Essen-Überruhr. Erst waren sie regelmäßig beschädigt, nun sind sind sie ganz weg: Der Essener Bahnhof in Überruhr-Holthausen hat keine Aufzüge mehr.
Erst setzte Vandalismus dem Bahnhof Überruhr-Holthausen immer wieder zu. Im Vorjahr dann die Flutkatastrophe. Jetzt sind die Aufzüge nicht nur beschädigt worden, sondern ganz abgebaut. Wer nicht gut zu Fuß oder gar auf einen Rollator angewiesen ist, kommt die große Treppe zum Bahnsteig nicht herunter. Und dieser Zustand soll sich laut Bahn so schnell nicht ändern.
Dort, wo sich die Zugänge zu den Aufzügen über den Gleisen befanden, sind nun Gitterelemente angebracht worden. Daneben hängt ein Plakat, das auf den Neubau der Aufzüge hinweist und auf die Dauer dafür. Demnach soll die Fertigstellung im vierten Quartal 2022 erfolgen. Wer bis dahin Unterstützung braucht, für den gibt es Telefonnummer und Mailadresse der DB Mobilitätsservice-Zentrale.
Bahnkunden, Politiker und Bahnhofspate beklagen Missstände seit Jahren
Dabei sind die Fahrgäste, die den Bahnhof Überruhr-Holthausen nutzen, Einschränkungen wie Missstände gewohnt. Beschmierte Wände, zerstörte Wartehäuschen, herausgerissene Fahrpläne oder defekte Aufzüge, weil wieder einmal die Scheiben eingeschlagen worden sind. All das beklagen Bahnkunden, Politiker und auch Bahnhofspate Thilo Scharf regelmäßig. Einige haben lange Listen aufgestellt, auf denen sich Schäden und Reparaturen aneinanderreihen.
Bislang haben jedoch weder Klagen noch Kameras dauerhaft Abhilfe schaffen können. So wollte schließlich Bahnhofspate Thilo Scharf mit einer Interessengemeinschaft vor allem die Aufzüge im Blick behalten, damit diese dauerhaft und verlässlich funktionieren. Denn nicht zuletzt befinden sich unweit des Bahnhofs gleich mehrere Seniorenwohnheime und damit Bewohner, die auf Gehhilfen wie Rollatoren angewiesen sind. Die lange Treppe ist für sie oftmals eine unüberwindbare Hürde. Gleiches dürfte für Eltern mit Kinderwagen gelten.
Aus Richtung Wuppertal sei man mittlerweile auf dem Gleis gefangen
„Hier wird es nicht stetig ein wenig besser, sondern leider werden die Barrieren immer größer, mit Reisegepäck oder Rollator zum Gleis bzw. von dort in den Stadtteil zu kommen“, sagt Bahnhofspate Thilo Scharf. Aus Richtung Wuppertal sei man mittlerweile auf dem Gleis gefangen, wenn man keine Treppen steigen könne. Aus Richtung Essen sei es wiederum ein Umweg von ca. zwei Kilometern in den Stadtteil, wenn Barrierefreiheit erforderlich sei.
„Dabei soll rechtlich seit dem Jahreswechsel an allen Bahnhöfen weitestgehende Barrierefreiheit ermöglicht sein. Ein Abbau der Aufzüge und Zeitanzeiger widerspricht dem“, kritisiert er. Mobilitätsunterstützung per E-Mail oder mit einer Berliner Servicetelefonnummer bis mindestens ins vierte Quartal seien da kein guter Ersatz. Und selbst die Treppen seien in traurigem, renovierungsbedürftigem Zustand.
Ohne die Aufzüge hat sich die Gefahrensituation an den Treppen verschärft
Auf diese Gemengelage habe nun glücklicherweise auch die Politik reagiert. Die Politiker haben die Stadt nun aufgefordert, dass die Verantwortlichen die Bezirksvertretung Ruhrhalbinsel kurzfristig über die Pläne für den Bahnhof in Kenntnis setzen und die Neumontage der entfernten Aufzüge vorziehen. „Auf meine Anregung hin wirkt nun die Stadtverwaltung zudem auf die Betreiberin ein, die entsprechende Verkehrssicherheit für die Reisenden zu gewährleisten“, sagt er.
