Essen. Werner Strahl, Ex-Vorsitzender von Cap Anamur, will die Städtepartnerschaft mit Nischni Nowgorod erhalten. Sorgen um Krankenhaus in der Ukraine.

Wie so viele Menschen so verfolgt auch der Kinderarzt Werner Strahl aus Werden fassungslos den Krieg in der Ukraine. Als Vorsitzender der Hilfsorganisation Cap Anamur hat Strahl 2014 ein Hilfsprojekt in der seinerzeit schwer umkämpften Ostukraine initiiert. Der 78-Jährige engagiert sich zudem seit Jahrzehnten in der Gesellschaft für Deutsch-Russische Begegnung Essen e.V.

Diese gab Anfang 1990er Jahre den Anstoß für Essens Städtepartnerschaft mit der russischen Millionenstadt Nischni Nowgorod. Mit Kopfschütteln reagiert Werner Strahl auf öffentliche Forderungen an die Adresse von Oberbürgermeister Thomas Kufen, die Stadt Essen solle die Städtepartnerschaft angesichts des von Präsident Putin befohlenen Überfalls russischer Truppen auf die Ukraine aufkündigen.

Persönliche Kontakte von Essen in die Partnerstadt Nischni Nowgorod

Gerade in diesen schweren Zeiten gelte es, die Fäden zur russischen Zivilgesellschaft aufrecht zu erhalten und nicht abzuschneiden, sagte Strahl im Gespräch mit der Redaktion. Er wisse aus persönlichen Kontakten, dass auch viele Menschen in Russland schockiert sein über das, was die russische Armee auf Geheiß ihres Präsidenten in der Ukraine anrichtet. Auch in Nischni Nowgorod seien Menschen wie in vielen anderen russischen Städten auf die Straßen gegangen, um für Frieden zu demonstrieren – trotz der Repressionen, die ihnen vonseiten des Staates drohen.

Oberbürgermeister Kufen teilte unterdessen mit, dass sich der Deutsche Städtetag der Frage nach dem Umgang mit Städtepartnerschaften angenommen hat. Man sei sich einig, dass Partnerschaften und Kontakte mit russischen Kommunen unbedingt aufrecht erhalten werden sollen. Veranstaltungen mit Vertretern der russischen Regierung hingegen würden derzeit nicht wahrgenommen.

Cap Anamur versucht Kontakt zu Krankenhaus in der Ostukraine aufzunehmen

Cap Anamur, so berichtet Strahl, versucht bislang vergebens Kontakt zu Mitarbeitern eines Krankenhauses in der Stadt Switlodars’k im Donezbecken aufzunehmen. Die Hilfsorganisation hatte das 350-Bettenhaus 2014/2015 nach dem Krieg in der Ostukraine mitaufgebaut. Das Krankenhaus lag nur fünf Kilometer entfernt von der Demarkationslinie, die den von Ukraine beherrschten Teil des Landes von den Separatistengebieten trennte, berichtete Strahl, der den Vorsitz von Cap Anamur inzwischen aus Altersgründen abgegeben hat. Strahl war damals persönlich mit seinem Vorgänger Rupert Neudeck, dem Gründer der Organisation, vor Ort.

Das Gebiet sei nun unter russischer Kontrolle. „Wir können niemanden erreichen, die Leitungen sind tot. Auch bei uns hat sich noch niemand gemeldet. Wir wissen nicht einmal, ob die Leute noch leben“, berichtet Strahl. „Wir werden es weiter versuchen“, so der Mediziner.

Die Region im Osten des Landes zu erreichen dürfte für die Hilfsorganisation schwierig bis unmöglich sein, schätzt Strahl. Dennoch wolle Cap Anamur auch diesmal helfen. Man habe bereits Kontakt zu Medizinern in der Ukraine aufgenommen. Wie die Organisation angesichts der andauernden Kämpfe wird helfen können, bleibt abzuwarten. In der Regel unterstützt Cap Anamur lokale Projekte, stellt dafür lokale Mitarbeiter ein und bildet diese weiter.

Die Versorgung mit Hilfsgütern im großen Stil sei eher Aufgabe großer Hilfsorganisationen, die über über entsprechende Mittel und über die dafür notwendige Logistik verfügen wie beispielsweise das Rote Kreuz, betont Strahl. Das gelte auch die Flüchtlingshilfe. Private Initiativen von Menschen, die sich auf eigene Faust auf den Weg zur ukrainischen Grenze machen, um zu helfen, sieht der ehemalige Cap-Anamur-Vorsitzende eher kritisch. Und sei dies noch so gut gemeint. „Wir kennen das aus anderen Krisengebieten, das Chaos an der Grenze ist groß.“