Essen-Altenessen. Zehn Schüler werden in einem speziellen Projekt zum Abi begleitet. Das Projekt von Rot-Weiss-Essen biegt jetzt auf die Zielgerade.
Für zehn Schüler und Schülerinnen aus dem Essener Norden war es wie ein Sechser im Lotto: Vor vier Jahren wurden sie für das Rot-Weiss-Essen-Projekt „Bessermacher“ ausgewählt. Seitdem werden sie auf dem Weg zum Abitur explizit gefördert. Jetzt biegen sie auf die Zielgerade ein. Projektkoordinator Niklas Cox: „Sie werden es alle schaffen, alles andere wäre eine persönliche Niederlage.“
Evonik-Stiftung finanziert RWE-Projekt
Zusätzlich zum normalen Unterricht treffen sich die „Bessermacher“ des Gymnasiums Nord-Ost zwei Mal in der Woche am Lernort an der Seumannstraße, dem RWE-Nachwuchsleistungszentrum. Eineinhalb Stunden erteilen Lehramtsstudenten dann ganz individuelle Nachhilfe in den Bereichen, wo es Lernlücken gibt. „Das gemeinsame Essen und auch eine Sporteinheit, um den Kopf frei zu kriegen, gehören dazu“, erklärt Cox. Wer mag, kann auch öfter als zwei Mal in der Woche kommen, oder länger bleiben. Gefördert wird das Projekt von der Evonik-Stiftung.
Any Tamiz (17) und Aygül Ehsare (17) fühlen sich wohl in der Gruppe. „Alleine hatte ich oft Motivationsprobleme beim Lernen“, erklärt Any, die in der neunten Klasse ein Motivationsschreiben verfassen musste mit der Begründung, warum sie bei den Bessermachern dabei sein will. Viele der rund 850 Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums im Essener Norden haben Migrationshintergrund und nicht zuletzt wegen sprachlicher Schwierigkeiten gibt es zu Hause nicht immer ausreichend Unterstützung. Es gab über 30 Bewerber für die zehn Plätze. Schulsozialarbeiter Arnd Michel und seine Kollegin Bettina Pohlmann, Englisch- und Pädagogiklehrerin, hatten die schwierige Aufgabe auszuwählen, wer bis zum Abitur gefördert wird.
Unterschiede zu normalem Nachhilfeunterricht
„Wir wollten Leute, die motiviert sind, teilzunehmen, ein gewisses Durchhaltevermögen mitbringen und wir mussten entsprechendes Verbesserungspotenzial sehen“, erklärt Michel, der das Projekt als ein Gesamtpaket ansieht. Die Schüler und Schülerinnen erfahren in dem 100-Quadratmeter-Häuschen auf dem Trainingsgelände über eine lange Zeit hinweg eine angenehme Lernatmosphäre, der Kontakt zu den Lehrkräften sei über die Jahre sehr persönlich geworden und sie bekämen eine Struktur, die ihnen auf dem Weg zum Abi hilft. Diese Aspekte würden das Projekt vom normalen Nachhilfeunterricht, bei dem es hauptsächlich um die Vermittlung von Stoff geht, unterscheiden. Any empfindet die Atmosphäre als „sehr entspannt“.
Auch Pohlmann betont: „Es geht hier darum, sich Zeit zu nehmen, die Sachen ernst zu nehmen, um Hilfe zu bitten, Probleme anzusprechen und Perspektiven zu schaffen.“ Die Schüler und Schülerinnen merken, sie sind keine Einzelkämpfer und müssen das auch nicht sein. „Wir treffen hier unsere Freunde“, erklärt Any Tamiz, die in der Zwischenzeit ihr Latinum in der Tasche hat und jetzt mit den Leistungskursen Pädagogik und Englisch auf die Zielgerade einbiegt. Zu Beginn des Projektes hatte sie besonders in Mathe und Latein Probleme, wusste nicht, ob es was wird mit dem Abitur - „ich hätte auf jeden Fall deutlich mehr Probleme gehabt“.
Hausaufgabenbetreuung, Bessermacher und Sommerschule
Der 2012 gegründete Verein Essener Chancen, ein Sozialprojekt von Rot-Weiss-Essen, will Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten und Kulturen ansprechen, sie involvieren und aktivieren, ihre Chancen für Schule, Ausbildung und Beruf zu ergreifen. Als erstes wurde die Hausaufgabenbetreuung/Nachhilfe für Spieler des Nachwuchsleistungszentrums an der Seumannstraße organisiert. Dann kamen die „Bessermacher“ dazu, ein weiteres Projekt ist die Sommerschule, die auch von der Evonik-Stiftung unterstützt wird: Dort werden bis zu 20 Jugendliche in den Ferien am Lernort Seumannstraße auf ihre Nachprüfungen vorbereitet.Weitere Infos: https://www.essener-chancen.de/startseite
Das Abitur wird ihr viele Türen öffnen. „Viele sehen bei uns das Abitur echt als Chance“ erklärt Michel und betont, dass auch jene Schüler, die nicht am Bessermacher-Projekt teilnehmen können, an der Schule unterschiedlich gefördert werden.
Niklas Cox brennt hingegen für sein Projekt und pulvert jede Menge Energie in die Bessermacher. Er koordiniert das Projekt neben seinem Hauptjob als Lehrer an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule. Nicht nur die Corona-Pandemie stellte ihn vor Herausforderungen, es gilt auch, den Kontakt mit der Uni zu halten und Lehramtsstudenten als Lehrkräfte zu gewinnen, den sportlichen Aspekt unterzukriegen - „der ist zwischendurch etwas zu kurz gekommen“ - und neue Schüler und Schülerinnen zu integrieren. Vier Bessermacher sind zwischenzeitlich abgesprungen, was aber nicht am Projekt selbst lag, wie Cox betont. Die neuen Kandidaten und Kandidatinnen seien jetzt ebenfalls auf einem guten Weg zum Schulabschluss.
Bessermacher-Organisatoren hoffen auf Fortsetzung des Projekts
Die Zeugnis-Übergabe im kommenden Sommer wird also nicht nur ein Erfolgsmoment für die Schüler und Schülerinnen, sondern auch für die Projektinitiatoren, die auf eine Fortsetzung hoffen. „Wir wollen das Projekt gerne noch weiter ausbauen“, erklärt Kox. Auch andere Clubs könnten sich daran ein Beispiel nehmen, schließlich werde auch die Verbundenheit zum Verein dadurch gefördert.