Essen. Wegen enorm gestiegener Kosten muss das städtische Wohnungsbauunternehmen Bauvorhaben absagen, die sich derzeit nicht rentieren. Das hat Folgen.

Erst vor einigen Tagen hat der Allbau wieder zu einem symbolischen ersten Spatenstich für ein Mehrfamilienhaus an der Markscheide in Altendorf geladen und Oberbürgermeister Thomas Kufen zeigte sich begeistert: „Essens größter Wohnungsanbieter leistet mit seinen Neubauprojekten einen wichtigen Beitrag für die Stadtentwicklung.“ So unstrittig dies ist, so selten werden solche Ereignisse über die Bühne gehen. Allbau-Geschäftsführer Dirk Miklikowski stellte jetzt auf Nachfrage klar, dass die Kosten-Krise am Bau auch die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft zwingt, in Zukunft deutlich kürzer zu treten.

Eine ganze Reihe projektierter Neubauten legt der Allbau auf Eis

Einen spektakulären Baustopp bei einem bereits begonnenen Vorhaben, wie ihn jüngst die Wohnungsgenossenschaft Gewobau in Bergerhausen verkündete, sei beim Allbau zwar derzeit nicht zu befürchten. Dennoch hat auch Miklikowski eine ganze Reihe von projektierten Neubauten vorläufig auf die lange Bank geschoben.

So rollen die Bagger am Kraienbruch in Dellwig vorerst nun doch nicht, um dort eine Wohnanlage mit 28 Wohnungen zu errichten. Auch an der Markscheide in Altendorf wird es vorläufig bei dem einen Haus bleiben, ein zweites, ebenfalls geplantes mit 15 Wohneinheiten bleibt ein Plan. Die Ringstraße in Kettwig mit 25 Wohneinheiten plus Kita muss ebenfalls noch warten. Es gebe weitere gestoppte Projekte, die der Allbau-Chef aber „nicht nennen möchte“.

In Bergerhausen wollte die Gewobau abreißen und neu bauen, nun steht erst einmal alles auf Null.
In Bergerhausen wollte die Gewobau abreißen und neu bauen, nun steht erst einmal alles auf Null. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Miklikowski nennt für die erzwungene Zurückhaltung zwei Gründe: „Da sind zum einen die galoppierenden Kosten, die Baufirmen in Rechnung stellen – wir zahlen heute 18 Prozent mehr als noch vor einem Jahr.“ Massive Belastungen sind auch mit den Baufinanzierungen verbunden. „Noch vor einiger Zeit haben wir ein Projekt mit 0,8 Prozent pro Jahr finanziert“, sagt der Allbau-Chef, „jetzt sind es 3,6 Prozent – eine dramatische Entwicklung.“

Mindestens 14,50 Euro Kaltmiete, um nicht ins Minus zu fallen

Natürlich könnte man theoretisch auch unter diesen Umständen bauen, doch bräuchte es dafür zur Deckung der Ausgaben und dem Bedienen der Darlehen deutlich höhere Mieten als bisher aufgerufen wurden. Selbst in einfachen Lagen müsste der Allbau bei frei finanzierten Wohnungen mindestens 14,50 Euro monatliche Kaltmiete pro Quadratmeter verlangen, was am Markt kaum durchzusetzen ist – „und da reden wir noch nicht von einer Rendite, sondern nur über die Refinanzierung“, betont Miklikowski. „Wenn die Rendite sogar ins Minus zu fallen droht, kann ich nicht bauen, das wäre unverantwortlich.“

Selbst wenn sie jemand zahlte, sind solche Miethöhen für das Selbstverständnis städtischer oder genossenschaftlicher Wohnungsunternehmen aber auch ein soziales Dilemma. „Das ist nicht im Sinne unseres Unternehmens, irgendwann ist die Belastungsgrenze bei den Menschen erreicht“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Gewobau, Stephan Klotz, als er in Bergerhausen die Reißleine zog. Hier waren Altbauten bereits entmietet und teilweise abgerissen worden, nun passiert im Bereich Maßmannweg/Guts-Muths-Weg in der Nähe der Ruhrallee erst einmal nichts mehr.

Stadt soll entscheiden, ob stärker gefördert und weniger Rendite akzeptiert werden kann

Der Allbau hingegen will zumindest Projekte, bei denen die Vorbereitungen bereits laufen, zu Ende bringen, wobei die ursprünglich erhoffte Rendite wohl auch in solchen Fällen stark nach unten zu korrigieren ist. Letztlich sieht Miklikowski nur eine Lösung, wenn der Neubau abseits des Luxus-Segments nicht bald weitgehend zum Erliegen kommen soll: Die öffentliche Hand müsse die finanziellen Förderungen, sprich die Subventionen aus dem Steuertopf, erhöhen. „Und unser Auftraggeber, die Stadt Essen, wird sich überlegen müssen, inwieweit Renditeerwartungen zurückgeschraubt werden können.“

Im August soll der Stadtrat sich mit dem Problem befassen. „Wir brauchen eine grundlegende Entscheidung“, sagt Miklikowski. Im Ergebnis wird es auf die Frage hinauslaufen, ob die intensive Neubautätigkeit der letzten zehn Jahre, die den Wohnungsmangel in Essen zumindest milderte, zum Erliegen kommt oder wenigstens auf Sparflamme weitergeht.

Mehr zu erwarten sei derzeit unrealistisch, betont Miklikowski. Und wenn die Bundesregierung geradezu verzweifelt an ihrem Plan festhält, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, fällt dem Allbau-Chef wie vielen anderen Fachleuten dazu nur eines ein: „Das ist die reine Utopie.“