer. 

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"Das ist ein herber Dämpfer, der Rückgang kam aber auch nicht ganz unerwartet", sagt Markus Büchte, Vorstand bei Cubion. Eine Korrektur war schon deshalb erwartet worden, weil das Jahr 2019 ein absolutes Rekordjahr gewesen ist. Allerdings kam 2020 Corona erschwerend dazu. "Nach dem ersten Lockdown gab es erstmal eine regelrechte Schockstarre", berichtet Büchte. Viele Unternehmen legten ihre Expansions- oder Umzugspläne auf Eis. Ein Beispiel ist der Baukonzern Hochtief, der den Neubau seiner Zentrale am Opernplatz/Rellinghauser Straße verschoben hat. 

Büromarkt Essen: 2020 war auch im langfristigen Vergleich ein schwaches Jahr

Wie stark Corona den Markt ausgebremst hat, liest Büchte aus der langfristigen Entwicklung. So war das Vermietungsgeschäft 2020 auch im Zehn-Jahres-Vergleich und somit im langjährigen Mittel deutlich niedriger - nämlich rund 40 Prozent. 

Vor allem die großen Vertragsabschlüsse über 5000 und 10.000 Quadratmeter fehlten im vergangenen Jahr. Die Erweiterung von 1&1 Versatel im Bamlerpark war mit 3100 Quadratmeter schon die größte Einzelvermietung. Besser sah es da bei den Eigennutzern aus. Hier schlagen die Neubauten des Tüv Nord mit rund 10.000 Quadratmetern am Technologiepark und der Opta-data-Gruppe besonders ins Gewicht. Der IT-Dienstleister errichtet an der Sigsfeldstraße den ersten Bauabschnitt (7300 Quadratmeter) seiner neuen Unternehmenszentrale. 

Eon und Thyssenkrupp ziehen Büroflächen leer

Der Büro-Leerstand in Essen ist vergangenes Jahr indes nur leicht gestiegen, er liegt bei rund vier Prozent und ist damit weiterhin niedrig. Dass es leicht nach oben ging, liegt laut Büchte dabei weniger an Corona. Stärker schlagen hier offenbar die Umstrukturierungen in den großen Konzernen wie Eon/Innogy zu Buche. Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen. Denn auch Thyssenkrupp will nach dem Verkauf der Aufzugssparte Elevator mehr Unternehmensteile auf dem Campus konzentrieren und wird angemietete Büroflächen im Stadtgebiet aufgeben. 

Diese Entwicklungen müssen nicht von Nachteil sein, sagt Büchte. Denn der Essener Büromarkt leidet seit Jahren darunter, dass es zu wenige gut ausgestattete Büros gibt, die relativ kurzfristig angemietet werden können. Das verschafft Essen durchaus Nachteile, wenn es um die Ansiedlung neuer Unternehmen geht. So unterlag Essen im vergangenen Jahr im Ringen um den Finanzdienstleister Consors gegen Duisburg. Auch die ehemalige Thyssenkrupp-Sparte Elevator entschied sich letztlich für einen Umzug nach Düsseldorf. In diesem Jahr ist kaum Besserung in Sicht. Es werden zwar 68.000 Quadratmeter Büroflächen fertiggestellt. Doch davon geht der größte Teil an Eigennutzer wie zum Beispiel Aldi Nord. 

Aussichten für dieses Jahr: gedämpft optimistisch 

Wie sich der Büromarkt in Essen in diesem Jahr insgesamt entwickeln wird, ist noch sehr unsicher. "Auf kurze Sicht wird der Büroflächenumsatz wohl niedrig bleiben", vermutet Büchte. Wenigstens solange der Lockdown anhält. Danach wird mit entscheidend sein, wie sich die Ausweitung des Homeoffice während der Pandemie auf den Flächenbedarf der Unternehmen auswirken wird. Opta data beispielsweise hat den dritten Bauabschnitt für seine Zentrale bereits zurückgestellt, weil künftig dauerhaft mehr Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten werden. Der IT-Dienstleister Atos gibt seinen Standort Gelsenkirchen auf und zieht die Beschäftigten nach Essen. Mehr Bürofläche braucht Atos dafür nicht. Denn die halbe Belegschaft wird im Homeoffice arbeiten. 

Büchte glaubt dennoch, dass Homeoffice langfristig nicht den großen Effekt haben wird, dem ihm jetzt viele zuschreiben. "Die Unternehmen haben nicht nur gute Erfahrungen damit gemacht", glaubt er. Außerdem würden die Pandemieerfahrungen wohl eher dazu führen, dass Firmen in Zukunft mehr Fläche brauchen, um größere Abstände zwischen den Arbeitsplätzen zu schaffen. 

Auch das Maklerunternehmen BNP Paribas ist generell zuversichtlich mit Blick auf dieses Jahr: "Auch wenn das gesamte Winterhalbjahr noch weiter im Zeichen der Pandemie stehen sollte, ist aus heutiger Perspektive wieder ein etwas lebhafteres Vermietungsgeschehen zu erwarten", erklärte der Essener Niederlassungsleiter Amedeo Augenbroe. 

Weitere Informationen

Bei den Mietpreisen liegen die Zahlen der Maklerunternehmen etwas auseinander. BNP Paribas gibt die Spitzenmiete mit 16,40 Euro/m² (+ 2,5 %) an. Die Durchschnittsmiete sei dagegen leicht auf bei 11,30 Euro/m² gesunken. 

Laut Cubion lag die realisierte Spitzenmiete (Mittelwert im obersten Preissegment) 2020 bei rund 14,90 Euro/m² und somit auf Vorjahresniveau. Die gewichtete nominale Durchschnittsmiete in Essen liege bei 10,01 Euro/m².

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