Essen-Rüttenscheid.. Franz Bischoff ist leidenschaftlicher Ur-Rüttenscheider. Er sieht den Charakter Rüttenscheids nicht in Gefahr. Folge 16 unserer Serie “60 Minuten in...“ mit neuen Multicopter-Aufnahmen, vielen Bildergalerien und einem Multimedia-Spezial.
Wer Franz Bischoff auf einen Spaziergang durch Rüttenscheid begleitet, der unternimmt automatisch eine kleine Zeitreise – zurück in jene Jahrzehnte, als die Kneipen noch „Mausegatt“, „Gutenbergklause“ oder „Schottenstübchen“ hießen und Knobeln noch ein Volkssport war. Den Wandel hin zum pulsierenden Amüsierviertel, in dem ein Latte Macchiato mindestens ebenso gefragt ist wie ein gepflegtes Pils, beurteilt der 68-Jährige, der 1978 die Traditionsgaststätte „Brenner“ eröffnete, dennoch positiv: „Mir tun alle Leute leid, die nicht hier wohnen“, sagt Bischoff aus Überzeugung.
Nach dem Krieg kommt er im Alter von zwei Jahren nach Rüttenscheid und wächst in der Josephinenstraße auf. Im Jahr 1949 wirkt diese Straße ebenso wie der Rest des Stadtteils für Kinder wie ein riesiger Abenteuerspielplatz, Erwachsene aber sehen sich einem großen Trümmerhaufen gegenüber. Der Geruch habe ihn damals immer verraten, wenn er mit seiner Bande von der Zeche Langenbrahm zurückkam. „Wir haben dort oft gespielt – das hat nur leider sehr nach Schwefel gestunken“, erinnert sich Bischoff sowohl an das heiße Wasser aus dem „brennenden Berg“ wie auch an den aus dem Bodenaushub entstandenen Rodelhügel, der damals von der Manfredstraße bis hinunter nach Stadtwald eine lange und launige Rutschpartie bot.
„Die Preise für Wohnen und Eigentum sind schon ‘ne Hausnummer geworden“
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Heute findet sich an gleicher Stelle das ehemalige Speditionsgelände Pass & Cie, das in naher Zukunft bebaut werden soll. Bis zu 1000 neue Wohnungen sollen in Rüttenscheid entstehen, womit sich der Stadtteil einmal mehr wandeln dürfte. „Die Preise für Wohnen und Eigentum sind schon ‘ne Hausnummer geworden“, sagt Franz Bischoff. Gleichwohl sieht er das gesellschaftliche Gleichgewicht im noch nicht gefährdet, „der gesunde Mittelstand ist noch immer da, ich habe keine Befürchtungen, dass Rüttenscheid ein zweites Bredeney wird.“
Luftbilder: Rüttenscheid im Wandel
Die Zeiten änderten sich nun einmal – und mit ihnen auch die Gebäude im Stadtteil, ist Bischoff eher pragmatisch. Viele Eigentümer kümmerten sich nun mehr um das äußere Erscheinungsbild, beobachtet er auch anhand des Beispiels seines einstigen Elternhauses. „Das ist aber schick geworden“, sagt er mit Blick auf das Doppelhaus an der Josephinenstraße und spitzt die Lippen zu einem anerkennenden Pfeifen. Die beiden Altbauten sind wie so viele Gebäude in den vergangenen Jahren aufwändig saniert worden, die restaurierten Fassaden in der ruhigen Nebenstraße sind ein echter Hingucker.
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Noch beeindruckender sind für Bischoff aber die von 1893 bis 1907 errichteten Bauten in der einstigen Krupp-Siedlung Altenhof I am Gußmannplatz. „Neben dem Bauerngarten im Grugapark, den ich immer mit meinen Enkeln besuche, gehört dieser Ort hier sicherlich zu meinen Lieblingsplätzen in Rüttenscheid“, sagt Franz Bischoff und ergänzt mit einem zufriedenen Lächeln: „Hier habe ich als junger Kerl schon Haile Selassie zugewunken, daran erinnere ich mich gut, weil hier so viel los war. Jeder wollte einen Blick auf den äthiopischen Kaiser erhaschen.“
Die Wurzeln nicht vergessen
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Vielleicht ist es genau diese Herausforderung, die auch der Stadtteil in den nächsten Jahren meistern muss: Sich einer Zukunft als begehrter Stadtteil zu stellen, ohne dabei die Wurzeln als Viertel des Bürgertums zu vergessen, in dem Drucker aus dem Girardethaus neben Krupp-Angestellten und Bergarbeitern lebten und arbeiteten.
Alle bisher veröffentlichten Folgen finden Sie auf unserem Spezial zur Serie / Folge 28: Südostviertel / Folge 27: Margarethenhöhe / Folge 26: Heidhausen / Folge 25: Haarzopf / Folge 24: Altendorf / Folge 23: Stoppenberg / Folge 22: Werden / Folge 21: Holsterhausen / Folge 20: Dellwig / Folge 19: Rellinghausen / Folge 18: Horst / Folge 17: Südviertel / Folge 16: Rüttenscheid / Folge 15: Byfang / Folge 14: Schuir / Folge 13: Karnap / Folge 12: Bredeney / Folge 11: Fischlaken / Folge 10: Kray / Folge 9: Leithe / 8: Nordviertel / 7: Kettwig / 6: Frohnhausen / 5: Altenessen / 4: Kupferdreh / 3: Vogelheim / 2: Schönebeck / 1: Heisingen / zur Galerie mit allen Essener Stadtteil-Wappen
Stadtteil-Statistik über Essen-Rüttenscheid
4,5 Quadratkilometer misst Rüttenscheid und liegt damit im Vergleich zu anderen Stadtteilen im vorderen Mittelfeld. Ähnlich groß sind beispielsweise Haarzopf und Katernberg.
28 .611 Personen waren Ende Juni diesen Jahres in Rüttenscheid gemeldet – damit rangiert der Stadtteil hinter Frohnhausen auf Platz zwei der meist bevölkerten Stadtteile.
Bemerkenswert ist dabei vor allem die Bevölkerungsdichte: So leben auf einem Quadratkilometer in Rüttenscheid im Schnitt 6350 Personen – nur im Südostviertel, in Frohnhausen und in Holsterhausen leben mehr Menschen auf weniger Raum zusammen. Angesichts der Pläne, in den nächsten Jahren bis zu 1000 neue Wohnungen in Rüttenscheid zu schaffen, dürfte diese Zahl bald sogar noch nach oben korrigiert werden.
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10 .678 Singlehaushalte weist die städtische Statistik für Rüttenscheid aus – nur in der Stadtmitte mit Nord-, West- und Ostviertel leben mehr Menschen allein.
Die klassische Familie mit zwei oder mehr Kindern ist in Rüttenscheid eher selten – nur rund 1000 Haushalte zählen zu dieser Kategorie.
Dennoch braucht der Rüttenscheider im Schnitt etwas mehr Platz – 46,3 Quadratmeter bewohnt jeder Bürger hier im Schnitt, stadtweit liegt diese Zahl bei 40,8 Quadratmetern. Die meisten der insgesamt 18 480 Wohnungen in Rüttenscheid haben vier Zimmer.
11. 742 Rüttenscheider sind zwischen 18 und 44 Jahre alt – die größte Bevölkerungsgruppe insgesamt betrachtet. 53,8 Prozent der Rüttenscheider sind Frauen.