Essen-Rüttenscheid. Lars Kokoscha aus Essen-Rüttenscheid produziert Cider – in seinem Keller. Bald soll es seine Getränke auch im Supermarkt geben.
In dem großen Plastiktopf, den Lars Kokoscha stolz in den Händen hält, blubbert und zischt es. Die gelbe Flüssigkeit spritzt gegen die Ränder, als er ihn zurück auf den Holztisch stellt – neben Mühle, Presse und leere Flaschen, die schon mit einem Logo versehen sind: „Epple Cider“.
Wochenlang hat Kokoscha in seinem Keller in Essen-Rüttenscheid an der Idee getüftelt, bald wird er ihn abfüllen können: seinen eigenen Cider.
Essener Start-up-Gründer: „Cider ist längst nicht so verbreitet wie Bier“
Apfelschaumwein hat er zum ersten Mal 2010 probiert, während eines Auslandssemesters in Südafrika. „Die Cider-Kultur ist dort sehr groß“, sagt der heute 35-Jährige. Als er seine Studienfreunde – mit denen er „immer sehr viel und auch sehr unterschiedlichen Cider“ trank – im vergangenen Herbst erneut in Kapstadt besuchte, kam ihm der Gedanke, sich selbst an die Produktion zu wagen.
„Ich hatte Lust auf etwas Handwerkliches. Und Cider ist in Deutschland längst nicht so verbreitet wie Bier“, sagt Kokoscha, der hauptberuflich in der Digitalabteilung eines Essener Konzerns arbeitet, über sein „Spaßprojekt“. Er las Bücher, belegte einen Online-Kurs an der australischen University of Tasmania – und experimentierte.
„Der Vorgang, Alkohol herzustellen, ist total spannend“
Stimmt der Zuckergehalt? Welche Hefe eignet sich am besten? Wo sollen die Flaschen lagern? All diese Fragen habe sich Kokoscha zu Beginn stellen müssen. „Der Vorgang, Alkohol herzustellen, ist total spannend“, sagt er.
Um Cider zu produzieren, zermahlt er frische Äpfel zunächst zu einem Brei, den er dann in eine Presse gibt. Dem so gewonnenen Apfelsaft fügt er Hefe hinzu, der Gärungsprozess dauert einige Wochen. Der fertige Cider enthält im Durchschnitt vier bis acht Prozent Alkohol.
Start-up „Von der Wiese“ will mit Kelterei zusammenarbeiten
„Am Anfang habe ich die Nachgärung wahnsinnig unterschätzt. Als ich die ersten Flaschen geöffnet habe, ist der komplette Inhalt bis an die Decke gespritzt“, sagt Kokoscha und zeigt dabei auf einen Fleck an der weißen Tapete über seinem Esstisch.
Es brauchte vier Versuche, bis er die richtige Rezeptur gefunden hatte. Mittlerweile hat er ein Start-up namens „Von der Wiese“ gegründet, wird die Produktion bald professionalisieren und mit einer Kelterei aus der Region zusammenarbeiten.
Essener: „Rüttenscheid ist der Ort, an dem neue Ideen entstehen“
Ab Herbst soll sein „Epple Cider“ – beim englischen Wort „Apple“ (dt. Apfel) hat er das „A“ durch ein „E“ für Essen ersetzt – dann zu probieren sein, vor allem in den Supermärkten und Bars in Rüttenscheid. „In meiner Jugend war die Innenstadt noch der Place to be. Aber jetzt ist Rüttenscheid der Ort, an dem neue Ideen entstehen.“
Der Stadtteil passe außerdem gut zu seinem Start-up, da Nachhaltigkeit für viele Rüttenscheiderinnen und Rüttenscheider eine große Rolle spielt. So lagen die Grünen bei der Landtagswahl in Rüttenscheid klar vorne: 29,42 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gaben ihnen ihre Zweitstimme.
Essener Start-up setzt auf Nachhaltigkeit
„Cider ist ein Produkt, das fast ohne Abfall auskommt. Und den Trester, also den Pressabfall, kann man als Tierfutter verwenden oder auch, um Schnaps herzustellen“, sagt Kokoscha. Sein Ziel ist es außerdem, hauptsächlich Äpfel zu nutzen, die normalerweise vergammeln würden.
Cider aus Essener Äpfeln
Nirgendwo auf der Welt wird so viel Cider getrunken wie in Großbritannien. 2019 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei durchschnittlich 14 Litern. Da Kapstadt lange eine britische Kolonie war, ist die Cider-Kultur auch dort weit verbreitet. Wer Äpfel abzugeben hat, kann sich unter epple@vonderwiese.de bei Lars Kokoscha melden. Weitere Infos gibt es unter www.vonderwiese.de oder bei Instagram unter @vonderwiese_epplecider.
„Viele Leute haben einen Apfelbaum im Garten, können die vielen Äpfel aber gar nicht essen und lassen sie verrotten.“ Daher sei er zum Beispiel in Kontakt mit Kleingartenvereinen und hofft auf Apfel-Spenden, auch von Privatleuten. Er sei aber auch dazu bereit, für die Äpfel zu bezahlen: 15 Euro für 100 Kilo.
100 Kilo Äpfel für 50 Liter Cider
Aus dieser Menge könne er 40 bis 50 Liter Apfelschaumwein gewinnen. Der schmeckt laut Kokoscha übrigens „super erfrischend, süßlich und je nach Apfelsorten immer ein bisschen anders“.
Dass er überhaupt Cider produzieren kann, war vor einigen Jahren noch undenkbar: „Ich habe jahrelang wahnsinnig allergisch auf Äpfel reagiert und konnte sie nur essen, wenn sie vorher erhitzt wurden. Erst, seitdem ich angefangen habe, Cider herzustellen, merke ich die Allergie nicht mehr.“