Essen. Peter Renzel bedrückt die Teuerung bei Lebensmitteln und Energie. Empfänger von Grundsicherung und Bezieher kleiner Renten gehe die Luft aus.
Angesichts der Teuerung von Nahrungsmitteln, Strom und Heizenergie fordert der Essener Sozialdezernent Peter Renzel eine drastische und dauerhafte Erhöhung der Grundsicherung für Hartz IV-Empfänger, Bezieher niedriger Renten und Aufstocker. Auch eine Zahl schwebt Renzel vor: Rund 100 Euro mehr seien pro Monat nötig, um je zur Hälfte die höheren Preise bei Lebenshaltung und Energie zu kompensieren.
Sozialdezernent Renzel sorgt sich besonders um Rentnerinnen und Rentner
Derzeit liegt der Regelsatz für Hartz IV-Empfänger bei 449 Euro pro Person und Monat. Während auch Haushaltsstrom davon bezahlt werden muss, trägt Miete und Heizenergie pauschal die Stadt. Letzteres trifft aber nicht automatisch auf die Bezieher kleiner Renten zu, die deshalb doppelt betroffen sind. „Die Rentnerinnen und Rentner, die knapp über dem Satz der Grundsicherung oder dem Wohngeldanspruch liegen, werden von den beschlossenen Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung nicht sehr viel haben“, so Renzel.
Während die Lebensmittelteuerung bereits jetzt für jeden notgedrungen Preisbewussten spürbar und bedrückend sei, werde das ganze Ausmaß der Energiekosten wohl erst bei der Nebenkostennachzahlung präsentiert. „Ich habe die Sorge, dass viele dann nicht mehr können und wir in den Beratungsstellen Tragödien erleben“, so der Sozialdezernent. Die Essener Verbraucherzentrale berichtet bereits jetzt über erheblichen Andrang. „Hier droht sozialer Sprengstoff, deshalb komme ich früh mit diesem Thema.“ Mit den angedachten Einmalzahlungen sei es auf keinen Fall getan.
Ihn bedrücke auch, dass viele Senioren vor lauter Scham bei den Behörden nicht prüfen lassen, ob sie eine Unterstützung bekommen können, und schon sehr bald mit ihren Einkommen nur schlecht über dem Monat kommen. 7400 Haushalte mit Bewohnern über 65 erhielten derzeit in Essen Leistungen der Grundsicherung. Die durchschnittliche monatliche Rentenhöhe in dieser Gruppe betrage 433 Euro.
In Essen gibt es rund 42.700 Bedarfsgemeinschaften mit rund 100.000 Menschen
Die Forderung nach mehr Hilfe ist das eine, aber wie soll sie umgesetzt werden? In Essen gibt es rund 42.700 Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften mit rund 100.000 Menschen, schätzt Renzel. Würde die Stadt fiktiv jedem 100 Euro mehr Unterstützung bezahlen müssen, wären das pro Jahr um die 120 Millionen Euro, eine gewaltige Summe für den städtischen Etat.
Essens Sozialdezernent, der der CDU angehört, versteht seinen Appell dann auch vor allem als Aufforderung an den Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten, die Erhöhung der Grundsicherung erstens zu beschließen und sie zweitens auch zu finanzieren. Allerdings bieten auch diese Etats von Bund und Land nach Corona und den kriegsbedingten finanziellen Herausforderungen nicht mehr viel Spielraum.
Bei steigender Grundsicherung würde der Abstand zu Niedriglöhnen sinken
Renzel ist zudem die Gefahr bewusst, dass die Abstände zu Niedriglöhnen weiter verkleinert werden, wenn der Regelsatz erhöht würde. Das gilt selbst dann, wenn die Bundesregierung den Mindestlohn ebenfalls geringfügig hochsetzt. Folge wäre, dass der Anreiz zur Arbeitsaufnahme weiter sinkt, da es sich finanziell vor allem für Niedrigqualifizierte immer weniger lohnt. An seiner Forderung ändere das aber nichts: „Ich blende diesen Zusammenhang nicht aus, aber ich habe als Sozialdezernent zunächst den Blick auf die Menschen in Not.“
Auch der Mehraufwand der Stadt für die Heizenergie von Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften dürfte bei erwartbar steigenden Gas-Preisen in die Millionen Euro gehen. Hier ergeben sich ebenfalls unerwünschte Effekte durch die Tatsache, dass der ökonomische Anreiz-Mechanismus ausgeschaltet ist, denn die Stadt übernimmt die Kosten pauschal.
Während Selbstzahler in der Regel ein ureigenes Interesse daran haben, ihre steigende Heizrechnung durch sparsameres Heizverhalten unter Kontrolle zu behalten, ist dieser Impuls im Allgemeinen kleiner, wenn ein Dritter bezahlt – hier die Stadt. „Beratung und Information“, so Renzel, sei der einzige Weg hier weiterzukommen. Schon 2009 habe er gemeinsam mit dem Jobcenter einen Energiesparcheck etabliert, eine Deckelung der Heizkosten, wie sie die Stadt bereits 2019 einführte, stieß auch politisch auf Widerstand und galt in der Praxis als schwer umsetzbar. Er sei sich aber sicher, dass die Zahl der Verschwender – Stichwort Heizen bei geöffnetem Fenster – auch unter Grundsicherungsbeziehern klein ist.