Essen. Die Skepsis von CDU und OB, im Rahmen der „Seebrücke“ mehr Migranten aufzunehmen, sei zynisch. Von Herzlosigkeit sprechen die Essener Linken.

Die Essener Lokalgruppe der Initiative „Seebrücke“ ist enttäuscht über die Zurückhaltung von Teilen der Essener Politik, die Stadt zu einem „sicheren Hafen“ für Flüchtlinge zu erklären. Oberbürgermeister Thomas Kufen, der CDU-Ratsfraktionschef und die FDP zeigten sich in unterschiedlicher Gewichtung skeptisch, pauschal mehr Migranten aufzunehmen, die den Weg über das Mittelmeer nach Europa genommen haben. Essen leiste bereits überdurchschnittlich viel bei der Aufnahme und der Integration von Flüchtlingen, ein Beitritt zur Seebrücke könne als Signal aufgefasst werden, „dass Essen etwas nachzuholen hätte“, sagte CDU-Fraktionschef Jörg Uhlenbruch.

Aufnahmequoten für Flüchtlinge seien als „Untergrenze“ zu verstehen

Die Essener Seebrücken-Freunde empfinden dies als „falsch und zynisch“. Grund: „Europa hat tatsächlich etwas nachzuholen – jeder ertrunkene Mensch im Mittelmeer ist einer zu viel.“ Zwar sei richtig, dass die Stadt mehr Flüchtlinge aufgenommen habe als andere Kommunen, doch könne dies nicht bedeuten, sich darauf auszuruhen. „Aufnahmequoten definieren keine maximal zulässige Aufnahme, sie sollten vielmehr als Untergrenze verstanden werden.“

Die anhaltend gefährliche Lage auf den Zuwanderungsrouten liefere keinen Anlass, bei der Aufnahmebereitschaft eine Pause einzulegen. „Gerade jetzt, wo genug Kapazitäten bestehen, ist es unsere Pflicht, Menschen vor dem Ertrinken zu retten.“ Bei dem Sterben im Mittelmeer – alleine dieses Jahr seien über 1000 Menschen ertrunken – sei es zudem zynisch, von Symbolpolitik zu sprechen, so die Essener Seebrücke-Gruppe. Die CDU hatte erklärt, man wolle ähnlich wie beim „Klimanotstand“ nicht mit Ratsbeschlüssen Symbolpolitik betreiben. Da Essen mehr als genug Flüchtlinge aufnehme, brauche man nicht per Seebrücke bekunden, es dürften weitere sein.

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Symbolpolitik sei im übrigen durchaus Realpolitik, halten die Seebrücken-Freunde dagegen. Die Bewegung und die Städte, die sich zum sicheren Hafen erklären, übten nämlich Druck auf die Bundes- und EU-Politik aus. „Und zwar nicht nur symbolisch, sondern auch faktisch, wie der jüngste Sinneswandel von Innenminister Seehofer und die Malta-Vereinbarung zeigen.“

Die Linken hoffen auf die SPD, um so der CDU die Ratsmehrheit zu entwinden

Ähnlich wie die Grünen, kämpfen auch die Essener Linken dafür, dass sich Essen zum „sicheren Hafen“ erklärt. „Angesichts des Sterbens im Mittelmeer ist es kaltschnäuzig und herzlos, erfüllte Aufnahmequoten gegen Seenotrettung zu stellen, wie es der Oberbürgermeister und die CDU-Fraktion jetzt wieder tun“, so Fraktionsvorsitzende Gabriele Giesecke. Je höher die Bereitschaft aus den Kommunen ist, „ein paar wenige Menschen mehr aufzunehmen“, umso größer sei der Druck für eine politische Lösung auf EU-Ebene. Durch eine Unterstützung der Initiative würden auch keine missverständlichen Signale an das Land oder andere Städte gesendet, meinen die Linken. „Die Initiative Seenotrettung rüttelt nicht an den Verteilmechanismen für Geflüchtete innerhalb Deutschlands“, so Ratsherr Yilmaz Gültekin.

Die Linken hoffen nun, dass die SPD-Ratsfraktion sich der Resolution anschließt. „Dann wäre der Weg für ein humanitäres Signal aus Essen frei.“ Die SPD, mit der CDU im Stadtrat in einer Koalition verbunden, hatte sich in Gestalt ihres Fraktionschefs zwar ebenfalls zurückhaltend zur „Seebrücke“ geäußert, scheint hier jedoch weniger klar festgelegt zu sein als die CDU. Ohne die SPD hätte die CDU keine Mehrheit im Rat.

Zurzeit sind 113 deutsche Städte dabei

Genau 113 deutsche Städte haben sich laut Webseite der Initiative „Seebrücke“ bisher zu „Sicheren Häfen“ erklärt und fordern unabhängig von Quoten des Bundesinnenministeriums das Recht, Flüchtlinge aufzunehmen - vor allem solche, die über das Mittelmeer gekommen sind.

Im Ruhrgebiet sind die Städte Bochum, Dortmund, Unna, Recklinghausen und Wetter dabei. Anders als viele andere Städte hat Dortmund eine ähnlich hohe Quote bei der Aufnahme von Flüchtlingen erreicht wie Essen.