Essen. OB Kufen will politisch verfolgte Afghanen in Essen aufnehmen, aber nur auf Basis der geltenden Verteilungsschlüssel. Das gefällt nicht jedem.

Oberbürgermeister Thomas Kufen will über die allgemeinen Verteilungspflichten hinaus keine weiteren afghanischen Flüchtlinge aufnehmen und die Stadt Essen bei Bund oder Land auch nicht als Ort für mehr freiwillige Aufnahmen anbieten. „Wir haben einen Verteilungsmechanismus in Nordrhein-Westfalen, und der ist auch gerecht“, erklärte der OB auf Anfrage. Er sei grundsätzlich gegen „Sonderkontingente und Showeffekte mit Flüchtlingen“, sagte aber auch: „Wir kommen unseren Verpflichtungen selbstverständlich nach.“

„Einige sagen, das Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen – das sehe ich genauso“, erklärte Kufen mit Bezug auf die letzte große Flüchtlingskrise. „Ich sage aber ebenso unmissverständlich: Auch 2014 darf sich nicht wiederholen.“ Erst die Weigerung der Staatengemeinschaft, die Flüchtlingsunterbringung weiter zu finanzieren, habe ein Jahr später zu jener Welle geführt, die dann mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommen ließ. „Auf die heutige Lage in Afghanistan bezogen heißt das, wir müssen die afghanischen Nachbarländer unterstützen, damit die Flüchtlinge dort versorgt werden können.“ Noch gebe es keine Flüchtlingsbewegung aus Afghanistan nach Europa, es sei also Zeit zu handeln.

Neben den Ortskräften, sollen auch politisch besonders gefährdete Frauen in Essen Aufnahme finden

Dessen ungeachtet, will Essens Oberbürgermeister neben den afghanischen Helfern der Bundeswehr auch andere, aus politischen Gründen besonders gefährdete Personen in Deutschland und damit auch in Essen aufnehmen. „Ich denke dabei besonders an afghanische Frauen, die sich für Demokratie und Rechtsstaat eingesetzt haben: Frauenrechtlerinnen, Juristinnen, Bürgermeisterinnen, Journalistinnen.“ Wichtig sei, dass der Aufenthaltsstatus der Asylbewerber rasch geklärt wird, damit nicht Jahre vergehen, bis auf gesicherter rechtlicher Grundlage die Integration beginnen könne. Es gelte die Fehler zu vermeiden, die Integration immer wieder erschwert hätten, so Kufen.

Von der Initiative „Seebrücke“, die eine weit expansivere Flüchtlingspolitik fordert und dafür jüngst in der Essener Innenstadt demonstrierte, war Kufen für seine Zurückhaltung kritisiert worden. „Alle, die das Land verlassen möchten, müssen dies tun können. Es geht jetzt um Menschen und nicht um Papiere und Grenzen“, heißt es in einem Aufruf. Auch bei früheren Gelegenheiten hatte die „Seebrücke“ den OB vergeblich aufgefordert, nach dem Vorbild mancher Nachbarstadt die Bereitschaft zu erklären, freiwillig mehr Flüchtlinge aufzunehmen und dies deutlich zu kommunizieren. Dies könne Vorbildcharakter entfalten.

Bei den deutschen Staatsbürgern mit Wohnsitz in Essen, die sich derzeit noch in Kabul aufhalten und verzweifelt versuchen, zum Flughafen zu gelangen, hofft Thomas Kufen „bis Ende der Woche“ auf eine glückliches Ende ihrer Odyssee.