Essen-Überruhr. Eingeschlagene Scheiben und defekte Aufzüge: Gegen die Missstände am Halt Holthausen soll Interessengemeinschaft helfen. Mitstreiter gesucht.
Die Zerstörungswut am Bahnhof in Überruhr reißt nicht ab. Immer wieder sind in Holthausen Scheiben an den Aufzügen eingeschlagen, werden Flächen besprüht und Fahrpläne entfernt. „Es bringt nichts, immer nur zu sagen, was hier nicht funktioniert“, sagt der Überruhrer Thilo Scharf. Der 46-Jährige wurde kurzerhand Bahnhofspate und sucht nun Mitstreiter für eine Bürgerinitiative, um die Missstände endlich in den Griff zu bekommen.
Mit Anne Schoonhoven-Häffner (64) gibt es eine Mitstreiterin. Sie engagiert sich bereits für den Halt, da sie in der Nähe wohnt, beobachtet die Auswirkungen (18 zerstörte Scheiben hat sie notiert) und die Situation seit zwei Jahren genau. Dazu gehört der Ausfall der Aufzüge und die Tatsache, dass dann die vielen älteren und gehbehinderten Menschen aus dem Stadtteil den Bahnhof schlichtweg nicht nutzen können. Manche vermeiden das auch aus Angst, stecken zu bleiben.
Aufzüge waren in diesem Jahr lediglich acht Tage nutzbar
„Seit dem 8. Januar steht der Aufzug jetzt, also seit fünf Wochen“, sagt Thilo Scharf. Und seit dem 10. Februar sei der zweite Aufzug ebenfalls mal wieder defekt. Die beiden Überruhrer haben sich vorgenommen, diese Ausfälle zu dokumentieren und haben in diesem Jahr bereits feststellen müssen, dass die Aufzüge an lediglich acht Tagen nutzbar gewesen sind. Im Vorjahr ist der Aufzug, mit dem man zum Steig Richtung Kupferdreh gelangt, gleich sechs Monate ausgefallen, „weil es nach den Vandalismusschäden offenbar Probleme gab neue Türen zu bestellen“.
Damit es erst gar nicht so weit kommt, dass Randalierer sich immer wieder an dem Bahnhof auslassen, sollen nun weitere Bürger die Lage im Blick halten und melden, wenn etwas zerstört wird. Ob Pendler, Vielfahrer oder Spaziergänger, beteiligen könnten sich alle, sagt Thilo Scharf. Er selbst ist 2012 nach Überruhr gezogen, arbeitet als Referent für Betriebsorganisation in einem IT-Unternehmen für eine gesetzliche Krankenkasse. Um zur Arbeit zu kommen, nutze er einen klassischen Mix (Bahn, Auto, Rad), spaziere in der Freizeit vor allem oft am Halt Holthausen entlang in Richtung Ruhr.
Bahnhofspate als Schnittstelle zwischen Bahn und Bürgern
„Die S9-Haltepunkte haben schon bessere Zeiten gesehen, auch in Überruhr“, sagt Scharf. Er tauschte sich also mit der Bahn, dem VRR, Anwohnern und weiteren beteiligten aus, übernahm im Vorjahr die Bahnhofspatenschaft für die Haltepunkte Essen-Überruhr und Holthausen. Damit ist er bereits Ansprechpartner, hat Anzeigen gestellt und hält Kontakt zum Bahnhofsmanagement als Schnittstelle zwischen Bahn und Bürgern. Von ihnen möchte er nun weitere mit ins Boot holen, um das Anliegen auf breite Beine zu stellen. Dabei ist die Videoüberwachung (Kameras gibt es an dem Bahnhof) immer wieder Thema.
Die Bahn hat nach eigenen Angaben den Aufzug im Vorjahr mehrmals repariert, betroffen vom Vandalismus seien die Scheiben der Aufzüge, der Vitrinen und des Wetterschutzhauses gewesen. Zur Kritik am mangelnden Sicherheitskonzept, erklärte eine Bahnsprecherin, man arbeite eng mit der Bundespolizei zusammen. Kameras und Sicherheitspersonal gehörten zum Konzept. Allerdings schränkte sie auch gleich ein, da die Videotechnik der Bahn vor allem dabei helfe, betriebliche Abläufe und Hausrechtswahrung zu überprüfen.
Bahnhof ist für die Bundespolizei kein Schwerpunkt
Kontakt zum Bahnhofspaten und zur Bahn
Bahnhofspate Thilo Scharf verweist darauf, dass besonders hilfreich ist, wenn Auffälligkeiten sehr zeitnah gemeldet werden. Seiner Erfahrung nach, seien engagierte, wachsame Bürger für die Aufrechterhaltung der Ordnung sehr wichtig. Kontakt 0160-7375226 oder per Mail an thilo.scharf@web.de. Zum Sicherheitskonzept der Bahn gehört zudem, dass jeder Bahnhof an eine 3-S-Zentrale angeschlossen ist. Das bedeutet Service, Sicherheit und Sauberkeit. In dieser Zentrale laufen Tag und Nacht Informationen zum Betriebsablauf im Bahnhof ein. An einigen Bahnhöfen gibt es Notruf- und Informationssäulen. Erreichbar ist die 3-S-Zentrale unter: 1821055
Zugriff auf Bilder der Kameras hat ausschließlich die Bundespolizei. Diese ist zuständig für die Abwehr von Gefahren und Strafverfolgung auf Bahnhöfen und in Zügen. Aus Sicht der Bundespolizei gab es im Vorjahr für den Halt Essen-Holthausen zwar Sachbeschädigungen (einstelliger Bereich), aber keine Anhaltspunkte, um Bilder der Kamera weiter zu nutzen.
So stellt der Bahnhof für die Bundespolizei zwar keine Schwerpunktstelle dar, für die Überruhrer sind aber die Zustände mehr als ein Ärgernis und die fehlende Barrierefreiheit eine große Hürde. „Die Bildung einer Interessengemeinschaft ist der folgerichtige nächste Schritt“, sagt Scharf, der seit 2017 Mitglied der SPD ist, dieses Anliegen aber nicht parteigebunden verstanden wissen möchte.
Gefragt sind Anregungen, Forderungen, Hinweise, positive oder negative Erfahrungen
Das erste Ziel der Gemeinschaft: Die Aufzüge in Holthausen dauerhaft und verlässlich funktionstüchtig zu erhalten. Weiterhin sollen Beobachtungen umgehend weitergegeben werden. Aber auch jede andere Art von Anregung, Forderungen und Hinweisen, positive oder negative Erfahrungsberichte sind gefragt. Langfristige Interessen sind, dass Züge öfter in Überruhr halten und auch der Ein-und Ausstieg wieder barrierefreier wird. Auch die Ruhrbahn möchte der Bahnhofspate ansprechen, um die Anbindung an die Busse zu verbessern.
Zusammen mit Anne Schoonhoven-Häffner geht es Thilo Scharf es jetzt darum, die Attraktivität der beiden Überruhrer Haltepunkte zu erhöhen. Der Zerstörungswut entgegenzuwirken. Jede Institution oder Person ist nun eingeladen, sich ebenfalls einzubringen.