Essen. Nach der Abrechnung von Britta Altenkamp ist schwer vorstellbar, dass Reinhard Paß sich eine zweite Amtszeit erkämpfen kann. Sein einziger Trumpf: Die SPD tut sich schwer mit einer personellen Alternative.
Britta Altenkamp ist eine streitlustige, mutige Politikerin, die nie ein Hehl daraus gemacht, was sie von Reinhard Paß in der OB-Funktion hält: nichts. Dennoch ist ungewöhnlich, dass sie ihre offizielle Kandidatur für den Parteivorsitz mit einer derart heftigen Breitseite gegen den OB verbindet. Jeder weiß, dass Parteifreunde oft gnadenlos miteinander umgehen, doch geschieht dies meist im Verborgenen, weil sich niemand nachsagen lassen will, sich offen unsolidarisch verhalten zu haben.
Britta Altenkamp muss sich also sehr sicher fühlen, wenn sie diese Konvention bricht und Paß für jedermann nachlesbar attestiert, die falsche Person fürs OB-Amt zu sein. Als designierte Parteivorsitzende agiert Altenkamp hier nicht ohne Risiko, ja sie beschwört eine klassische Duell-Situation herauf, in der es zwingend einen Verlierer geben muss - Paß oder sie.
Reinhard Paß hat dabei einen einzigen Trumpf im Ärmel, der auf seine Amtsführung allerdings kein gutes Licht wirft: Die SPD hat schlicht noch keinen anderen überzeugenden Kandidaten. Wenn es ihm also mangels personeller Alternativen und unter Anrufung der sozialdemokratischen Solidarität vielleicht doch gelingt, den Parteitag von einer zweiten Amtszeit zu überzeugen, wäre Altenkamp bis auf die Knochen blamiert und könnte auch gleich zurücktreten.
Dieses Szenario ist unwahrscheinlich, liefern aber muss Altenkamp schon. Unter den lokalen SPD-Akteuren ist niemand erkennbar, der das Zeug zum OB hätte oder den es auch nur in dieses Amt ziehen würde. Vielleicht lässt sich NRW-Justizminister Thomas Kutschaty doch noch erweichen, vielleicht drängt ihn auch seine Chefin Hannelore Kraft, sich in Essen in die Pflicht nehmen zu lassen.
Eine andere Möglichkeit zeigt das Beispiel Düsseldorf: Dort hat der vor einem Jahr völlig unbekannte Sozialdemokrat und Energiemanager Thomas Geisel aus dem Stand das OB-Amt erobert. Doch solche Kandidaten - auch eine Kandidatin hätte für die SPD gewiss hohen Reiz - wachsen nun mal nicht auf den Bäumen. Und Altenkamp hat nicht mehr viel Zeit, denn vernünftigerweise soll noch in diesem Jahr klar sein, wen die Partei aufs Schild hebt. Der- oder diejenige müsste sich schließlich in Essen bekannt machen, überzeugende Kampagnen entstehen auch nicht von heute auf morgen.
Bleibt eine Frage offen: Was sagt eigentlich der Bürger zu all dem? Reinhard Paß ist kein sonderlich volkstümlicher OB. Möglich wäre trotzdem, dass mancher angewidert reagiert auf das Schauspiel, wie eine Partei den eigenen OB vom Hof jagt. Wie gesagt: Britta Altenkamp hat sich fürs Risiko entschieden. Man darf gespannt sein.