Denn ohne die Aufzüge habe sich die Gefahrensituation an den Treppen leider verschärft, sagt SPD-Politiker Christian Sieg. Noch im November wiesen die Bezirksvertreter auf mögliche Gefahren hin, stellten einen Antrag, damit diese gebannt würden. Schon damals hätten sich Beschwerden über die Risiken auf der Treppe gehäuft. Es ging um das Pflaster auf der Seite der Ruhr, um Risse, Kanten sowie beschädigte Stellen, die eine Gefahr bedeuteten.
Eine wichtige Verbindung des Stadtteils mit dem Weg an der Ruhr ist nicht barrierefrei
Hinzu komme, dass die Aufzüge seit dem Juli-Hochwasser außer Betrieb seien. „Statt Instandsetzung während der Streckensperrung wurden sie Ende November kurzerhand komplett entfernt“, fasst Christian Sieg die Situation zusammen. „Im Ergebnis bedeutet 1,5 Jahre ohne funktionierende Aufzüge, die die sanierungsbedürftige Treppenanlage entlasten würden“, sagt er. Damit sei diese wichtige Verbindung des Stadtteils mit dem Weg an der Ruhr nicht barrierefrei möglich.
„Die Modernisierung der beiden Aufzüge ist für dieses Jahr geplant“, sagt ein Bahnsprecher auf Nachfrage dazu. Wegen der Hochwasserkatastrophe habe die DB im Vorjahr entschieden, die Streckensperrung zu nutzen, um die schon etwas älteren störanfälligen Aufzüge zurückzubauen. Die Demontage habe bereits im vergangenen Herbst begonnen. Bis zur Fertigstellung der Aufzüge gilt: „Mobilitätseingeschränkte Reisende müssen auf den Aufzug am Bahnhof Essen-Kupferdreh oder auf den Bahnhof Essen-Steele zurückgreifen.“
Kameraüberwachung soll es laut Bahn am Bahnhof in Überruhr-Holthausen nicht geben
Warum die Modernisierung so viel Zeit beansprucht, das beantwortet die Bahn nicht. Bestätigt aber, dass der Bahnhof stark von Vandalismus betroffen sei. Um Abhilfe zu schaffen und auch, damit die modernisierten Aufzüge nicht gleich wieder beschädigt werden, heißt es: „Hier sind daher präventiv verstärkt Mitarbeitende von DB Sicherheit und der Bundespolizei im Einsatz.“ Erklärte die Bahn bei früheren Nachfragen hingegen noch, Kameras – die am Bahnhof Holthausen immerhin hängen – gehörten zum Sicherheitskonzept, heißt es nun: „Eine Kameraüberwachung ist für den Bahnhof nicht vorgesehen.“
Das Projekt Bahnhofspate und Kameraüberwachung
„Das Projekt Bahnhofspate von Land NRW, VRR und DB sieht den Paten im Wesentlichen in der Rolle eines interessierten Menschen vor Ort, der Mängel meldet“, erklärt Thilo Scharf, der als Pate für Überruhr zuständig ist. Entsprechend sei die grundsätzliche Kommunikation angelegt. Die DB als Infrastrukturbetreiberin nimmt gerne diese Meldungen an. Sie werden dann entsprechend der DB-eigenen Prioritäten bearbeitet.
Dabei betont der Überruhrer Pate, dass das Essener Bahnhofsmanagement im Rahmen seiner Möglichkeiten und begrenzten Ressourcen recht wohlwollend auf das bürgerliche Engagement reagiere, aber eben auch an Konzerninterna gebunden sei. So seien auch einige Verbesserungen am Haltepunkt Essen-Holthausen vorgesehen.
Die musste die Bahn in den vergangenen Jahren immer wieder vornehmen, der Aufzug wurde mehrfach repariert, das Wetterschutzhaus instand gesetzt. Schon damals ging es auch um den Einsatz der Kameras, die Bahn erklärte, dass die Videotechnik ihr vor allem dabei helfe, betriebliche Abläufe und Hausrechtswahrung zu überprüfen.
Zugriff auf Bilder der Kameras hat ohnehin ausschließlich die Bundespolizei, da sie zuständig ist für die Abwehr von Gefahren und Strafverfolgung auf Bahnhöfen und in Zügen. Bislang gab es für die Bundespolizei keine Anhaltspunkte, um Bilder der Kameras am Bahnhof Überruhr weiter auszuwerten. Sie registrierte zwar Sachbeschädigungen im einstelligen Bereich, das aber machte den Bahnhof für sie nicht zur Schwerpunktstelle.