Essen-Altenessen/Stoppenberg. Niedergelassene Ärzte haben der Stadt Essen ihr Konzept von einem Smart-Ambulanz-Hospital vorgelegt: Kein Krankenhaus im landläufigen Sinne.
Die Gesundheitsversorgung der Bürger im Essener Norden bleibt ein großes Diskussionsthema – erst recht, seitdem beide Krankenhäuser geschlossen haben. Die niedergelassenen Ärzte haben jetzt ein Konzept für die Zukunft vorgelegt.
Die Essener haben das Gefühl, es tut sich nichts beim Thema Gesundheitsversorgung im Essener Norden und gleichzeitig sind die Krankenhäuser voll. Diesen Eindruck schildern sie zumindest, wenn sie bei Dr. Tobias Ohde im Behandlungszimmer sitzen. Also hat sich der Diabetologe aus Altenessen mit seinen niedergelassenen Kollegen zusammengesetzt, überlegt, was die Patienten brauchen, was ihnen fehlt und wo die Hauptprobleme nach Schließung von Marienhospital und St.-Vincenz-Krankenhaus liegen.
So funktioniert ein Smart-Ambulanz-Hospital
Herausgekommen ist das Konzept eines Smart-Ambulanz-Hospitals: Auch dort gilt die von der Stadtverwaltung ausgesprochene Devise digital vor ambulant vor stationär. Die Einrichtung soll rund um die Uhr erreichbar sein, allerdings nur mit Überweisung oder per Krankenwagenanfahrt. Abgearbeitet werden sollen hauptsächlich Fälle, die keinen stationären Aufenthalt erfordern, „heutzutage aber oft die Notaufnahmen der Krankenhäuser verstopfen“, erklärt Ohde und nennt ein paar Beispiele: ein entgleister Zucker, der runtergespritzt werden muss, eine geplante Bluttransfusion, ein glatter Knochenbruch, eine Platzwunde.
In der Einrichtung soll es hochmoderne Geräte und Labormöglichkeiten geben, außerdem soll sie vom Notarzt angefahren werden. So könnten Senioren, die gestürzt sind, erstversorgt werden; Röntgenaufnahmen und Laboruntersuchungen würde das Team vor Ort - erfahrene Fachärzte für Allgemeinmedizin sowie Krankenpflegepersonal - machen und den Patienten bei Bedarf ein paar Stunden zur Beobachtung aufnehmen. Muss er doch länger stationär behandelt oder gar operiert werden, müsste er nochmal in ein klassisches Krankenhaus verlegt werden. „Sämtliche Befunde hat er dann aber schon dabei“, erklärt Ohde, der auch solche Fälle als Entlastung für die Krankenhäuser ansieht, unnötige Krankentransporte durch die halbe Stadt bei gestürzten Heimpatienten könnten so vermieden werden.
Telemedizin in Kooperation mit Essener Kliniken
Haus- und Fachärzte sollen beispielsweise auch Patienten aus dem Norden dorthin überweisen, wenn es um ein unklares Krankheitsbild geht. „Sind die Bauchschmerzen eine Blinddarmentzündung oder eine Verstopfung?“, nennt Ohde als Beispiel. Computertomografie und Blutuntersuchung könnte direkt im Smart-Ambulanz-Hospital erfolgen. Muss der Blinddarm raus, geht es mit den Befunden direkt in ein klassisches Krankenhaus, ist der Blinddarm gar nicht das Problem kann der Patient wahrscheinlich direkt vor Ort behandelt werden.
Als weiteren Baustein nennt Ohde die Telemedizin - und zwar von Arzt zu Arzt und nicht von Arzt zu Patient: Medizinische Expertise der niedergelassenen Ärzte vor Ort sowie Essener Krankenhäuser, bei denen Fachärzte rund um die Uhr Tele-Dienst haben, soll mit eingebunden werden. Liegt im Smart-Ambulanz-Hospital beispielsweise ein Röntgenbild vor, bei dem sich der diensthabende Arzt eine Zweitmeinung wünscht, könnte er einen Radiologen aus der Uniklinik zuschalten, der ebenfalls einen Blick auf das Bild wirft, gemeinsam kann dann eine Entscheidung getroffen werden.
Krankenhäuser sollten sich mehr spezialisieren
Warum sollten die Patienten nicht gleich in ein klassisches Krankenhaus? „Patienten und Beteiligte des Gesundheitssystems wissen schon lange, dass nicht alles was im Krankenhaus behandelt und gemacht wurde auch zwingend einer stationären Aufnahme bedurfte. Aufgrund fehlender Alternativen wurde dies jedoch jahrelang defizitär durchgeführt und alternativlos geduldet“, weiß Ohde. Ärztliche Betreuung ist oft nötig, nicht aber der komplette Krankenhausapparat. Patienten würden oft stundenlang in den Notaufnahmen verbringen, auf ihren Befund warten und dann doch wieder nach Hause geschickt werden.
Ärzte bezeichnen Konzept als attraktiv und realistisch
„Smart-Ambulanz-Hospital“ heißt die Einrichtung in dem Konzept der niedergelassenen Ärzte. Smart kommt aus dem Englischen und bedeutet klug, intelligent, clever. Die Ärzte nutzen es aber auch als Abkürzung für ihre inhaltlichen Ideen:S steht für „spezifisch“ und meint zum Beispiel die erweiterte Notfalldiagnostik (Röntgen, CT, Labor). M steht für „messbar“ und meint unter anderem die Reduktion von stationären Behandlungen.A steht für „attraktiv“ und meint die wohnortnahe Versorgung der Patienten.R steht für „realistisch“ und meint die Entlastung der Kliniken, Haus- und Fachärzte sowie Patienten.T steht für „terminiert“ - nach Ansicht der Ärzte könnte das Konzept bis zum Jahr 2025 umgesetzt sein.
„Krankenhäuser sollten nicht prästationär arbeiten, sondern sich auf das Stationäre konzentrieren“, so Ohde, der ein Freund davon ist, dass sich die Krankenhäuser spezialisieren: „Es muss nicht jeder alles können.“ Studien hätten gezeigt, dass eine hohe Fachexpertise in Kliniken dazu führt, dass die Patienten schneller gesund werden. Heißt in der Praxis: Ärzte und Pfleger, die schon hunderte Hüft-Operationen durchgeführt und betreut haben, bringen die Patienten schneller wieder auf die Beine als jene, die das nur ab und an mal machen. Diese Expertise könne nicht erreicht werden, wenn die Krankenhäuser ein breites Spektrum und eine volle Notaufnahme abarbeiten wollen.
Investitionsvolumen noch unklar
Welche Krankheitsbilder genau in dem Smart-Ambulanz-Hospital abgedeckt werden und wie die Personalaufstellung und das Investitionsvolumen ist bleiben in dem Konzept noch offen, ebenso ein Beispielmodell aus einer anderen Stadt: „Das gibt es noch nirgendwo anders“, erklärt Tobias Ohde und ergänzt: „Es basiert nicht auf Studien, sondern auf der Bedarfslogik der Patienten.“ Die Stadt Essen beauftragt nach den Osterferien ein Institut, das ein Gesamtkonzept für die Gesundheitsversorgung im Essener Norden auf die Beine stellen soll.
Ohde selbst ist überzeugt von dem Konzept, das auch eine Reihe anderer niedergelassener Ärzte aus dem Essener Norden unterstützen. Wohnortnahe, ambulante und hoch spezialisierte Medizin könne so gewährleistet werden. Doch Ohde rechnet auch mit Gegenwind: „Es gibt immer die, die unzufrieden sind und die, die finden, es geht in die falsche Richtung.“