Essen. Essen will Hartz-IV-Empfängern die Heizkosten nur noch bis zu einer festgelegten Höhe erstatten. Dafür hagelt es Kritik von Mieterschützern.

Die neue Heizkosten-Richtlinie für Hartz-IV-Empfänger in Essen stößt bei Mietervertretern und Teilen der Politik auf teils scharfe Kritik gestoßen. Die Mietergemeinschaft wirft der Stadt vor, den Nachweis über wirtschaftliches Heizen den Hartz-IV-Empfängern aufzubürden. „Am Ende führt das Konzept zu Einzelfallprüfungen, bei denen der öffentlichen Hand Kosten entstehen und die Leistungsempfänger ihrem Geld hinterher rennen müssen“, erklärte die Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft, Siw Mammitzsch.

Die Essener SPD-Landtagsabgeordnete Britta Altenkamp bezeichnete es als „zynisch und lebensfremd“, die Heizkosten zu deckeln. „Getroffen werden damit diejenigen, die zumeist in schlecht gedämmten und isolierten Wohnungen leben müssen, weil die Auflagen des Wohngeldes für eine angemessene Unterkunft sie dazu zwingen“, so Altenkamp. Sanierte Wohnungen dagegen seien für Hartz-IV-Empfänger unerschwinglich. „Ein Teufelskreis!“, meint die Sozialdemokratin. Im städtischen Sozialausschuss hatte Altenkamps Partei der Deckelung allerdings zugestimmt.

Die Grünen-Fraktion im Stadtrat äußerte sich ebenfalls kritisch. Die sozialpolitische Sprecherin, Christine Müller-Hechfellner sagte: „Wir befürchten, dass die für Härtefälle vorgesehenen Einzelfallentscheidungen nicht ausreichend berücksichtigen werden, dass hohe Heizkosten meist nicht in erster Linie den Leistungsempfängern anzulasten sind. Grund sind stattdessen häufig die gerade bei preiswerten Wohnungen vorhandenen energetischen Mängel, wie z.B. defekte Heizungen und undichte Fenster“.

Neue Heizkosten-Richtlinie gilt ab 1. Juli

Die Stadt will ab 1. Juli die Heizkosten für Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger deckeln. Bislang erstattete sie diese ungeprüft in voller Höhe. Künftig gelten je nach Energieträger, Haushalts- und Wohnungsgröße festgelegte Obergrenzen. Für Härtefälle soll es Einzelfallentscheidungen geben. Die Stadt will damit eine Handhabe gegen Verschwender schaffen.

Nach Erfahrungen der Mietergemeinschaft seien jedoch häufig u.a. defekte Geräte – besonders bei Nachtspeicherheizungen – ein Problem. Den Nachweis darüber müssten dann die Mieter führen. „Das ist aber meist mit hohen Kosten verbunden, die sich gerade Leistungsempfänger nicht erlauben können“, sagte Mammitzsch. Darüber hinaus habe die Mietergemeinschaft in einigen Wohnungsbeständen in Essen Kenntnisse darüber, dass private Vermieter aus Gründen der Ersparnis reine Elektroheizungen installieren würden. Das seien Heizungen, die über den normalen Hausstrom laufen und deren Kosten damit „exorbitant hoch“ sind. „Mietern auf Wohnungssuche fällt sowas bei einer Besichtigung oft nicht auf, da die Heizkörper fast wie normale Heizungen aussehen“, meinte Mammitzsch und fordert ein Verbot solcher Heizungen in Mietwohnungen. Sollte das Jobcenter dem Bezug einer Wohnung mit einer solchen Heizung zugestimmt haben, dann müsse es auch die Kosten für die teure Heizung übernehmen. Mammitzsch: „Alles andere drängt die Leistungsempfänger in eine Schuldenfalle.“

Grüne fordern: Sozialwohnungen energetisch sanieren

Die Grünen plädieren unterdessen für eine energetische Sanierung von Sozialwohnungen. „Diese würde nicht nur zur Einsparungen bei den Nebenkosten führen, sondern auch im Hinblick auf Umwelt- und Klimaaspekte positive Wirkungen zeigen“, so Christine Müller-Hechfellner. Im Gegenzug zu den Energieeinsparungen sollte die Stadt den Hartz-IV-Empfängern dann auch die höhere Miete zahlen, falls sie über die Angemessenheitsgrenze rutscht.

Zustimmung zur Heizkosten-Deckelung gab es dagegen von der FDP. „Sowohl aus Sicht der Steuerzahler als auch aus klimapolitischen Gründen ist es nicht weiter vertretbar, ungeprüft jedwede Heizkostenrechnung zu erstatten“, erklärte Petra Hermann, sozialpolitische Sprecherin der Essener FDP. Ihre Fraktion setze hierbei auch auf eine aufklärerische Signalwirkung. „Dass eine Richtlinie nötig wird, um energiesparend Wohnungen zu heizen, zeigt, dass eindeutig Handlungsbedarf bestand“, so Hermann.