Essen-Altendorf. Kriminalität, Drogen und Alkohol: Der Ehrenzeller Platz in Essen-Altendorf gilt als Problemzone. Was die Menschen vor Ort zur Debatte sagen.
Der Ehrenzeller Platz in Altendorf ist ein Sorgenkind in der Essener Stadtentwicklung, ein sozialer Brennpunkt mit recht trostlosem Anblick – trotz Millioneninvestition in die Umgestaltung. Ein Kunstwettbewerb soll jetzt mehr Farbe bringen und Schmierereien verhindern. Die zwei Nachbarn, die an eine Mauer gelehnt sitzen, sehen keinen Grund zur Veränderung, sind zufrieden mit „ihrem Platz“.
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„Nach dem Einkaufen machen wir hier ein Päuschen“, sagt der eine. Ihren Namen möchten beide nicht nennen. Es ist zwölf Uhr mittags an einem Wochentag in den Schulferien, knapp über 20 Grad und leicht bewölkt. Einige Kinderstimmen vom nahe gelegenen Spielplatz sind zu hören, vor allem aber sind es erwachsene Männer, die sich hier treffen. Sie unterhalten sich, rauchen, trinken Bier. Übertönt werden ihre Gespräche ab und an von vorbeifahrenden Autos.
Die beiden Nachbarn haben je eine Flasche Pils geöffnet, zum oft diskutierten Problemfall „Trinkerszene“ wollen sie sich nicht zählen lassen. „Man wird ja wohl nochmal ein Bierchen trinken dürfen“, meint einer der Männer. „Es wird viel zu viel verboten in Essen, in Rüttenscheid sind ja auch schon Bänke abmontiert worden.“ Dort habe er lange und gerne gelebt, bis ihm der Mietvertrag wegen Eigenbedarfs gekündigt worden sei. Er ist als Kind mit seiner Familie aus Ostpreußen geflohen, hat im Ruhrgebiet als Gebäudereiniger und in einer Druckerei sowie lange in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gearbeitet. Nun verbringt er in Essen auch seinen Lebensabend. In Altendorf wohne er grundsätzlich gerne, nachts jedoch würde er sich „natürlich nicht auf die Altendorfer Straße“ wagen.
Kriminalität und erhöhte Arbeitslosigkeit
Immer wieder gibt es Schlagzeilen zu Drogendealern, illegalen Autorennen, Einbrüchen und Raub in Altendorf. Die Kinder könnten kaum noch alleine raus, weil in 30er-Zonen gerast werde, beschwert sich eine Anwohnerin der Ehrenzeller Straße auf Facebook. Autoschrauber blockierten Parkplätze, es werde bis in die Nacht hinein laut gefeiert und Müll hinterlassen. Andere kritisieren vor allem Drogenhandel und Alkoholkonsum in Altendorf.
Michelle Keune hingegen macht sich um die Sicherheit ihrer drei Töchter und die des vierten Mädchens, mit dem sie schwanger ist, keine vermehrten Sorgen. „Ich bin hier selbst aufgewachsen“, sagt die 27-Jährige. „Und würde ich meinen Kindern das nicht zutrauen, wäre ich nicht mehr hier.“ Sie sitzt auf einer Bank am Rande des Spielplatzes, die Kinder backen Sandkuchen. Auch Keunes Partner ist in Altendorf aufgewachsen und will nicht wegziehen, dass die Polizei hier viel Präsenz zeigt, findet er jedoch gut. Zwei Polizeibeamte und ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes gehen auch an diesem Mittag über den Ehrenzeller Platz und beobachten die Lage.
Ein ehemaliger Polizeibeamter ist neuerdings zudem ehrenamtlich in Altendorf unterwegs, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Und gibt es viele soziale Angebote: den Mädchentreff Perle, einen offenen Treff für Kinder und Jugendliche, das Stadtteilbüro und das Stadtteilzentrum Kreuz und quer etwa.
Von den rund 23.000 Einwohnerinnen und Einwohnern Altendorfs hat nach Daten des Amts für Statistik ungefähr die Hälfte die deutsche Staatsbürgerschaft, die andere Hälfte andere Nationalitäten. Jeweils mehr als 1500 Menschen stammen aus der Türkei und Syrien. Der Anteil ausländischer Bürgerinnen und Bürger ist hoch, im Stadtbezirk und der gesamten Stadt Essen liegt er bei etwa einem Drittel. Entsprechend gefragt sind Projekte zur Integration. Und auch die Arbeitslosigkeit ist mit 16 Prozent (Stand 31.12.20) höher als im Essener Durchschnitt, der zum selben Zeitpunkt bei 9,1 Prozent lag.
Verbindung in andere Essener Stadtteile
Karin Hartmann ist froh, dass es viele engagierte Menschen in Altendorf gibt, die den sozialen Problemen begegnen wollen. „Mein Herz brennt für Altendorf“, sagt sie. Selbst wohnt sie in Frohnhausen, ist aber Teil der Kirchengemeinde St. Mariä Himmelfahrt in Altendorf und betreut hier am Ehrenzeller Platz den Eine-Welt-Laden. „Wir fühlen uns hier sehr wohl und kommen miteinander klar. Wenn wir Waren hineintragen, bietet fast immer jemand Hilfe an“, sagt sie. „Wenn man einander anspricht, kommt man auch miteinander aus.“ Schade sei es, dass das Bistro auf dem Platz sowie der Radladen geschlossen worden seien und wegen der Corona-Pandemie lange keine Feste gefeiert werden konnten.
Ihr Anliegen ist es auch, mehr Vernetzung unter den Stadtteilen zu schaffen. Weil es in Altendorf selbst eher weniger Kundschaft für die Fair-Trade-Produkte des Ladens gebe, stehe sie nun samstags mit einem Fair-Trade-Stand auf dem Frohnhauser Markt und werbe bei den dortigen Kunden auch für einen Besuch im Laden in Altendorf. Sie wünsche sich, dass Essenerinnen und Essener aus anderen Stadtteilen nicht vom Ruf Altendorfs abschrecken lassen, sondern sich vor Ort ein eigenes Bild machen.