Essen. Der Essener Ausbildungs-Markt hat sich im zweiten Corona-Jahr gefangen. Massive Einbrüche wie 2020 gibt es nicht. Doch alte Probleme bleiben.
Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie hat sich der Essener Ausbildungsmarkt leicht erholt im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahlen sind aber noch nicht wieder auf dem Niveau der Vor-Corona-Zeit. Das gab am Freitag Andrea Demler bekannt, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit.
So ist jetzt die Zahl der unversorgten Bewerber ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres, als Corona erstmals das Zustandekommen von Ausbildungsverträgen massiv erschwert hatte. Am 30. September 2021 hatten 387 junge Menschen im Stadtgebiet noch kein Angebot (Wert 2020: 373 unversorgte Bewerber). Dem gegenüber standen Ende September 2021 genau 530 gemeldete, unbesetzte Lehrstellen (Vorjahreswert: 552). Vor Corona waren beide Werte viel niedriger: 264 unversorgte Bewerber, 341 unbesetzte Lehrstellen.
Die wenigsten Ausbildungsberufe sind den jungen Leuten bekannt
Warum sich die Lage im Ausbildungsjahr 20/21 im Vergleich zum ersten Corona-Jahr nur unwesentlich verbessert hat, liegt auf der Hand: „Die Schwierigkeit bestand erneut darin, Bewerber und mögliche Arbeitgeber zusammenzubringen“, sagt Andrea Demler. „Alle bewährten, erfolgreichen Formate wie Speed-Datings oder Ausbildungs-Börsen mussten durch Digital-Formate ersetzt werden.“ Das, räumt die Chefin der Agentur für Arbeit ein, habe bei weitem nicht den gleichen Effekt wie Veranstaltungen, in denen sich die Menschen tatsächlich begegnen.
Ein grundsätzliches Problem bestehe seit Jahren und sei durch die Pandemie erheblich verschärft worden: „Es gibt über 300 Ausbildungsberufe, doch nur die wenigsten sind den Bewerbern bekannt.“ Entsprechend klinge die Liste der Lieblings-Jobs unter jungen Leuten seit Jahren immer gleich: Verkäufer (obwohl der Einzelhandel durch Online-Shopping massiv in Bedrängnis geraten ist), Bürokraft, Kfz-Mechatroniker. „Wir müssen weiter massive Anstrengungen unternehmen, um junge Leute für weitere und neue Berufsbilder zu interessieren.“
Viele wissen nicht: Eine Lehre startet nicht nur am 1. August oder 1. September
Doch nicht nur junge Bewerberinnen und Bewerber sind häufig uninformiert – es sind auch Eltern und Betriebe: „Es ist vielen Beteiligten nicht bekannt, dass Berufsausbildungen theoretisch an jedem Tag im Jahr starten können und nicht an Stichtage wie den 1. August oder September gebunden sind“, sagt Kerstin Groß, die Geschäftsführerin Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer (IHK). Viele Kandidaten, die im ersten Anlauf nicht ihre Wunsch-Ausbildung bekommen, glaubten, erst im nächsten Jahr eine Lehre starten zu können und verschwendeten viel Zeit mit Überbrückungs-Jobs.
Essen und das Ruhrgebiet stehen mit ihren Ausbildungsplatz-Daten derzeit übrigens noch ganz gut da: Während das Ruhrgebiet die Zahl der Bewerber im Vorjahresvergleich nur um -2,9 Prozent zurückging, sind es in Südwestfalen -12,8. Ähnlich sieht es bei den Lehrstellen aus: Das Ruhrgebiet verzeichnet einen Rückgang von -1,7 Prozent, Südwestfalen muss -8,1 Prozent verkraften.